Donnerstag, 25. Dezember 2008

Wirklich fantastisch

Doch recht deultich, verehrte potentielle Leserschaft, sehe ich den einen Leser oder die andere Leserin dieses Blogs vor mir, der oder die beim Überfliegen der Einträge aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt: Ist ja alles ganz interessant, doch irgendwie auch verdammt abgespacet und abgehoben (oder "abgefahren"; der Dorian Grave sei "abgefahren", hab ich gerade gelesen) - warum schreibt ein Jugendbuchautor seltsame Sachen über Quellen, Besuche an Goethes Gruft und so ein küchenphilosophisches Zeug?

Ich glaube, ich erwähnte es an dieser Stelle bereits: Ich bin nicht Kai Meyer. Ich bin auch nicht Christoph Marzi (dessen Stil ich nach dem Wenigen, das ich von ihm gelesen habe, schätze), Thomas Finn oder Christoph Hardebusch - um einmal diejenigen zu nennen, die eigentlich unverdächtig sind. Der Leser wird wissen, wer an Autoren des fantastisch angehauchten Genres ebenfalls so ungefähr zu meiner Generation gehört. Viele dieser Autoren schreiben absolut spannende Sachen, doch ich habe den Eindruck, dass der Ansatz doch ein ganz anderer ist. Wir alle erzählen fantastische Geschichten, doch die Gründe, aus denen wir das tun, die sind zum Teil sehr unterschiedlich.

Vielleicht hängt er mit der Person von J.R.R. Tolkien zusammen, der als Pate des fantastischen Genres bis heute über der Szene schwebt. Tolkien hat sich vehement dagegen gewährt, seine Geschichten als Chiffren verstanden zu sehen, etwa den "Lord of the Rings" als Kommentar auf die klaustrophobische Situation der "Schlacht um England" in der ersten Hälfte der 1940er Jahre. Erstaunlich genug, denn gerade der akademische Mythen-Fachmann Tolkien hätte das Wesen der Sage besser verstehen müssen. Er hätte wissen müssen, dass die Sage immer vor allem auch eine Auskunft gibt über die Zeit und die Situation, in der sie erzählt wird. Und die fantastische Literatur erzählt ja nun einmal sehr vordergründig Sagen. Die Wirklichkeit ist für das Fantastische damit sogar sehr relevant. Finn hat das mit seinen Sagen-Updates auch gemerkt; das ist durchaus ein spannender Ansatz. Ich kann ihn nicht inhaltlich kommentieren, weil ich nichts davon gelesen habe.

Halten wir also fest: Die Wirklichkeit ist relevant für das Fantastische - wie ich es definiere. Phantastik ist nicht Weltflucht. Sie ist das Gegenteil. Sie ist Spiegelung. Sie ist wie ein Traum von der Wirklichkeit. Und es gibt ja nun sehr alte Traditionen, die in Träumen den einen oder anderen Fingerzeig unseres Unterbewusstseins vermuten. Begreifen wir die Fantastische Literatur also als unser kollektives Unterbewusstsein, als ein unglaubliches und unglaublich wertvolles Reservoir an Methaphern, das es uns ermöglicht, die wirklichen und wirklich relevanten Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Und genau deswegen wird sie selbst relevant.

Harter Tobak, verehrte potentielle Leserschaft, zum Jubeltag der heimischen Leitreligion? Wohl schon irgendwie. It’s ok to be different, to be apart. Es ist ok, wenn du anders bist und keiner dich will verstehen, sagt Stevie Styx in einer Schlüsselszene der Geschichte vom "Geheimnis des Dorian Grave". Wenn du erkennst, dass das ist ok – dann bist du erwachsen. Der Autor, wie es scheint, ist noch nicht ganz so weit.

Einen guten Rutsch ins kalendarische 2009 wünscht an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Zugegeben,

verehrte potentielle Leserschaft: Wer dieses mein Blog, von dem ich mittlerweile begriffen habe, dass es sich um dieses mein Blog und nicht etwa um diesen meinen Blog handelt ... wer also dieses Etwas mehr oder minder regelmäßig verfolgt, muss sich längst verwundert die Augen reiben über die absonderliche Informationspolitik zu aktuellen und künftigen Projekten. Wenn er sich nicht ohnehin bereits schaudernd abgewandt hat.

Da war viel von der Letzten Offenbarung die Rede (sie kommt im Oktober/November 2009; ich verspreche: das Warten lohnt sich!), dann vom Dorian Grave, den Einige von Euch und Ihnen inzwischen gelesen haben. Hier bitte ich um Geduld: Ich werde alle Zuschriften sorgfältig beantworten, sobald ich zum Atmen komme. Jedenfalls sei mir heute der Hinweis auf ein jetzt aktuelles Projekt gestattet, das ich bereits Anfang des Jahres mehrfach kurz angesprochen hatte:

Der Mantel der Winde ist ein Fantasyroman für junge Leser jedes Alters. Ein "all age"-Roman, wie man neudeutsch gerne formuliert. Es ist die Geschichte des Jungen Darek, der an der Akademie der Kreuzbrüder aufwächst, einem an sich ganz ruhigen, fast langweiligen Fleckchen am Rande des Mittleren Reiches. Eine eintönige Sache im Grunde, bei der neue Erkenntnisse zum Wesen und den Anwendungsmöglichkeiten des blauen Zwergampfers noch die größte Abwechslung darstellen, bis ... Ja, bis von einem Tag auf den anderen alles anders ist. Bis auf einmal der allmächtig Hofdomestikus Bruder Engelbertus vor der Tür steht (oder, richtiger: in einer schwarz verhängten Sänfte getragen wird), Dutzende königlicher Panzerreiter im Gefolge. Von einem Tag auf den anderen ist alles anders, und auf Dareks Schultern liegt das Schicksal des gesamten Landes - denn die vier Winde der Welt, Zephyrus, Boreas, Euros und Notos haben den Menschen ihre Gunst entzogen. Dunkle Zeiten brechen an und gefahrvolle Abenteuer erwarten Darek und seine Gefährten, den Zauberlehrling Libius, Bartholf den Zwerg, die Albaîne Astaril und das kleine Mädchen Ylvia. Und da wäre dann noch ein Kater namens Castro, aber das ist eine andere Geschichte. Wobei: schon diese. Schon Der Mantel der Winde, aber es hat seine eigene Bewandnis mit dem Katzentier.

Über dieses Werk, das für den März 2009 im Baumhaus Verlag angekündigt ist, werden wir also in den nächsten Wochen und Monaten das eine oder andere zu berichten haben. Wir haben bereits ein Cover, auf das ich Euch und Ihnen hoffentlich bald einen ersten Vorgeschmack geben darf. Verantwortlich zeichnet die renommierte Hamburger Künstlerin und Illustratorin Anne Bernhardi. Ich kann es nicht anders sagen: Ich bin hingerissen. So hingerissen, dass ich Frau Bernhardi gleich auch noch die Gestaltung der Panoramakarte des Mittleren Reiches aufgedrückt habe. Denn wenn wir den Fuß in fremde, ferne Gegenden, unbekannte Welten setzen, dann ist so eine Karte überlebenswichtig - wer den Dorian Grave gelesen hat, der weiß das.

Und da sind wir schon wieder bei Mr Grave. Hier bleibt mir nochmalig etwas nachzutragen. Neue Besprechungen finden sich diese Woche www.corrys-jugendbuchregal.de (runterscrollen auf "Rother") und auf www.buechereule.de.

Bis zum nächsten Mal bleibe ich Ihr und Euer,


Stephan M. Rother

Sonntag, 30. November 2008

Nachtragend

Betont: nach-tragend, nicht nacht-ragend.

Unwahrscheinlich, dass jemand von Euch und Ihnen, verehrte potentielle Leserschaft, den Titel falsch interpretiert hat, doch es wäre ja immerhin möglich. Die kommende Nacht - 30.11./1.12. - ragt bereits in den meteorologischen Winter. Wär doch der Winter erst vorbei / und wieder grün der Wiesengrund. Noch 62 Tage bis Imbolc - auch in dieser Weise kann man das sehen. Könnt ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch, du bist so schön. Vielleicht lern ich's ja doch noch mal. Wobei, mit Dr. Faust war's gleich darauf vorbei ...

Zum Anlass für meine nachtragenden Worte: Gestern Nachmittag stand eine Lesung aus dem Dorian Grave an. Die Location war eine der Stätten der Handlung, dem Flecken Ebstorf. Einige Momentaufnahmen haben wir im Bilde festgehalten.

Gipfeltreffen der local heroes? St. Mauritius (links), Rother.







Schaufenster der Buchhandlung Nohdurft: "Gegenüber hatte Tobi eine Buchhandlung entdeckt. Das Angebot im Schaufenster war gut sortiert: vor allem gab es jede Menge Lektüre zum Kloster und zu der Weltkarte. Aber sonntags war nun einmal geschlossen."





Nun, die Schokoladenseite. Allmählich fühlt sich selbst beim "Auftritt" Zivilbekleidung wieder heimisch an. Wie war das noch? "Ich bin hindurch".






Die Location war dieselbe wie Ende Oktober - das Publikum ein gänzlich anderes. Damals zwei achte Klassen mit neugierigen Fragen ("Wie hat Tobi das denn gemacht mit den Laternen?"), nun der Heimat- und Kulturkreis. Und siehe da: Die Gemeinde derer, die noch rocken - sie ist gewaltig.

Bis bald an dieser Stelle, Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 29. November 2008

In brief

Ein seltsames Gefühl verehrte potentielle Leserschaft, ist es dann schon, wenn ich mir bewusst mache, dass mit signifikanter Wahrscheinlichkeit in genau diesem Augenblick der eine oder anderen von Euch und Ihnen durch die Seiten des 'Dorian Grave' schmökert und sich gemeinsam mit Leonie Hartheim und ihren Freunden darum ringt, den geheimnisvollen Code des verblichenen Gothrockers zu knacken.

Mit Büchern ist es eine seltsame Sache. Im Grunde sind sie auch nichts anderes als sehr, sehr lange Briefe. Nun, nicht ganz, mag der ein oder andere da einwenden. Briefe oder Mails richtet man ja nun in aller Regel an eine bestimmte Person, und Dritte haben da nicht rumzuschnüffeln. Andererseits war das keineswegs von Anfang an ausgemacht. Wie sieht das mit dem Römerbrief des Paulus aus? Mit unzähligen historischen Briefveröffentlichungen? Nein, das eigentliche Merkmal eines "Briefs" ist im Grunde seine Kürze - entsprechend sind "briefs" im angelsächsischen Sprachraum Unterhosen mit kurzen Beinen.

