Freitag, 31. Dezember 2010

Magischer Realismus

Joseph Ratzinger a.k.a. Benedikt XVI. bekannte vor einigen (wenigen) Jahren, keine Sekundärliteratur mehr zu lesen. Chuzpe?, habe ich mich stirnrunzelnd gefragt. Für seine Chuzpe ist er eigentlich nicht so mörderisch bekannt, der Ratzinger.
Das Seltsame ist, dass ich ihn zunehmend besser verstehe. In der Vorbereitung auf meine aktuelle Arbeit - die Halliggeschichte - habe ich etliche hundert Seiten Sekundärliteratur studiert. Und jetzt, da ich am Schreiben bin, stelle ich fest, dass sich das Wenigste davon mit meiner Geschichte verträgt. Nicht ganz einfach, alles auf einen Schlag wieder zu vergessen. Und sicherlich auch eine Vermessenheit: Vergessen als aktiver Vorgang ist uns (als Spezies) nun mal nicht gegeben. Das kriegt nicht mal Ratzinger hin.



Nein, ich glaube, dass die entscheidenden Impulse zu einer Geschichte aus vollständig anderen Quellen stammen. Das angelesene Wissen spielt kaum eine Rolle. Nicht für einen belletristischen Autor jedenfalls. Und an dieser Stelle gehe ich vollkommen konform mit Reich-Ranitzki und seiner Überzeugung, dass derjenige, der sich Sachinformationen über einen bestimmten Gegenstand, eine Zeitepoche usw. erhofft, doch bitte zum Sachbuch greifen möge. Das sollte ja tendenziell objektiver geschrieben sein - das Fachbuch schon sowieso. Ich bin Romanautor und schreibe per definitionem subjektiv. Der vorgebliche Gegenstand muss keineswegs der eigentliche Gegenstand sein. Angenommen, man gäbe Hohlbein, Fitzek, diesem Mann, der über die Himmelsscheibe von Nebra geschrieben hat, und mir dasselbe Konvolut an Sekundärliteratur in die Hand, sperrte uns in eine finstere Kammer und zwänge uns, z.B. einen Atlantis-Roman zu schreiben: Würde bei allen dasselbe rauskommen? Mit Sicherheit nicht. Wir hätten was falsch gemacht, wenn es so wäre, alle vier. Ein Leser, der zu einem Roman greift, kann etwas anderes erwarten. Ich behaupte: Er kann mehr erwarten. Die eigentliche Geschichte muss immer aus dem Autor selbst kommen. Es sind die Quellen in seinem Innern, Quellen, die von ganz individuellen Zuflüssen gespeist werden (und die er in vielen Fällen selbst nicht kennt, weil sich diese Zuflüsse dem menschlichen Auge entziehen), die eine Erzählung einzigartig machen.



Wenn der Leser also unter dem Weihnachtsbaum möglicherweise "Das Babylon-Virus" gefunden hat, gebe er sich nicht dem Glauben hin, er könne aus diesem Buch etwas über Einstein, Goethe, Händel, Friedrich II. von Hohenstaufen, über Alexander den Großen, Aristoteles - oder Gianna Nannini erfahren. Über den Turmbau zu Babel oder den ISAF-Einsatz in Afghanistan. All das spielt eine Rolle in diesem Roman - aber all das ist neu gruppiert, ist gespiegelt und gefärbt. All das ist eine neue, gemeinsame Geschichte. Sie wird nicht lügen über die angesprochenen Personen und Tatbestände - aber die eigentliche Wahrheit sagt sie nur über den Autor und die Dinge, die ihm wirklich am Herzen liegen.

Aktuelle Musik: Leonard Cohen - Live in London
Aktuelle Lektüre: Mark Helprin - Wintermärchen
Aktuelles Projekt: Rungholt

Und damit haben wir im alten Jahr doch noch etwas verraten :)



Unsere Illustrationen zeigen winterliche Ziele der vergangenen Wochen. Von oben nach unten:

1) St. Georg in Eutzen, ein kleines gotisches Kirchlein in einem Dörfchen nahe Wittingen. Das Gotteshaus hat kaum Kapellengröße - die Reformation hat es nur überlebt, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht als Kapelle geführt wurde, sondern als mater combinata gemeinsam mit St. Katharinen in Knesebeck. Yep, da war Magister Wasmods Familie am Werk.
2) Die Mühlenkirche in Veltenhof (zu Braunschweig). Ich habe mir schon vorgenommen, dort noch einmal intensiver zu verweilen. Die Kälte hat mich weniger geschreckt, aber meine Frau, meine Eltern und mein Bruder saßen mit im Wagen.
3) und 4) Die ehemalige Klosterkirche Mariental bei Helmstedt - von Altenberg aus gegründet, das selbst direkt auf Morimond zurückgeht. Dort habe ich verweilt ... zum Runterkommen. Ich hatte Zweifel, ob die Rückfahrt angesichts der Straßenverhältnisse überhaupt durchzuhalten sein würde.



