Samstag, 29. November 2008

In brief

Ein seltsames Gefühl verehrte potentielle Leserschaft, ist es dann schon, wenn ich mir bewusst mache, dass mit signifikanter Wahrscheinlichkeit in genau diesem Augenblick der eine oder anderen von Euch und Ihnen durch die Seiten des 'Dorian Grave' schmökert und sich gemeinsam mit Leonie Hartheim und ihren Freunden darum ringt, den geheimnisvollen Code des verblichenen Gothrockers zu knacken.

Mit Büchern ist es eine seltsame Sache. Im Grunde sind sie auch nichts anderes als sehr, sehr lange Briefe. Nun, nicht ganz, mag der ein oder andere da einwenden. Briefe oder Mails richtet man ja nun in aller Regel an eine bestimmte Person, und Dritte haben da nicht rumzuschnüffeln. Andererseits war das keineswegs von Anfang an ausgemacht. Wie sieht das mit dem Römerbrief des Paulus aus? Mit unzähligen historischen Briefveröffentlichungen? Nein, das eigentliche Merkmal eines "Briefs" ist im Grunde seine Kürze - entsprechend sind "briefs" im angelsächsischen Sprachraum Unterhosen mit kurzen Beinen.

Heute ist das, zugegeben, alles etwas anders. Briefe sind in der Regel privat, veröffentlichte Romane eben öffentlich. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Autor nicht einen bestimmten Adressaten im Kopf hätte. Das hat er sehr wohl. Ein Roman als überdimensionaler Brief hat einen Adressaten namens Leser. Im Grunde ist das eine höchst deprimierende Geschichte für den Autor des Romanbriefs: Da gibt es etliche tausend Leser - und kaum einer schreibt mal eben zurück.

Gut, einige Antworten habe ich durchaus bekommen, Besprechungen im Radio, in den Printmedien - und im Internet. Bei Amazon gibt es schon etwas zu lesen, und von Ralf Seybold stammt eine parallel auf www.schreib-lust.de veröffentlichte Rezension, bei der mir dann doch eine Gänsehaut kam. Besonders gefreut habe ich mich auch über die Zeilen von "ilkachen" auf www.lizzynet.de - denn unsere Leser sind ja - wie schon berichtet - "alle, die rocken", und ich bin erleichtert, dass das offenbar eine ganze Menge sind. Ganz gespannt bin ich, wie das Grave-Exemplar ankommen wird, das derzeit in Corrys Jugendbuchregal steht - vielleicht hat es Corry auch gerade am Wickel. Jedenfalls sind solche Antworten für den Romanbrief-Autor ungeheuer wichtig - übrigens ganz gleich, ob sie sich nun überschlagen vor Begeisterung oder ein gerüttelt Maß an Kritik anmerken. Es sind einfach Antworten, und die sind selten.

Obwohl ich natürlich längst an neuen Projekten arbeite, lässt mich der Grave nicht so schnell los. Hin und wieder wandle ich auf den Pfaden, denen auch Leonie und ihre Freunde folgen.

Der "Engelsweg" zum Beispiel ist bis heute eine wunderschöne Wanderstrecke - und der Verlauf hat sich seit den Tagen des dicken Wilhelm nicht wesentlich verändert.

Andere Wege sind gerader, doch ein merkwürdiges Gefühl ist es schon, wenn man dem Surren der Hochspannungsmasten lauscht und sich fragt, sind das wirklich die Hochspannungsmasten? Und ich will mich besser gar nicht daran erinnern, was das für ein Gefühl war, als ich Anfang des Monats nachts zwischen Breitenhees und Weyhausen im Auto unterwegs war. Nebel kam auf - und aus dem Nebel mit Blaulicht das Aufgebot der Staatsmacht. Es war Castor-Zeit und, ja, ich werde auch noch Bilder von dem lauschigen Örtchen einstellen, an dem Hartheim festgehalten wird - wenn sie mich nicht wegfangen.

Nur wohin das am Ende führen soll, das ist die große Frage. Vielleicht ist das, wie Dorian Grave jetzt sagen würde, mehr, als du wissen darfst.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

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