Heute ist das, zugegeben, alles etwas anders. Briefe sind in der Regel privat, veröffentlichte Romane eben öffentlich. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Autor nicht einen bestimmten Adressaten im Kopf hätte. Das hat er sehr wohl. Ein Roman als überdimensionaler Brief hat einen Adressaten namens Leser. Im Grunde ist das eine höchst deprimierende Geschichte für den Autor des Romanbriefs: Da gibt es etliche tausend Leser - und kaum einer schreibt mal eben zurück.

Gut, einige Antworten habe ich durchaus bekommen, Besprechungen im Radio, in den Printmedien - und im Internet. Bei Amazon gibt es schon etwas zu lesen, und von Ralf Seybold stammt eine parallel auf www.schreib-lust.de veröffentlichte Rezension, bei der mir dann doch eine Gänsehaut kam. Besonders gefreut habe ich mich auch über die Zeilen von "ilkachen" auf www.lizzynet.de - denn unsere Leser sind ja - wie schon berichtet - "alle, die rocken", und ich bin erleichtert, dass das offenbar eine ganze Menge sind. Ganz gespannt bin ich, wie das Grave-Exemplar ankommen wird, das derzeit in Corrys Jugendbuchregal steht - vielleicht hat es Corry auch gerade am Wickel. Jedenfalls sind solche Antworten für den Romanbrief-Autor ungeheuer wichtig - übrigens ganz gleich, ob sie sich nun überschlagen vor Begeisterung oder ein gerüttelt Maß an Kritik anmerken. Es sind einfach Antworten, und die sind selten.

Obwohl ich natürlich längst an neuen Projekten arbeite, lässt mich der Grave nicht so schnell los. Hin und wieder wandle ich auf den Pfaden, denen auch Leonie und ihre Freunde folgen.

Der "Engelsweg" zum Beispiel ist bis heute eine wunderschöne Wanderstrecke - und der Verlauf hat sich seit den Tagen des dicken Wilhelm nicht wesentlich verändert.

Andere Wege sind gerader, doch ein merkwürdiges Gefühl ist es schon, wenn man dem Surren der Hochspannungsmasten lauscht und sich fragt, sind das wirklich die Hochspannungsmasten? Und ich will mich besser gar nicht daran erinnern, was das für ein Gefühl war, als ich Anfang des Monats nachts zwischen Breitenhees und Weyhausen im Auto unterwegs war. Nebel kam auf - und aus dem Nebel mit Blaulicht das Aufgebot der Staatsmacht. Es war Castor-Zeit und, ja, ich werde auch noch Bilder von dem lauschigen Örtchen einstellen, an dem Hartheim festgehalten wird - wenn sie mich nicht wegfangen.

Nur wohin das am Ende führen soll, das ist die große Frage. Vielleicht ist das, wie Dorian Grave jetzt sagen würde, mehr, als du wissen darfst.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 1. November 2008

Ich bin hindurch!

Das passende Wort, verehrte potentielle Leserschaft, zum passenden Datum. Der 31. Oktober 1517, der Zeitpunkt des angeblichen Anschlags der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, markiert zugegeben erst den Beginn der ungeheuren welthistorischen Entwicklung, die Martin Luthers Reformationsbemühungen auslösen sollten – doch es ist eben auch jenes Datum, das auf den Wormser Reichstag hinführte, an dessen Ende Luther eben dies ausrufen konnte: Ich bin hindurch! Und wenn ich tausend Köpfe hätte, ich würde sie mir eher abschlagen lassen, als zu widerrufen!

Und irgendwie kann ich heute gerade ganz gut nachvollziehen, wie er sich damals gefühlt haben muss. Nun sei es mir fern, das, was ich fabriziere, irgendwie mit den Schriften des Doktor Martin L. vergleichen zu wollen – weder im Positiven noch im Negativen – doch ein Hindurch, das spüre auch ich heute:

„Das Geheimnis des Dorian Grave – Mehr als du wissen darfst“ hat auf der Frankfurter Buchmesse das Licht der Welt erblickt und sollte in diesen Tagen beim Buchhändler Ihres und Eures Vertrauens eintreffen. In Frankfurt, bei den Literaturtagen im altmärkischen Osterburg und an jenem Ort, der im Roman eine solche Rolle spielt, in Ebstorf, haben wir erste Lesungen erlebt – und die Reaktionen übertreffen alle Erwartungen, die ich möglicherweise gehegt habe. Das Interesse ist ungeheuer. Im Frankfurter Literaturbahnhof war sogar ein leibhaftiges Ungeheuer mit dabei: Mein lieber Baumhaus-Kollege Klaus Baumgart war mit seinem neuen Werk „Elli – ungeheuer geheim“ zugegen. Eine wunder- und fantasievolle Geschichte um ein Nachwuchsgespenst, die sicher eine Menge Fans finden wird.

Was nun die Geschichte von Mr Grave anbetrifft: Die Reaktionen machen mir selbst natürlich gehörig Lust, die Story weiterzuerzählen – doch dazu an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Hindurch bin ich aber vor allem durch die letzten Wochen, in denen ein solcher Wust von Terminen anstand, dass es mir schon geraume Zeit davor grauste. Ein „besseres Ereignis-Timing“ forderte die Titanic! (wenn ich mich recht entsinne) zu Zeiten der Wiedervereinigung – dem hätte ich mich in diesem Oktober vollen Herzens anschließen können. Die Grave-Veröffentlichung, mein Bühnenabschied und ganz nebenbei mein vierzigster Jubeltag geballt und massiert. Gut, ich hatte es so gewollt. Ich wollte ganz bewusst eine Zäsur setzen, mir selbst deutlich machen, was ich mit den NÄCHSTEN vierzig Jahren anzufangen gedenke. Dass dieses Vorhaben dermaßen, nun, ereignisintensiv werden würde, dass mir Zweifel zwischendrin kommen würden, ob es diese vierzig Jahre überhaupt noch geben würde – das hatte ich nun nicht geahnt.

Unsere Abschiedsabende auf Burg Bodenteich waren wunderschön und wunderstressig zugleich. Während des Gesprächs mit Holger Boden vom Isenhagener Kreisblatt, in dem ich im April meinen Bühnenabschied ankündigte, hatte ich die Idee entwickelt, in bester Bowie-Tradition tatsächlich auf der Bühne abzuleben. Im Ergebnis haben wir das nun dahingehend variiert, das am Beginn der Darbietung zu den Klängen des Trauermarschs aus der Götterdämmerung bereits die Bahre hereingetragen wird und anschließend die unterschiedlichen Figuren, die ich im Verlaufe meiner Bühnenkarriere verkörpert habe, dem verstorbenen Magister Rother ihre Referenz erweisen. Die Musik durfte dabei natürlich nicht fehlen. Lady Ginevra und ihre neue Band Schafspelz standen freundlicherweise zur Verfügung. Auf einmal war die Sache rund. Womit wir nicht gerechnet hatten, war das immense Interesse der Öffentlichkeit. Gut, wir hatten natürlich auf ein ausverkauftes Haus gehofft – aber dass wir den eilig für den folgenden Tag angesetzten Zusatztermin ebenfalls in Windeseile ausverkaufen würden, das hatte dann doch niemand erwartet. Für mich bedeutete das ein Dutzend Kostümwechsel innerhalb von zwei Stunden, und am nächsten Tag noch einmal von vorn.

Man stirbt nur zwei Mal.

Und so fühlte ich mich am Ende auch. Unerwartet kam da noch die offizielle Ehrung durch den Flecken Bodenteich. Was genau es mit der Ehrengabe auf sich hat, die mir aus den Händen des stellvertrenden Bürgermeisters Werner Schulz verliehen wurde, konnte ich bisher nicht eruieren. Der Förderkreis Burg war vor zwei Jahren der erste Träger dieser Auszeichnung. Der Förderkreis Burg ist eine Korporation – ich bin keine. Vermutlich soll die Ehrung für mein künftiges Wohlverhalten bürgen. Nun, ich will und werde tun, worum ich mich ganz ehrlich immer bemühe – um mein Bestes. Und in den letzten Wochen war das ein tierisch anstrengendes Bestes.



Hier im Bilde die Verleihung - im Bilde festgehalten durch Marc Lücke, der in einem (logo, sehr lesenwerten) Artikel im Isenhagener Kreisblatt berichtete (ich frag gleich noch, ob ich's auch verwenden darf). Bitte anklicken - so sieht man nur den Herrn Bürgermeister. Nicht, dass der nicht an sich sehenswert wäre, aber irgendwie fehlt da noch was.

Doch nun, verehrte potentielle Leserschaft: Ich bin hindurch und gelobe feierlich, die mir verbleibende Kraft fürderhin allem voran dem geschriebenen Wort zu widmen … als bescheidener Arbeiter im literarischen Weinberg des Herrn. Es gibt noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Ich erwarte sie voller Spannung und mit einem glücklichen Lächeln, wie es ja vielleicht auch der Doktor aus Wittenberg auf den Lippen getragen hat, als er sich zu seinem Entschluss durchgerungen und allen Anfechtungen widerstanden hatte.

Ich bin hindurch und bleibe bis zum nächsten Mal an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 11. Oktober 2008

Für alle, die rocken

„School’s out – for summer! School’s out – forever!“, verkündete weiland Alice Cooper, bei dem sich die Marilyn Mansons unserer Welt noch heute manche Scheibe abschneiden könnten – nicht allein schminktechnisch.
Da bleiben wir, verehrte potentielle Leserschaft, ja beinahe im Bild, wenn wir jetzt den erlösenden Satz vernehmen: „Dorian’s out!“
Monatelang habe ich Euch und Ihnen in den Ohren (oder richtiger: den Augen, denn das Schwergewicht dieses Blogs liegt ja doch auf dem geschriebenen Wort) gelegen mit halb fertigen, möglichen, zukünftigen Projekten. Nun endlich gilt es von Lesbarem zu berichten.


Stephan M. Rother:
Das Geheimnis des Dorian Grave – Mehr, als du wissen darfst
Baumhaus Verlag, Frankfurt 2008
400 Seiten, Hardcover, 14,90 €
ISBN 978-3-83393626-5



Dorian Grave, Sänger der Band „Dead Art“ und legendärer Star der Gothic-Rockszene kommt bei einem Autounfall ums Leben – kurz nachdem er sein erstes Soloalbum angekündigt hat. Zufall – oder etwas anderes? Zufall – oder mehr? Mehr, als du wissen darfst: Ein Satz den Leonie Hartheim zu hören bekommt, die sich gemeinsam mit ihren Freunden auf die Spur ihres Idols setzt, ohne zu ahnen, dass sie sich auf ein wahrhaft lebensgefährliches Abenteuer einlässt.