Wappnen wir uns gegen die Wahnsinnigen mit ihren Böllern und bringen wir die Silvesternacht mit Anstand hinter uns.

Bis zum nächsten Jahr bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Freitag, 17. Dezember 2010

Sense of wonder

„Was lesen Sie denn eigentlich selbst?“ – Das dürfte wohl eine der häufigsten Fragen sein, mit denen sich ein Schriftsteller konfrontiert sieht. Die kann der Autor jetzt beantworten, frei nach dem Motto, dass es keine dummen Fragen gibt, sondern eben nur dumme Antworten. Und diese konkrete Frage ist ja nicht einmal dumm. Sie greift allerdings zu kurz.

Die Antwort kann nur dann wirklich erhellend sein, wenn die Frage folgendermaßen gestellt wird: „Was lesen Sie denn eigentlich selbst – und warum zur Hölle tun Sie sich das an?“



Wer dieses Blog regelmäßig verfolgt, wird sich vielleicht erinnern, dass ich mir zum Ziel gesetzt habe, jedes Jahr eine Reihe von Erfolgstiteln aus den Bestsellerlisten zu konsumieren. Ich habe ja ein gewisses Interesse daran, nicht nur gute Bücher, sondern auch erfolgreiche Bücher zu schreiben, und da kann es nicht schaden, abzuprüfen, was viel und gerne gelesen wird. (Bemerkung: Schwachpunkt dieses Verfahrens ist, dass es mit einer Unterstellung arbeitet. Es geht nämlich davon aus, dass das Gros der Probanden seine Lektüre freiwillig konsumiert – anders als der Versuchsleiter. Nach dem Gesetz der großen Zahl sollte das allerdings gewährleistet sein.)



Der zweite Teil der Frage ist damit beantwortet: Warum tu ich mir das an? Der erste Teil, trotz allem vielleicht nicht ganz uninteressant: Was hab ich mir nun in den letzten Monaten angetan?

Beispiel eins: Karen Slaughter. Ich gestehe, dass mir bei der Lektüre von „Gottlos“ zuweilen übel geworden ist angesichts des Ausmaßes von Südstaaten-Borniertheit. Allerdings musste ich dann einsehen, dass ich exakt jenen Fehler gemacht habe, für den ich manche Leser am Liebsten kielholen würde: Nein, die Sichtweise der Protagonistin ist nicht automatisch die Sichtweise der Autorin. „Zerstört“ habe ich mit Spannung und Vergnügen konsumieren können.

Beispiel zwei: Val McDermid. „Die Erfinder des Todes“. Vielleicht hab ich’s einfach nicht begriffen. Sollten da drei Geschichten parallel zueinander erzählt werden? Mindestens eine davon ist schlicht versickert. Und die Figuren waren mir von Herzen unsympathisch

Beispiel drei: Kate Morton. „Der Geheime Garten“. Ein hübsches Buch. Riesenkompliment für Frau Mortons Erzähltechnik. Fünf oder sechs Zeitebenen im Wechsel, und nie reißt der Erzählfaden ab, nie fühlt sich der Leser verwirrt. Ein großer Unterhaltungsroman, gar keine Frage. Hier hatte ich wirklich das Gefühl, etwas zu lernen.

Beispiel vier: Iny Lorentz. Das war der Tiefpunkt. Davon war ich ziemlich lange überzeugt. Noch vor wenigen Jahren wären solche Texte maximal in Form von Lore-Romanen erschienen. Schlecht geschrieben, schlecht recherchiert, Figuren platt wie Abziehbilder. A pain in the ass, wie die angelsächische Welt formulieren würde. Die in aller voyeuristischen Detailverliebtheit geschilderten Gräuel (angeblich diejenigen des Dreißigjährigen Krieges in diesem Fall) werden nur noch übertroffen durch die Gräuel der selbstauferlegten Verpflichtung, einen Text wie „Die Feuerbraut“ lesen zu müssen. Die Spannung, mit der eine solche Geschichte zu verfolgen ist, ist dieselbe Sorte „Spannung“, mit der Verkehrsteilnehmer vor einer Unfallstelle abbremsen: Ja, wo sind sie denn nun, die blutigen Leichenteile?