„Das ist dann also ein Jugendbuch?“, wurde ich diese Woche im Interview gefragt. Ich zögerte. Natürlich, im Mittelpunkt stehen Jugendliche, die der Fährte eines Rockstars nachspüren, und der Baumhaus Verlag, der den Roman veröffentlicht, hat sich (etwa mit den ‚Wilden Kerlen’) einen Namen als Kinder- und Jugenbuchverlag gemacht. Doch so einfach ist die Antwort nicht.
Rock’n’Roll ist einmal als eine hermetisch dichte Welt definiert worden. Als eine eigene Sprache, die nur Teenagern verständlich sei, welche sich in ihr zu verständigen wüssten, die kryptischen Zeichen zu deuten wüssten. Erwachsene ständen dieser Welt und dieser Sprache verständnislos gegenüber. Als ich selbst ein Teenager war, orakelte ein Rezensent, die Band Duran Duran setze in ihrer Musik Frequenzen ein, die einzig von vierzehnjährigen Mädchen wahrgenommen werden könnten. Eine Art Hundepfeife also. Der Vorteil für die Musiker auf der Hand gelegen: Ähnlich wie dem Hundepfeifenden wäre auch Simon le Bon und Konsorten (immerhin junge Herren von Mitte zwanzig) erspart geblieben, dem zu lauschen, was sie da gerade hervorbringen.
Nein, die Sache funktioniert anders und hat immer anders funktioniert. Wobei der Grave-Roman zum Begriff des „Funktionierens“ seine ganz eigene Sichtweise bereithält. Jedenfalls sind die Zeiten des „trau keinem über dreißig“, wenn es sie denn einmal gegeben hat, lange vorbei – schon auf Grund des Umstands, dass diejenigen, die diesen Begriff einst geprägt haben, die Dreißig schon seit einer ganzen Weile hinter sich gelassen haben.
Insofern kann ich den Grave-Roman mit gutem Gewissen Teenagern jeden Alters ans Herz legen. Vierzigjährige Teenager werden es mit demselben Gewinn lesen können wie vierzehnjährige Teenager. My twenty-twenty’s true, wie Debbie Harry sang. Ob sich ein Leser vom Geheimnis des Dorian Grave in den Bann schlagen lässt, ist weniger eine Frage des Alters. Es ist eine Frage der Einstellung.
Vielleicht sagt es auch etwas aus, dass Holger Boden, der bewusstes Interview mit mir führte, die vorangegangenen ca. 2.000 Zeichen mit einem Satz auf den Punkt brachte:
„Also ein Buch für alle, die rocken.“

Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen – höchstens noch dies:



Warum ist der Titel instrumental? Wo ist Dorian Grave? Was für eine Frage, verehrte potentielle Leserschaft! Dorian ist t.o.t. – tot.

Aber vielleicht … vielleicht werden uns Dead Art ja überraschen. Mir ist da etwas zu Ohren gekommen … Doch dazu mehr, demnächst, an dieser Stelle.

Keep on rocking,

Stephan M. Rother

Sonntag, 31. August 2008

Inspirationen

Irgendwie, verehrte potentielle Leserschaft, komme ich mit den Tücken des virtuellen Objekts noch nicht hundertprozentig zurecht. Jetzt hatte ich Sie bereits seitenweise an meinen kruden Gedankengänge teilhaben lassen – und dann verschwindet der komplette Sermon, als ich nach oben scrolle, um selbst noch einmal nachzulesen, was ich nun eigentlich geschrieben hatte. Unbefriedigend, aber such is life.
Nun gut, zurück auf Anfang.
Zunächst ein Wort der Beruhigung: Nein, keine Sorge, auch dieses Mal trifft keines der Labels für diesen Post (Roller, Sturz, Urlaub) zu. Meine Gesundheit bewegt sich auf dem gewohnten mediokren Niveau. Von einem „Urlaub“ im eigentlichen Sinne gibt es auch nicht zu berichten, wohl aber – wie der Titel dieses Beitrags nahe legt – von Inspirationen, die sich auf drei Begriffe bringen lassen.

Da war zunächst einmal unser Besuch in Amsterdam. Der Gedanke an einen Roman über die Tulpenspekulation der frühen Neuzeit lässt mich nicht los. Mit Sicherheit nicht unser nächstes oder übernächstes Projekt, aber die Recherche hat begonnen. Weiter gediehen sind meine Forschungen zu Johann Wolfgang von Goethe. Die Figur nimmt immer plastischere Formen an (ich weiß nicht, ob er eine zuverlässige Personenwaage besaß, aber durchaus möglich, dass das zuweilen auch sein eigener Gedanke war). Jedenfalls habe ich Weimar aufgesucht und wollte den Besuch mit einer Aufwartung in Goethes Gruft krönen. Offenbar war er nicht zu Hause:



Schließlich habe ich einige Stunden (!) in Dänemark verlebt. Inkonsequenz, gewiss: Wie kann ein Mensch, der sich dann doch recht vehement für einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Umwelt und für eine Schonung unserer Ressource einsetzt, sich sechs oder sieben Stunden lang hinters Steuer quetschen, um dann einen Nachmittag lang in Rønshoved am Strand auf und ab zu laufen. Das Zauberwort lautet auch hier – Inspiration. What you give is what you get returned, und Künstler funktionieren bekanntlich nach ihrem ganz eigenen Bauplan. Wie das „what“ da im Einzelfall aussieht, ist nicht vorhersagbar.



Inspirativ auf jeden Fall war der Besuch. "Das Geheimnis des Dorian Grave" befindet sich in der letzten Phase der Fahnenkorrektur. In sechs oder sieben Wochen kann, verehrte potentielle Leserschaft, die Geschichte um das kryptische Soloalbum des Gothic-Rockers Dorian Grave, die Geheimnisse der Ebstorfer Weltkarte und die halb vergessenen Quellen der Lüneburger Heide auf Ihrem Nachttisch liegen. Oder wo auch immer Sie lesen. Ich habe mir in den vergangenen Wochen angewöhnt, einen Teil der Schreib- und Lesearbeit im Stehen an der Arbeitsfläche zu verrichten. Die unerfreulichen Folgen für das Schulter-Nacken-Zipperlein waren abzusehen, aber der Vorteil der veränderten Perspektive (also einer Inspiration im Kleinen) ist nicht zu leugnen. Wir sind jedenfalls alle sehr gespannt darauf, wie dieses Buch bei Euch und Ihnen ankommt. Es steckt eine Menge Herzblut drin, und Harald Kiesel, mein Lektor bei Baumhaus, ist ganz euphorisch. Der Lucky Luke der Verlagswelt übrigens: Der Mann, der schneller lektoriert als sein Schatten.

„Die letzte Offenbarung“, für den Februar bei Blanvalet angekündigt, harrt seit einem Vierteljahr bei der Lektorin der abschließenden Bearbeitung. Viel Zeit für Inspiration.

Zum Abschluss, verehrte potentielle Zuschauer, ein kleiner Hinweis auf einen ersten Ausschnitt aus unserem neuen Programm „Best of Christliches Abendland“ http://www.youtube.com/watch?v=wWCGI7vxMAY (Aufnahme von der Premiere am vergangenen Freitag). Weitere, die dunkle Seite meines Wesens beleuchtende Snippets are to follow.

Viel Spaß dabei wünscht Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Sonntag, 6. Juli 2008

Postskriptum

Faszinierend: Der neckische Stift ist wieder da.

Als einen Vorteil des Bloggens ...

... verehrte potentielle Leserschaft, habe ich es bisher betrachtet, dass man Irrtümer nachträglich korrigieren kann. Das muss nicht einmal unsichtbar geschehen, iwo, aber wenn ich feststelle, dass ich einen Schmarrn geschrieben habe, der fiele Vehler enthält, ist es doch erfreulich, wenn diese Fehler nicht zweingen bis in alle Ewigkeit bestehen bleiben müssen. Meine Manuskripte lese ich ja auch mehrfach durch und gehe sie mit dem Lektorat durch, bevor sie an den Druck übermittelt werden. Ein Lektorat habe ich nun nicht beim Bloggen, aber es gab da eben doch bisher so ein neckisches kleines Stiftsymbol am Ende jedes Eintrags, mit dem sich die schlimmsten Fehlleistungen wieder beheben ließen.

Verschwunden.

Jetzt glaubte ich, einen Umweg gefunden zu haben, über das Dashboard, erhalte im Anschluss an die Korrektur aber lediglich eine Fehlermeldung. I'm not amused.

Nun denn - wir werden sehen. Vielleicht ist der Stift ja irgendwann wieder da. Aber ich warte ja auch bis heute vergeblich auf die Rückkehr der bunten Buchstaben.

Doch eigentlich wollte ich ja etwas berichten, was man mit dem schönen neudeutschen Wort content umschreiben könnte. Zunächst einige Worte zum Stand der laufenden Projekte:

Das Geheimnis des Dorian Grave

Schau an: Wir haben einen Verkaufsrang bei Amazon, obwohl das Buch noch gar nicht gedruckt ist. Das freut einen dann ja. Das Cover wird unter Umständen noch ein wenig verändert, wobei ich das Grave-Konterfei gerne in irgendeiner Form beibehalten würde. Ich denke, dass ich da kommende Woche etwas klarer sehen werde - am Donnerstag gedenke ich nach Frankfurt zu pilgern und im Gallusviertel meinen Verlag heimzusuchen. Am ersten Tag der niedersächsischen Sommerferien rechne ich mit dem Schlimmsten - Leonie Hartheims Reise ins vorhöllenhafte Danlo dürfte sich dagegen wie ein Picknickausflug ausnehmen. Nun, hoffen wir das Schlimmste - ich liebe angenehme Überraschungen.

Die letzte Offenbarung

Wir warten auf die aktuellen Stellungnahmen der Lektorin. Die Wartezeit habe ich mir insofern verkürzt, als ich noch ein paar zusätzliche Ideen nachgeschoben habe, virtueller wie wissenschaftlicher Natur. Schließlich steht im Mittelpunkt ein Wissenschaftler, der eine wissenschaftliche Entdeckung macht - also hätte ich gern einen kritischen Apparat dabei, schon um die Nähe unserer Offenbarung zu den bisher bekannten wissenschaftlichen Tatsachsen deutlich zu machen.

Und dann sind da noch ... genau, die Quellen

In der vergangenen Woche befand sich die Heide anderthalb Tage lang inmitten des ausgeprägten Regenbandes, das sich nahezu ortsfest von Nordwest nach Südost quer durch Deutschland zog. Ich ahnte Schlimmes. Nicht allein, dass wir kurzfristig mit Auswirkungen auf das Quellwasser rechnen müssen, wenn der Boden das zusätzliche Oberflächenwasser nicht so rasch verknusen kann und es umgehend und weitgehend ungefiltert wieder in die Bachläufe abgibt. Das größere Problem sind die Fischteiche, die in einigen Quellbereichen nach wie vor bestehen. Wenn diese Fischteiche überlaufen, werden aus den Stillgewässern allerlei Unerfreulichkeiten in den Oberlauf der Bäche geschwemmt - mit gravierenden Folgen. Dass etwa die Flussperlmuschel heute in exakt nur noch einem Heidebach heimisch ist, nämlich der Lutter bei Weyhausen, ist auch auf den Umstand zurückzuführen, dass die Sohle der Bäche immer wieder durch den Abraum von Fischteichen zugesetzt wird. Das können die empfindlichen Muscheln nicht vertragen - sie ersticken. Ein fotografischer Bereich, dass ich hier nicht etwa (wie Professor Helmbrecht sagen würde), Blech rede:

Eine Aufnahme aus den "Dahlen", einem Waldgebiet zwischen der B4 und der Ortschaft Stadensen, aufgenommen vierundzwanzig Stunden nach Ende des Dauerregens. Links im Bild der Warlbeck, der durch einem aufgestauten Fischteich läuft, rechts im Bild der Schöneblecksenbach (auch Mönkendieksbach genannt), der direkt von der Quelle her durch sein sandig-kiesiges Bett strömt. Der Unterschied in der Wasserqualität dürfte mit bloßem Auge erkennbar sein. Dabei ist es keineswegs so, dass nicht auch dem Mönkendieksbach nach dem langen Regen zusätzliches Oberflächenwasser zugeführt worden wäre - das beweist unsere zweite Aufnahme.

Dennoch konnte ich das Wasser des Mönkendieksbachs bedenkenlos trinken. Nach immerhin einem halben Liter spüre ich jetzt, weitere vierundzwanzig Stunden später, keinerlei negative Auswirkungen. Da ich hoffe, dass Sie und Ihr, verehrte potentielle Leserschaft möglicherweise noch die eine oder andere Zeile von mir zu lesen wünscht, habe ich darauf verzichtet, das Wasser des Warlbeck zu erproben.



Für heute bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 28. Juni 2008

It's not easy having a good time. Even smiling makes my face ache and my creatures turn on me.

Erholung, verehrte potentielle Leserschaft, kann eine verdammt anstrengende Angelegenheit sein. Kein Wunder, dass sich Schlaganfälle und Herzinfarkte in Urlaubsphasen häufen. Auf einmal hat man wer weiß viel Zeit - was stellt man damit an? Ich entwickle bei dieser Gelegenheit gerne meine Spannungskopfschmerzen. Als ob der Körper anklopfen wollte, um zu sagen: Ok, bis jetzt war Arbeit angesagt. Jetzt bin ich dran, und ich hab was ganz Nettes für Dich. Er hat manchmal einen ekligen Humor, mein Körper.

Was bleibt mir mithin anderes übrig, als auch in der Erholungsphasen zu arbeiten? Das hilft wirklich! Zunächst waren einige Tage mit anstregender körperlicher Arbeit angefüllt. Ich habe mit einer Schippe Sand bewegt, etwa drei Kubikmeter, um unsere Abraumhügel in einen terrassierten Weinberg zu verwandeln. Eine meiner Visionen: Die Wiedereinführung des Rebbaus in der Lüneburger Heide. Im Mittelalter hat es hier Weinberge gegeben; sie mussten aufgegeben werden, als sich die klimatischen Bedingungen seit dem frühen 14. Jahrhundert rapide verschlechterten. Mittlerweile aber haben wir - wohl auch durch die globale Erwärmung - längst wieder eine Jahresdurchschnittstemperatur, die jene des Mittelalters weit übertrifft. Den Versuch ist es wert. Leider kam mir ein paar Tage später ein Unwetter dazwischen. Ein Teil der Terrassen ist also schon wieder weggeschwemmt.

Aber diese körperliche Arbeit ist nur ein Teil meines Beschäftigungsprogramms. Ich gönne mir einen besonderen Luxus, den ich mir nur dann gönne, wenn ich nicht gerade mitten in einem Buchprojekt stecke: Ich lese. Richtig: Ich l-e-s-e. Meine Lieblingsbeschäftigung zwischen meinem sechsten und sechsundzwanzigsten Lebensjahr. Seitdem komme ich kaum noch dazu. Umso weidlicher nutze ich die Phasen aus, in denen das möglich ist. In den letzten Tagen waren die Herren Henning Mankell und Robert Harris an der Reihe. Nun teile ich zwar zugegebenermaßen Herrn Mankells linksliberale Grundhaltung, doch leider gehört der Titel Kennedys Hirn zu den schwächsten Veröffentlichungen dieses wirklich lesenswerten Autors. Da war einfach einiges zu viel: Zu viele gestelzte Dialoge, zu viele unerklärliche Zufälle und einfach auch zu viel weinerliche Betroffenheit. Ich zweifle keinen Augenblick daran, dass die Situation im Süden Afrikas fürchterlich und unerträglich ist, aber ein Roman ist ein Roman ist ein Roman, und er sollte eine Story enthalten, welcher der Leser um der reinen Story Willen mit Interesse folgen möchte. Mankells Wallander-Krimis sind mir dann doch wesentlich lieber.

Natürlich habe ich auch wieder Quellen aufgesucht. In Hösseringen und Suderburg war ich diesmal unterwegs, am aufgestauten Hardau-See und zu einem 2004 errichteten Aussichtsturm, von dem aus der Blick weit über die Gefilde des sagenhaften Danlo gleitet. Ganz nebenbei machte ich eine Entdeckung - und hatte eine Vision. Das wäre ein Pressefoto! Am nächsten Tag war ich wieder da - samt Ehefrau. Das Ergebnis sei hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

Heute habe ich mich dann erneut zu einer Quelle aufgemacht: Die Schwindequelle in der Nähe von Amelinghausen war es diesmal - nur ein Steinwurf von Ebstorf entfernt, dessen legendäre mittelalterliche Weltkarte ja eine so große Rolle spielt im Geheimnis des Dorian Grave. Zufällig liefen mir dabei Helmut Völker, der örtliche Samtgemeindebürgermeister, und seine Gattin über den Weg. Wir hatten ein sehr angeregtes Gespräch, und irgendwie habe ich hier tatsächlich das Gefühl, dass das kein Zufall gewesen sein kann. Seltsam: Ich hör da gerade ein fieses kleines Lachen.

Muss wohl Mankell sein.

Bis zum nächsten Mal, verehrte potentielle Leserschaft, bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Freitag, 6. Juni 2008

Tot - aber gut

"Tot, aber gut", verehrte potentielle Leserschaft, das wäre eine angemessene Antwort auf die Frage, wie es mir denn wohl im Augenblick geht. Ganz nebenbei wäre es gleichzeitig ein Zitat aus meinem nun für eine Veröffentlichung im Oktober angekündigten neuen Roman "Das Geheimnis des Dorian Grave - Mehr als du wissen darfst". Mit anderen Worten: Wir sind einigermaßen fertig, mein Roman und ich. Das Manuskript liegt mittlerweile bei meinem geschätzten Lektor vom Baumhaus-Verlag, Harald Kiesel, und ich selbst sollte besser im Whirlpool liegen mit meinem verspannten Nacken, nachdem ich die kompletten vierhundertundzwanzig Buchseiten noch einmal am Bildschirm durchgelesen habe.

Doch, ich denke, es wird ein hübsches Buch werden. Schließlich haben wir inzwischen ein wirklich attraktives Cover und eine ästhetisch ebenfalls sehr ansprechende ISBN, die an dieser Stelle zum Mitschreiben (bzw. einkopieren) wiedergegeben sei: 978-3-8339-3626-5. Noch immer habe ich mich noch nicht so ganz an die 13er ISBNs gewöhnt. Übrigens je nach Auflösung des Akronyms ein falscher Plural. "Internationale Standardbuchnummer", bzw. "-nummern" müsste mit einem Plural -n versehen werden. Referenzieren wir also der Einfachheit halber auf das englische "International Standard Book Number".

Ebenfalls wunderschön geraten ist auch das Design unserer Webseite www.magister-rother.de, das ich erstmals in dreizehn Jahren eigener Webpräsenz aus der Hand gegeben habe (die magister-rother-Präsenz existiert streng genommen erst seit 2001, vorher war sie via t-online und in einer kurzen Episode geistiger Verwirrtheit über eine Mittelalter-Hobbyseite gehostet). Jedenfalls haben wir mit dem Unternehmen Media Emotions einen graphisch ungeheuer einfallsreichen und professionellen Partner gefunden. Wir freuen uns sehr auf diese Zusammenarbeit:



Doch wie gesagt, es gibt die Fertigstellung des Grave-Romans zu feiern. Wie immer, wenn ich ein solches opus magnum abgeschlossen habe, überkommt mich dieses ABBA'sche "Happy New Year"-Gefühl: No more champaigne / and the fireworks are through. Etwas fehlt. Jeder Leser wird dieses Gefühl kennen, am Ende eines Romans - für einen Autor ist es deutlich ausgeprägter. Zunächst einmal ist jetzt Abstand gefragt.

Ein wenig war ich in Sorge. Ich bin eigentlich immer in Sorge gewesen, dass ich eine große Leidenschaft verlieren würde - die Leidenschaft am Schreiben - wenn ich wirklich hauptberuflich als Autor tätig sein würde. Bis heute ist das nicht geschehen; im Gegenteil. Auf einem anderen Blatt stehen meine geliebten Quellen. Nachdem ich sie (neben der Gothic-Musik und der Ebstorfer Weltkarte) dermaßen thematisiert habe im Dorian Grave-Roman, sollte ihnen da nicht etwas von ihrer Anziehungskraft verloren gegangen sein? Sollte das Thema nicht "durch" sein für mich? Auch das ist nicht geschehen. Dazu sitzt die Faszination einfach zu tief. Eine Faszination die sich leider noch immer nicht in die Fußstapfen meines Großvaters zu treten vermag, der den Lesern des Adlers der Frühe als wünschelroutierender Meister Emil vertraut sein dürfte.

Nein, mein Zugang ist ein anderer und wird immer ein anderer sein. Heute hat er, der Zugang, mich nach Bokel geführt, in das Quellgebiet des Bokeler Baches a.k.a. Aue a.k.a. Quellbach der Ilmenau. Infolge der allgemeinen Grundwasserabsenkung entspringt die Ilmenau heute nicht mehr am selben Ort wie vor hundert Jahren, sondern mehrere Höhenmeter (und etliche hundert Meter Fußmarsch) talabwärts. Die eigentliche Quelle - zu identifizieren mit dem höchsten Punkt im Gelände, an dem Wasser austritt, habe ich eventuell an dieser Stelle gefunden:



Allerdings befindet sich diese verwilderte Fleckchen Nicht-Natur unterhalb eines hal künstlichen Badeplatzes, so dass ich davon ausgehen muss, dass das Wasser, das hier austritt, um nach wenigen Metern in den Quellwiesen zu versickern, künstlich an die Oberfläche gepumpt wurde. Mit anderen Worten: Da sollte der Fluss noch gar nicht entspringen. Etwas anders verhält es sich hier:



Hier dürfte es sich um eine Mischung aus Grundwasser, das an die Oberfläche tritt und Oberflächenwasser, das wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht mehr versickern kann, handeln. Ein Abfluss ist allerdings nicht feststellbar. Ein Genuss dieses Wassers ist wohl nur bedingt empfehlenswert - schließlich sind die unmittelbar angrenzenden Weiden nicht unbewohnt:



Auf die Trinkbarkeit des Wassers dürfte der mit den drollig-wolligen Geschöpfen verbundene erhöhte Nitratgehalt eher negative Auswirkungen haben. Zu einem fließenden Gewässer wird die Ilmenau erst ein weiters Stück bachabwärts. Soweit ich es erkennen kann, entspringt der eigentliche Quellbach der Ilmenau einem Teich auf dem Gelände eines Ausflugslokals. Hier tritt er in das Bachbett am Grunde des Wiesentales ein:



Selbiges Ausflugslokal habe ich heute noch nicht aufgesucht, werde es aber im Rahmen meiner selbstverordneten Rekonvaleszenzmaßnahmen in den nächsten Tagen nachholen. Bei dieser Gelegenheit werde ich prüfen, ob der Kaffee mit Quellwasser zubereitet wird. Ich denke, das wird man ihm anschmecken.

Ich werde berichten, verehrte potentielle Leserschaft. Bis dahin aber bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Freitag, 9. Mai 2008

Die Crux ...


... besteht darin, dass ich Euch und Ihnen, verehrte potentielle Leserschaft, versprochen habe, während der Arbeit an neuen Romanprojekten regelmäßig über den Fortgang Bericht zu erstatten - und nun stellt sich heraus, dass ich mit steigendem Arbeitspensum sträflich selten zum Berichten komme. Im Grunde kaum verwunderlich. Böse Menschen könnten sagen, zum Bloggen kommen eigentlich nur Leute, die zu wenig zu tun haben.

So weit möchte ich nicht gehen, doch auffällig ist es schon, dass ich mir jetzt die Zeit nehme, nachdem ich nach zweieinhalb Stunden erquickenden Nachtschlafs einmal etwas früher als gewöhnlich an der Tastatur sitze. Also, nutzen wir die geschenkte Zeit ... nein, die geliehene Zeit (Romantitel von Diana Gabaldon) für einen Rundblick auf aktuelle Entwicklungen.

Die Letzte Offenbarung: Der Roman hat die zweite Lektoratsdurchsicht hinter sich. Der Ball liegt also im Augenblick bei mir. Ich bin sehr gespannt auf die neuen Anregungen. Da lektoratsseits anscheinend ein eher behagliches Arbeitstempo gewünscht wird, werde ich zunächst Mehr als du wissen darfst - Das Geheimnis des Dorian Grave fertig stellen und mich dann über die Offenbarung her machen. Bisher habe ich den Eindruck, dass der Roman durchaus gewonnen hat. Es ist spannend, zu beobachten, wie er sich verändert und ständig neue, spannende Aspekte sichtbar werden.

Mehr als du wissen darfst - Das Geheimnis des Dorian Grave: In Wahrheit liege ich bereits in den letzten Zügen mit der Geschichte um Grufti-Guru Grave, wie in der Presse zu lesen sein wird. In der Presse? Nun, verehrte potentielle Leserschaft, man darf gespannt sein: Gemeinsam mit dem Baumhaus Verlag bereiten wir augenblicklich eine Reihe wirklich aufregender, flankierender Projekte vor. Und einige Dinge kann ich bereits ganz konkret sagen: Wir haben ein Cover, hübsch düster zielgruppengerecht. Ein Augenschmaus. Wir haben eine ISBN - und ein voraussichtliches Erscheinungsdatum - den Oktober 2008. Damit wird Mr. Grave noch vor der Offenbarung das Licht der Bücherwelt erblicken.

Natürlich bin ich nach wie vor munter am Recherchieren. Die Uelzener Stadtbibliothek hat sich dabei als Schatzkästlein verstaubter heimatkundlicher Literatur erwiesen - und, so sonderbar das auf den ersten Blick erscheint, genau diese Art von Literatur ist eine ganz wichtige Anregung, wenn ich die absonderlichen Erlebnisse der Leonie Hartheim und ihrer Freunde erzählte. Eine Quellenkunde wieder ganz eigener Art. Ich muss unbedingt noch einmal in den Schooten, einen Forst bei Hösseringen. Diese Gegend habe ich nun wiederholt durchstreift, in weitem Umkreis. Die angefügte Aufnahme des Feuerwachtturms nahe Breitenhees ist dort entstanden. Mit Sicherheit ist dort noch etwas von den Eichenbäumen zu sehen, unter denen man in alter Zeit die Schweine mästete. Full circle wieder einmal: Schon im Adler der Frühe wird von einer Schweinemast berichtet. Meister Emil, der hundertjährige Dorfälteste des Marktfleckens Bodenteich, lebt dort - an einer Stätte, die auf sonderbare Weise zwischen den Welten zu liegen scheint.

Ein Gedanke, dem ich mich verwandt fühle. Lebt nicht ein jeder Schriftsteller ein wenig zwischen den Welten?

Für heute, verehrte potentielle Leserschaft, darf ich mich verabschieden als Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Samstag, 12. April 2008

Beim Karten - Legen


In der Letzten Offenbarung äußert sich eine Figur, die mir besonders ans Herz gewachsen ist - nämlich der kauzige Professor Ingolf Helmbrecht - sinngemäß in folgender Weise: "Puzzlespiele sind doch eigentlich langweilig. Man kann sie doch immer nur in genau einer Weise richtig zusammensetzen." Eine gewagte Einschätzung, zumal für einen Wissenschaftler (einen von Weltruf), aber in diesem Fall gehe ich absolut konform mit dem guten Professor: Wäre es nicht viel faszinierender, wenn es auch anders ginge? Wenn es neue, weitere Möglichkeiten gäbe?

Hier wird die historische Wissenschaft zu einem aufregenden Spielfeld, denn die eine Wahrheit, wie ich an dieser Stelle wohl schon erwähnte, die gibt es eigentlich fast nie. Wahrheit ist es immer erst im Nachhinein. Wahrheit muss oft erst mühsam konstruiert werden - aus der Art und Weise, wie wir eine Sache wahrnehmen: Wenn Frau Clinton und Herr Obama sich im Fernsehen ein Duell liefern, kommt es weniger darauf an, wer von beiden in diesen sechzig oder neunzig Minuten die bessere Show liefert (geschweige denn, wer von beiden die besseren Argumente hat), nein: Im Nachhinein äußert eine Hand voll Kommentatoren und medialer Mulitplikatoren ihre Meinung, und so nach ein, zwei Tagen erfahren wir dann, welcher der beiden uns besser gefallen hat: Obama oder Clinton, Merkel oder Steinmeier, Tim oder Struppi.

Ähnlich ist es oft mit der historischen Wahrheit. Natürlich haben sich bestimmte Ereignisse zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Weise zugetragen - doch wenn die eindeutigen Beweise fehlen, wie das exakt aussah, dann wird Geschichte zu Schrödingers Katze. Uropas erstes Auto war dann nicht rot oder blau (wo sind eigentlich diese hübschen bunten Farben geblieben, die man hier bis vor kurzem noch einsetzen konnte?), sondern es war rot und blau. Es war in keinem und in jedem definierten Farbton gehalten - jedenfalls bis wir den einen, unwiderlegbaren Beweis besitzen, dass es nur eine dieser Farben hatte. Und selbst dann gibt es oft noch Menschen, die glauben, widersprechen zu müssen. In unserer Zeit ist Wahrheit seltsam beliebig geworden. Sie ist vor allem eine Frage der Perspektive.

Mit einem anderen Beispiel setze ich mich im Augenblick bei den Recherchen für Mehr als du wissen darfst auseinander: Die schon erwähnte Ebstorfer Weltkarte. Diese etwa 3 Meter 50 im Quadrat messende Kartendarstellung, der neuesten wissenschaftlichen Wahrheit zufolge gegen 1300 entstanden, wurde gegen 1830 auf einem Speicher des niedersächsischen Klosters Ebstorf wiederentdeckt. Sie hat seitdem nicht aufgehört, die Forschung zu beschäftigen. Dass der Fixpunkt des Interesses heute gar nicht mehr existiert, macht die Sache nur noch faszinierender. Die Ebstorfer Weltkarte wurde 1943 in einem angeblich brandsicheren Bunker des Staatsarchivs Hannover ein Raub der Flammen. Lange vorher hatte man sich bereits bemüht, sie fotografisch zu dokumentieren. Diese Aufnahmen waren dann aber retuschiert worden, frühere Abzeichnungen per Hand womöglich zuverlässiger. Die Karte hat, als sie sich zwischen 1834 und 1943 in wissenschaftlich-musealer Obhut befand, wohl stärker gelitten als in den Jahrhunderten der Vergessenheit auf einem Klosterspeicher. Auch die Kopie in Originalgröße, die heute in Ebstorf zu bestaunen ist, gilt als nicht völlig zuverlässig. Jedenfalls: Wilde wissenschaftliche Diskurse liefert man sich um dieses Stück. Bedeutende Teile der Karte fehlen in der Überlieferung komplett, von "Frevlerhand" herausgetrennt, schon im 19. Jahrhundert. Warum geschah das? Warum geschah es so säuberlich? "... es geschah offensichtlich mit Bedacht und unter größtmöglicher Schonung der angrenzenden Bilder", schreibt der wahrhaft renommierte Kunsthistoriker Horst Appuhn. "Also ging es wohl um die darauf gemalten Darstellungen, sei es, um sie zu erhalten, sei es, um sie zu verheimlichen."

Was für eine These von einem Wissenschaftler in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung (KUGLER, Hartmut (Hrsg.): Ein Weltbild vor Columbus - die Ebstorfer Weltkarte. Weinheim 1991). Das hat doch Stoff für einen Thriller.

Es könnte ein Thriller werden.

Für heute bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Samstag, 5. April 2008

Mehr als Sie wissen dürfen


Und nun ist es offiziell, verehrte potentielle Leserschaft: Vergangene Woche hatte ich über einem (übrigens sehr schmackhaften) Spaghetti-Eis ein längeres Gespräch mit Holger Boden, dem Redaktionsleiter des Isenhagener Kreisblatts. Entgegen anders lautender Gerüchte war das Thema nicht ausschließlich der Musikgeschmack unserer gemeinsamen Adoleszenz, wobei dieses Thema (nämlich Musik) eng mit dem eigentlichen Gegenstand verknüpft war.

Dieser Gegenstand war nämlich zum einen die bevorstehende Veröffentlichung des Mystery-Thrillers "Mehr als du wissen darfst" (formerly known as "Grave's Land"), zum anderen mein bevorstehender Abschied von der Bühne, den wir pünktlich zur vierzigsten Wiederkehr meines Ehrentages im Oktober d.J. zu inszenieren gedenken.

In Holger Bodens Der Magister hört auf überschriebenenen Beitrag wird mir der schmeichelhafte Vergleich mit David Bowie zuteil - wieder einer der Helden aus goldener Jugendzeit. Falls es mir gelingen sollte, halb so lange halb so cool zu bleiben, will ich nicht klagen. Andererseits bin ich damit binnen einer Woche mit Guido Knopp, Michael Mittermaier (in einem Beitrag von Janina Fuge in der Allgemeinen Zeitung für die Lüneburger Heide) und eben mit David Bowie verglichen worden (sowie mit einem Fünfzehen-Faultier, aber das ist eine andere Geschichte). Jedenfalls hängt die Latte dann doch recht hoch.

Jedenfalls erfahren Sie, verehrte potentielle Leser, nunmehr auch erste Details zu Mehr als du wissen darfst: Die geheimnisvolle Ebstorfer Weltkarte wird eine Rolle spielen, das mysteriöse Ableben des Gothic-Rocksängers Dorian Grave und natürlich meine geliebten Quellen. Vielleicht werden sogar die Fans des Adler der Frühe ein dejá vù erleben (möglicherweise gar eins, auf dem die accents nicht per Zufallsgenerator gewählt wurden). Nur, in welcher Weise das alles zusammenhängt - das ist mehr, als Sie wissen dürfen - jedenfalls im Augenblick.

Montag, 31. März 2008

Gruß aus der Gruft


Ja, verehrte potentielle Leserschaft, ich habe mich rar gemacht in den letzten Wochen. Mea culpa, wobei ... Nein, an und für sich nicht meine culpa, aber meckern will ich auch nicht. Jedenfalls ist das Lektorat doch noch gekommen, und ich war über die Ostertage gut ausgelastet mit der Sichtung möglicher Änderungen. Natürlich hat weder ein Autor noch ein Lektor die absolute Wahrheit für sich gepachtet.

Die Wahrheit liegt je nach Couleur entweder "irgendwo dort draußen" (Akte X) oder "irgendwo dazwischen" (Zimmer-Bradley, Nebel von Avalon) - und Manchem liegt schon überhaupt nichts an der Wahrheit. Aber wie dem auch sei: Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Amedeo Fanelli gewinnt noch etwas spannendere Konturen und ich bin um die Erfahrung reicher, wie ein einziger ausgewechselter Buchstabe den Sinn einer ganzen Szene verändern und verfälschen kann.

Man vergleiche:

Nur eine Hand voll Menschen weiß, dass diese Bücher hier sind. Und jeder von ihnen hat einen lateinischen Titel, der eine halbe Seite lang ist. (Original)

Nur eine Hand voll Menschen weiß, dass diese Bücher hier sind. Und jedes von ihnen hat einen lateinischen Titel, der eine halbe Seite lang ist. (lektorierte Fassung)

Haben Sie's gemerkt? Genau. Jeder von ihnen (von der Hand voll Menschen - wir sprechen von hohen Würdenträgern des Vatikan) hat einen solchen Bandwurmtitel. In der lektorierten Fassung würde das stattdessen für die Bücher ("jedes von von ihnen") gelten. Vermeintliche Kleinigkeiten haben manchmal gewaltige Auswirkungen. Natürlich gab's hier keine böse Absicht. Die wahre Tragweite ist wohl schlicht übersehen worden.

Für die Durchsicht der Letzten Offenbarung habe ich mich dann auch noch einmal aus jenem Projekt herausgenommen, das jetzt aktuell geworden ist: Grave's Land (Arbeitstitel) soll ein Mystery-Thriller für jugendliche Leser werden und wird im Herbst bei Baumhaus erscheinen. Gothic-Szenekultur und historische Kartenwerke, geht das zusammen? Ich hoffe doch. Jedenfalls geb ich mir alle Mühe, und irgendwie habe ich mich in die Story des Mädchens Leonie Hartheim verliebt, das so unvermittelt mit dem Vermächtnis seines Rockidols konfrontiert wird. Und die meisten Ideen, das muss ich auch hier wieder feststellen, kommen tatsächlich beim Schreiben, wenn die Story und ihre Figuren zu leben beginnen. Ich setze mich zur Zeit mit einer zwei Meter acht großen männlichen Nanny aus Ghana auseinander, die sich partout nicht mit ihrer Rolle als Nebenfigur zufrieden geben will. Wie auch? Lassen Sie mal einen zwei Meter acht großen Ghanaer links liegen.

In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob wir tatsächlich mit dem Namen "Grave's Land" an den Start gehen. Ich mag ihn ja schon wegen seiner Vieldeutigkeit. Dorian Grave, oben erwähntes Idol, verweist natürlich auf den großen lasterhaften Literaten Oscar Wilde. Allerlei gruftiges Grabgedankengut ist da mit drin - und Anklänge an Graceland, den "Landsitz" von weiland Elvis Presley. Die Frage ist, ob der Titel automatisch auf englisch gelesen wird. Doch da lässt sich mit Hilfe des Covers Einiges anstellen, um das zu unterstreichen. Ich habe da in diesen Tagen einige sehr hübsche Entwürfe von einer befreundeten Künstlerin bekommen. Auf dass Sie, verehrte potentielle Leserschaft, einen davon tatsächlich auf dem Angesicht der Buchveröffentlichung erblicken mögen.

Für heute bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Freitag, 29. Februar 2008

Ein Auf und Ab

Noch immer harre ich der Korrekturvorschläge für die Letzte Offenbarung. Meine Lektorin noch immer erkrankt, offenbar von der selben heimtückischen Grippeversion gepackt wie der SPD-Vorsitzende Kurt Beck (den muss man jetzt wohl rot schreiben). Nun, harren wir weiter, während ich bereits Gedanken an die Fortsetzung unter meinem Herzen bewege.
Im Grunde sind schon wieder vier, wenn nicht fünf neue Geschichten in unterschiedlichen Stadien der Planung: Zwei für Kinder, eine für Jugendliche, zwei für Erwachsene. Letzteres ergab sich hauptsächlich aus dem Umstand, dass mein Exposé eigentlich Stoff für zwei Bücher hergibt - warum dann nicht alle beide machen? Aber dazu zu gegebener Zeit.

Ansonstens sammle ich vor allem Inspiration im Moment. Ich habe festgestellt, dass nur eines noch schlimmer ist, als viel zu arbeiten: Nicht zu arbeiten. Einerseits kann ich kein neues Projekt anfassen, so lange ich jeden Augenblick damit rechnen muss, dass es endlich mit der Letzten Offenbarung weitergeht, andererseits will sich auch kein Entspannungseffekt einstellen, wenn ich Tag für Tag damit rechne. Heute stand ein Auftritt auf dem Programm - Friedrich II. von Hohenstaufen, den man auch den Adler der Frühe nannte (nicht zufällig der Titel meines Debütromans, der sich mit dem Erbe der Hohenstaufen auseinander setzt). Ein sehr motiviertes Publikum - ich habe mich gefreut, dass so viele Fans da waren, der ungünstigen Witterung zum Trotz. Und die Synergien funktionierten. Wenn ich am Ende des Programms fitter bin als am Anfang, ist das doch ein gutes Zeichen.

Nun, vielleicht war es gestern ein gutes Training, als ich mich an die Überquerung der Wierener Berge gemacht habe, des "Hügellandes", das im Adler der Frühe eine so große Rolle spielt. Elf Kilometer in zwei Stunden - und es war ein abenteuerlicher Weg durch eine wasserlose Wildnis. Anbei ein kleiner Eindruck. Das Bild sehe mir ähnlich, sagt meine Frau. Nun, jünger werden wir alle nicht. Auf dem höchsten Punkt der Reise (alles was höher liegt als hundert Meter über dem Meeresspiegel ist schon ganz anständig für die Norddeutsche Tiefebene) ist das Foto entstanden. Es ist eine magische Welt. Obwohl dieser Fahrweg nicht asphaltiert ist, bildete er doch jahrhundertelang die direkte Verbindung zwischen den beiden Amtssitzen Bodenteich und Stadensen. Seitdem hat sich wenig verändert. Wenn es eine Möglichkeit gibt, vor der eigenen Haustür den Atem der Geschichte einzufangen, dann hier, in diesem touristisch so erfreulich wenig aufbereiteten leeren Land.

Goethe, heißt es, machte sich an die erste Brockenbesteigung im Winter, und ich ... nun, ich lese viel über Goethe in letzter Zeit, auch zu neuer Recherche. Aktuell eine Veröffentlichung unseres kultisch gefeierten Göttinger Altmeisters Albrecht Schöne.

Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
als dass sich Gott=Natur ihm offenbare

Samstag, 23. Februar 2008

Batman in my coffee

Am Anfang eines neuen Projektes steht meist ein Gedanke - ein blitzartiger Gedanke, eine Eingebung, das könnte eine Story sein. Nicht aus jedem blitzartigen Gedanken entsteht letztendlich aber auch eine Geschichte - vielleicht sind sie eben doch nicht alle Eingebungen, diese blitzartigen ... Nun ja. Heute habe ich jedenfalls Batman in meinem Kaffee entdeckt.

Es wird wohl eher kein neuer Roman daraus werden. Batman gibt es irgendwie schon, und während die Letzte Offenbarung nun kleineren Korrekturen unterzogen wird, erwägen wir bereits neue Konzepte - im Jugendbuch, aber auch für eine Fortsetzung der Geschichte um Amadeo und Rebecca. Nachdem ich zu Protokoll gegeben habe, dass ich weder Robert Harris, noch Andreas Eschbach noch Kai Meyer, noch Frank Schätzing bin, wird wohl auch die neue Geschichte wieder unter Stephan M. Rother erscheinen. Und zumindest in einer der Ideen, die uns gegenwärtig durch den Kopf gehen, spielen sogar Quellen eine große Rolle.

Aber wer weiß - vielleicht wird es doch etwas ganz Anderes. Ingo Mertineit, in dessen Star Club Magazin ich wieder in der Jury dabei bin, fragte mich kürzlich, was einen guten Text ausmache. Ich konnte ihm nur sagen, dass ein guter Text dazu neigt, irgendwann selbst die Kontrolle zu übernehmen. Eine gute Story wird lebendig und gewinnt ihr eigenes Bewusstsein. Eine Geschichte, die den Arbeitstitel Grave's Land trägt, ihn aber sicher nicht behalten wird, steht kurz davor.

Dienstag, 12. Februar 2008

Im Dämmerzustand

"Labels für diesen Post", lese ich hier bewegten Sinnes. "beispielsweise Roller, Urlaub, Sturz". Na zauberhaft! Da werde ich gleich mal etwas eintragen. Dieser vorgeblich literarische Blog liest sich allmählich ohnehin wie ein Ärztebrief. Auf der der anderen Seite ... Überlegen wir mal: Was ist Woody Allen für ein zutiefst kranker und gestörter Mensch - und was macht er für schöne Filme!

Gut, ich schmeichle mir ja gerne, für einen Menschen, der seit anderthalb Jahrzehnten von seiner künstlerischen Tätigkeit lebt, sei ich letztendlich noch ganz überraschend gut beieinander. Ein gewisses Maß an Selbstdisziplin und die Fähigkeit zur realistischen Betrachtung der Dinge haben die allergrößten Absonderlichkeiten bis heute erfolgreich verhindern können. Trotzdem waren gerade die vergangenen Tagen besonders absonderlich. Ich glaube übrigens nicht, dass das mit dem Quellwasser vom Klusberg nahe Loccum zusammenhängt. Das war nur eine der berühmten Koinzidenzen - wenn überhaupt, so habe ich etwa eine halbe Stunde später zum ersten Mal gemerkt, dass mir irgendwie flau war, und zwar beim McCafé in Wunstorf. Ob da nun irgendwelche wie auch immer gearteten Zusammenhänge bestehen ... bedecken wir's mit dem Mantel der Liebe.

Jedenfalls bin ich mit dieser fiebrigen Grippe umgegangen, wie ich das immer mache: Ich habe sie nicht zur Kenntnis genommen. Das ging mehrere Tage lang recht gut, bis ich eben einfach keine Luft mehr bekam. Und das war dann doch vage unerfreulich. Mein geliebtes Eheweib hat mich also in ihren Ford verladen, und zwanzig Minuten später saßen wir beim Internisten unseres Vertrauens, der als allererstes fragte, wo denn meine Haare geblieben seien. Ob das eine "Skinheadfrisur" sei. Nun besteht bezüglich meiner Frisur (oder der Abwesenheit einer solchen) seit mindestens einem Jahrzehnt ein status quo - als ich seinerzeit merkte, dass die Angelegenheit doch ziemlich licht zu werden begann, entschloss ich mich zur radikalen Kürzung. Radikal natürlich nur in Bezug auf die Haarlänge, nicht in Bezug auf die politische Ausrichtung. Das halte ich noch immer für das Ehrlichste - und es sieht meiner unmaßgeblichen Meinung nach noch immer ästhetischer aus als die verzweifelten Rückzugsgefechte auf den Köpfen von Udo Lindenberg, des Spiegelkolumnisten Franz Walther - oder eben meines Internisten. Nun, immerhin war es ein kleines Erfolgserlebnis, dass der wackere Mediziner über meine Lungengeräusche vielleicht noch eine Spur stärker erschrak als über mein Haupthaar. Das Urteil fiel dann auch eindeutig aus: Schwere Grippe (ich hatte ja mit "grippaler Infekt" gerechnet), Lungenentzündung nicht auszuschließen - drei Grüncef am Tag. Das sind diese widerlich schmeckenden, massiven Antibiotika. Sechzehn von zwanzig Stück habe ich inzwischen genossen ... frage nicht nach Sonnenschein.

Übrigens keine sehr netten Medikamente. Wenn ich da an meine Weisheitszahnoperation denke, 1992! Anschließend hat man mir verraten, dass das Betäubungsmittel chemisch gesehen große Ähnlichkeit mit Kokain (ich hätte hier gerne Schriftfarbe weiß gewählt, aber dann kann mans ja nicht mehr lesen) aufweist. Glaub ich aufs Wort! Sehr inspirativ das Ganze. Damals ist eine interessante Story herausgekommen. Ähnlich wie bei meinen Fieberschüben von ... 2003 muss das gewesen sein. Am 30. April hatte ich einen Auftritt und musste irgendwie fit sein dafür. Mit Paracetamol hat das sogar funktioniert. Ich besitze keinerlei Erinnerung an die Performance, aber sie soll sehr lustig gewesen sein. Aber dieses Grüncef ... langweilig. Das Verdauungssystem wird abgeschossen. Inspirativ ist das nicht. Ich bin froh, wenn ich das hinter mir habe.

Ansonsten warte ich tapfer, dass Herr Hofstetter und Frau Troni mir ihre Anmerkungen zur Letzten Offenbarung zukommen lassen. Vor allem bin ich auf ihre Einschätzung des Charakters von Amadeo Fanelli gespannt. Die Frage ist nämlich die: Wie sonderbar darf die Hauptfigur eines Buches auftreten, wenn sie Sympathie im Leser wecken will? Der soll sich schließlich mit ihr identifizieren. Ich denke da wie üblich liberal. Woody Allen ist erfolgreich. David Lynch ist erfolgreich. Da bin ich doch für einen Menschen, der seit anderthalb Jahrzehnten ...

Oh, das hatten wir schon. Zeit für die Grüncef.

Montag, 4. Februar 2008

Vertragsunterzeichnung / Quellenkunde (Teil III)

Das Vertragsschriftgut des Mittelalters, zumal die berühmten herrscherlichen Urkunden wie die Goldenen Bullen Friedrichs II. (Rimini) oder Karls IV., machen natürlich mehr her, als ein schlichtes Schreiben von mehreren DIN A 4-Seiten, das die Unterschriften von Autor und Verlagsvertreter bzw. Autor und Agent trägt. Trotzdem ist es jedes Mal ein ganz besonderer Augenblick: Jetzt, mit dieser Unterschrift, bringe ich ein Projekt auf den Weg, an dem ich monate- oder gar jahrelang gearbeitet habe. Jedenfalls kann ich mich an die Abschlüsse über den Adler der Frühe (2000) und den Weg nach Altamura (2005) noch sehr deutlich erinnern. Und diesmal nun ist etwas ganz anderes: Durch den rastlosen Einsatz von Thomas Montasser haben wir mit Blanvalet einen Verlagspartner gefunden, der das Buch diesmal auch wirklich in die Läden bringen kann. Erst jetzt wird sich eigentlich erweisen, ob der Leser mit meiner Art des Schreibens etwas anfangen kann.

Wir sind hier alle sehr aufgeregt über dieses neue Projekt.

In der vergangenen Woche habe ich selbst das Manuskript noch einmal von vorn bis hinten durchgelesen, bin dem zeitweise etwas weltfremden Restaurator Amadeo Fanelli, seinem Mentor Professore Helmbrecht und der geheimnisvollen Rebecca Steinmann durch die Straßen europäischer Metropolen gefolgt, wohl wissend, dass gleichzeitig bereits Urban Hofstetter von Blanvalet und meine Lektorin Angela Troni Speziell die Wahl von Frau Troni ist eine Entscheidung des Verlages, von der ich mich wirklich ausgesprochen geehrt fühle. Frau Troni ist zweifellos eine renommierte literarische Lektorin, und diese Wahl beweist mir, dass auch der Verlag erkannt hat: Dieses Manuskript, Die letzte Offenbarung, will mehr sein als cheap thrills à la Brown und Konsorten.

Gerade in den letzten Tagen habe ich aber auch gespürt, wie wichtig es ist, jetzt einmal etwas kürzer zu treten. Am Samstag stand ein Auftritt im Sauerland an - an die Wetterlage wird sich der eine oder andere Leser entsinnen. So kam ich mehr oder minder halb tot im ostwestfälischen Minden an, wo wir bei meiner Schwiegermutter genächtigt haben. Und es schien mehr zu sein als die "übliche" Erschöpfung - der Beweis folgte gestern Abend: Offensichtlich habe ich mich vergangene Woche bei meiner Bühnenpartnerin Marja Mysteria mit der Grippe angesteckt. Jedenfalls habe ich Fieber und bin wohl erstmal ein paar Tage außer Gefecht.

Auf dem Rückweg haben wir dann noch eine Quelle besucht, die ich vor einigen Wochen für mich entdeckt habe, die Quelle am Klusberg zwischen Petershagen und Loccum. Ein überaus faszinierender Ort - Foto anbei. Wermutstropfen im Quellwasser (wenn man's so nennen will): Anwohner lassen dort einen kalbsgroßen Dobermann frei laufen. Das Umfeld der Quelle sieht nicht allein beschissen aus, sondern wir mussten auch miterleben, wie das Monstrum ein etwa dreijähriges kleines Mädchen einfach umgerissen hat. Zum Glück ist nichts weiter passiert, aber die Eltern des Kindes waren entsprechend fertig, und die Kleine hat jetzt wohl einen Schock fürs Leben. Ich erinnere mich an meinen eigenen Hundebiss, der mein Verhältnis zu dieser Spezies auf Jahre geprägt hat - und da war ich schon acht oder neun. Gebissen wurde das Mädchen zum Glück nicht.

Alles in allem jedenfalls eine wild bewegte Woche.

Donnerstag, 24. Januar 2008

Inspirationen

Gerne unterstellt man mir, ich würde besonders "visuell" schreiben. Das stimmt insofern, als ich mich bemühe, die Bilder zu schildern, die sich in meinem Kopf einstellen. Selbst wenn es im Text nicht ausdrücklich erwähnt wird, wüsste ich immer genau zu sagen, wo genau welcher der Sprecher in einer Dialogszene steht - oder sitzt. Was Autoren gerne vergessen (und was von Lektoren dann stirnrunzelnd anmerken), sind die Veränderungen in diesen Haltungen. So setzt sich eine Figur drei Mal hintereinander hin, ist aber zwischendurch nicht aufgestanden.


Scheinbarer Widerspruch zu diesem visuellen Schreiben: Ich schildere selten exakte, erlebte Örtlichkeiten en detail. Im Manuskript entsteht jedes Mal ein etwas anderer, abweichender Ort. Was wir wahrnehmen, ist eben nicht die Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit nach Maßgabe unseres Bewusstseins - wie von Augustinus bis Heisenberg die großen Denker jeder Epoche erkannt haben. Mithin betritt der Leser nicht eigentlich (ich hasse den versteckten, von "not really" abgeleiteten Anglizismus "nicht wirklich") ... betritt der Leser an Amadeos und Rebeccas Seite nicht eigentlich die Radcliffe Camera der Bodleian Library, sondern vielmehr die virtuelle Radcliffe Camera im Kopf des Autors. An dieser Stelle vielleicht ein nicht ganz uninteressantes Bild: Die Radcliffe Camera ist ein mächtiger Rundbau, umgeben von mehreren Ebenen voller Regale mit Büchern über Büchern - was anderes ist der Kopf des Autors? Mal diesen, mal jenen Band herausziehend erschafft er aus unterschiedlichsten Eindrücken eine neue Welt. Welche Eindrücke das waren - daran wird er sich oft nicht erinnern. Das menschliche Hirn arbeitet selten mit Fußnoten.


Andere Eindrücke sind eine Art Soundtrack zum Buch, Titellisten, die auf meinem mp3-Spieler rauf und runter laufen. Beim Bardenstein etwa - meinem ersten Fantasy-Skript seit fünfzehn Jahren - war das Jacques Brels "Le plat pays", beim Mantel der Winde Leonard Cohen mit "The sisters of mercy", und schließlich, bei der Letzten Offenbarung Neil Youngs "I'm the ocean" (vom "Mirrorball"-Album) und Wagners Ring mit Karajan bzw. Norrington. Alles in allem ziemlich finster - passend dazu unser heutiges Bild.


Zu schade, dass ich Friedrich-Wilhelm Murnau nicht mehr kennen gelernt habe :)

Donnerstag, 17. Januar 2008

Recherchen

Vieles kann man in unseren Tagen über das Internet recherchieren, auf virtuellem Wege zu den erstaunlichsten Orten der ganzen Welt reisen, aber irgendwann stoßen die Möglichkeiten des WorldWideWeb dann eben doch an ihre Grenzen.

Nachdem ich meinem Lieblingsintellektuellen, einem Globetrotter und Kosmopoliten vor dem Herrn, umrissen hatte, auf welch verschlungenen Wegen Amadeo und Rebecca sich durch den Vatikan bewegen, fand er das zum einen sehr interessant - zum anderen riet er mir aber dringend, mir "vernünftige" Grundrisspläne der Peterskirche und des Apostolischen Palastes zu besorgen.

Also habe ich mich an meine alte alma mater nach Göttingen aufgemacht, genauer gesagt in die Bibliothek des Kunsthistorischen Seminars. Schon das ist eine Inspiration sondergleichen, denn schließlich sind unsere Protagonisten fröhlich unterwegs von einer Bibliothek zur nächsten. In dieser bewussten Bibliothek am Göttinger Nikolausberger Weg war ich nun aber seit einem Jahrzehnt nicht gewesen. Doch was soll ich sagen? Es war ein Erlebnis. Auf einmal war ich mittendrin in einem spannenden Gespräch mit dem Bibliothekar (und Magisterkollegen) Frank Schönfeld. Wer hätte gedacht, dass man so schnell auf Matilde Asensi und ihren grandiosen Roman Wächter des Kreuzes zu sprechen kommt? Von meinem eigenen Romanprojekt war Herr Schönfeld dann ebenfalls sehr angetan. Ich denke, das wird noch eine sehr interessante Sache.

Und mein nächster Besuch wird mit Sicherheit nicht wieder ein Jahrzehnt auf sich warten lassen.

Donnerstag, 10. Januar 2008

The comfort of strangers / Quellenkunde (Teil 2)

Herzlichen Dank, verehrte potentielle Leserschaft, zunächst einmal für die Tipps in Sachen Nackenverspannungen. In der Tat: Da sind nicht uninteressante Sachen dabei. Teufelskralle, dio mio, aber ja: Es passt ins Bild :)



Doch ich war dabei, von Quellen zu berichten. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Quellen sind ja eine faszinierende Angelegenheit. Schon unsere Vorfahren begriffen sie als den Ort, an dem sich die Welt des Sichtbaren und die Welt des Unsichtbaren berühren, in dem das Wasser, das Geschenk einer höheren (oder im konkreten Erleben tieferen Macht) in die für den Menschen begreifbare Welt tritt. Kann es da verwundern, wenn der Glaube unserer Altvorderen diese Ort mit Quellnymphen, Alben oder Sidhe (kleine Verneigung vor der Grünen Insel) bevölkerte? Kaum.



Ich habe in den vergangenen Monaten eine Reihe solcher Quellen aufgesucht. Einigen von ihnen sagt der Volksmund eine große, geheimnisvolle Vergangenheit nach. Heidnische Opferplätze sollen sie gewesen sein, und mancherorts können archäologische Funde das beweisen. Aber der entscheidende Punkt ist das nicht. Der Zauber des Ortes selbst wird den ergreifen, der dafür empfänglich ist. Und wenn mir an einer Quelle angst und bange würde, täte ich den Teufel, ihr Wasser zu trinken.



Im Bild der Filiensee oder Vilgensee in der Nähe von Wolfenbüttel. Ein altes Quellheiligtum, wie es heißt. Auf jeden Fall ein Ort von einzigartiger Atmosphäre.



Es ist dieses Erlebnis, die Berührung mit unsichtbaren Quellen, die regelmäßig ungeahnte Quellen in mir zum Sprudeln bringen. Und da ist es dann wie gesagt nebensächlich, an welcher Materie ich gerade arbeite. Unsere Vorfahren hätten vielleicht gesagt: Das ist Magie. Ich sage: Es ist, wie es ist, und so ist es gut.



Im Moment forsche ich gerade nach, wo in der Bibel ich konkrete Bekleidungsvorschriften finden kann. Warum darf eine Dame den Petersdom nicht in Spaghettiträgern betreten? Rebecca Steinmann trägt in der 'Letzten Offenbarung' zwar ein noch etwas anderes Outfit - doch die Reaktion offizieller Stellen wäre vermutlich eine ähnliche.

Dienstag, 8. Januar 2008

Quellenkunde (Teil 1)

Das Wissen, verehrte potentielle Leserschaft, ist ein unendlicher Kreislauf. Man kann es tatsächlich recht gut mit dem Kreislauf des Wassers vergleichen: Wie der Regen tröpfelt das Wissen schon zu Schulzeiten auf uns ein, und schon da zeigt sich, dass wir das Wasser des Wissens sehr ungleichmäßig aufnehmen. Bei dem Einen versickert es auf Nimmerwiedersehen, der Zweite ist gar überhaupt wasserwissensabweisend und der Dritte ... nun, mit unterirdischen, unsichtbaren Wasseradern ist das so eine Sache: Wir sind oft überrascht, an welch ungewöhnlichen Orten das Wasser des Wissens, geläutert durch Schichten zerebraler Sedimente, dann auf einmal aus einer neuen Quelle wieder zu Tage treten kann.

Genug der Küchenphilosophie.


Tatsache ist jedenfalls, dass wir mit den Eindrücken, die auf uns einwirken, sehr unterschiedlich umgehen. Wir verarbeiten sie und erschaffen daraus etwas Neues. Von
John Cage wird berichtet (ich glaube, es war John Cage, will aber nicht ausschließen, dass es nicht doch John Cale war, der Violinist von Velvet Underground). Von John Cage/Cale wird berichtet, er habe zur Vorbereitung auf eine konkrete Hausaufgabe nach dem Zufallsprinzip ein Buch aus dem Regal gezogen, es gelesen - und regelmäßig mit Bestnote abgeschnitten. Auch dann, wenn das Buch mit der Materie (scheinbar) nicht das Geringste zu tun hatte. Das nenne ich Inspiration!



Gar so vermessen bin ich nicht. Als das Thema Letzte Offenbarung aktuell wurde, habe ich angefangen, über die Materie zu lesen - speziell über das Neue Testament. Zufällig stieß ich dann auf eine Äußerung unseres gegenwärtigen Pontifex, Benedikt XVI., der geäußert hat, er lese keine Sekundärliteratur mehr. Das gab mir zu denken: Warum soll ich mir die Geschichte vorweginterpretieren lassen? Nein, das Entscheidende sprudelt überreichlich aus den Quellen, in diesem Fall eben aus dem Neuen Testament. Alles Weitere mag sich ein Jeder nach seiner Facon zurechtlegen. Aber da ich ja keinen Bibelthriller schreibe, sondern einen Vatikanthriller, kommt eine Fülle weiterer Quellen hinzu, allen voran Benedikts/Joseph Kardinal Ratzingers eigene Veröffentlichung wie die Enzykliken Deus caritas est und Spe salvi, seine Spiegel-Bestseller Salz der Erde und Gott und die Welt, die Akten der Congregatio pro doctrina fidei (Ex-Congregatio Romanae et universalis Inquisitionis) - einige der interessantesten Sachen sind übrigens auf den Seiten des Vatikan ganz vorbildlich erfasst http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/index_ge.htm. Eine äußerst spannende Angelegenheit!


Doch der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein und der Romanautor nicht ausschließlich von der konkreten Recherche. Und genau deshalb ist es wichtig, nach Quellen auch ganz anderer Art zu suchen - doch davon will ich zu einem späteren Zeitpunkt berichten.



Auf dem Foto links ein Bachabschnitt, aufgenommen heute Nachmittag in der Nähe des Klosters Mariensee - in rot und blau übrigens wegen der heiligen Farben :)