Beispiel fünf: Nora Roberts. From bad to worse. Superlative wage ich mittlerweile nicht mehr aufzustellen. Lorentz war immerhin noch ein fortlaufender Text. Satz zwei ließ sich gedanklich einigermaßen logisch mit Satz eins verknüpfen. Bei Frau Roberts „Grün“ ist das entschieden nicht der Fall. Position, Gedanken, Zustand der Protagonisten sind schlicht nicht nachvollziehbar. Die Perspektive springt von Satz zu Satz munter von einem Kopf in den nächsten. Figurenzeichnung: unterirdisch. Ambiente: ebenfalls Lore-Roman-Niveau. Spannung: Hey, es geht um das Schicksal der Welt – aber wie soll Spannung aufkommen, wenn die Autorin (die Übersetzerin? das namenlose Lektorat?) keinen vollständigen Satz bilden kann? Wenigstens war’s nicht so widerlich wie bei der Lorentz.

Fazit: Einmal hervorragend, einmal durchmischt, einmal (McDermid) rätselhaft und zwei Mal … wo ist mein Spucktüchlein?



So weit an dieser Stelle … It’s a dirty job, I know, but somebody’s got to do it.

Aktuelle Besprechung der „Letzten Offenbarung“ bei ciao.de – Was soll ich sagen? Ich kann keinen Leser mit der Nase ins Buch drücken: Hey, hast du die zweite Ebene nicht gesehen? Die Parallelität des Erzählten? Amadeo MUSS leiden, damit er aus dem Grabe auferstehen kann! Aber ich freue mich, dass das Buch eben doch als Spannungs-/Unterhaltungsroman funktioniert. Schließlich – back to the start: Ich bin schon ganz gern erfolgreich.



Mein eigenes aktuelles Manuskript aktuell bei 242 Seiten. Erste zarte Andeutungen: Handlungsort: eine Hallig im nordfriesischen Wattenmeer. Genre: Mystery/Coming of age. Personeninventar: eine recht toughe junge Dame von achtzehn Jahren, ein vage verpeilter dänischer Ermittler, ein aus der Zeit gefallener friesischer Inseltyrann und – in ihrer ersten Gastrolle – eine dem ein oder anderen Leser möglicherweise vertraute Forensikerin mit Kurzhaarfrisur. Soundtrack beim Schreiben: Depeche Mode – „Ultra“. Das eigentliche Thema findet sich dort eins zu eins wieder.

Die Illustrationen zu diesem Beitrag aufgenommen in den vergangenen Wochen in und um Bad Bodenteich – größtenteils mit meiner neuen Medion 12.0 Megapixel vom Aldi.

Bis zum nächsten Mal bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother



Notwendige Nachschrift: Kollegenschelte ist was ziemlich Unschönes, und ich gestehe, dass auch ich ein gewisses Magengrimmen habe, mich negativ über Romanveröffentlichungen zu äußern. Auf der anderen Seite: In Zeiten von Books on Demand kann im Grunde jeder Mensch, der des Schreibens kundig ist, Schriftsteller sein (und, siehe oben, offenbar auch etliche Zeitgenossen, auf die das ganz offenbar nicht zutrifft mit der Schreibekundigkeit). Mithin bestände die gesamte Welt aus meinen „Kollegen“ und ich müsste schon mal pauschal den Mund halten. Aber das, bei aller Liebe, seh’ ich nun doch nicht ein.

Dienstag, 30. November 2010

Ich Hase Dich Arschloch!

Ein frostklarer Wintermorgen im idyllischen Minden-Rodenbeck. Gut, das eine oder andere Detail im vorangegangenen Satz mag nicht völlig exakt sein (wir rekurrieren auf das 'idyllisch'), doch im Großen und Ganzen stimmt's. However ...



Ich komme aus dem Grübeln nicht raus, was der Autor mir eigentlich mitteilen wollte. Ob vielleicht eine clevere Mehrdeutigkeit angestrebt war ("Ich Tarzan, Du Jane"; "Ich Hase, Du Arschloch")? Andererseits ist das "Dich" eindeutig ein Akkusativ. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Die Identität des Autors hat sich leider nicht klären lassen - nicht einmal die Spezies; frostklar war's aber kein nennenswerter Schnee und damit auch keine Hasenfährte. Die Großschreibung in der Anrede spricht möglicherweise für eine gewisse konservative geistige Grundhaltung.

Wie geschaffen also für das Ausflugsziel des Tages: Burg Bentheim. Hatte ich mir schon im Vorfeld auskuckt, als der Wochenendbesuch bei Schwiegermutter in Minden-Rodenbeck, dem idyllischen, anstand.



Nun ist die Borniertheit des Menschen potentiell grenzenlos (wie wir seit 'Buddenbrooks' wissen *g*). Wir tragen unsere Vorurteile mit uns rum und sehen sie beim ersten fassbaren Indiz in vollem Umfang bestätigt - ob sie nun potentiell gewalttätige Hasen in Minden-Siewissenschon anbetreffen, hinterwäldlerische Abkömmlinge der Konföderierten (mir wurde ganz übel angesichts der Bagage in der bei Schwiegermuttern aufgefundenen Karin Slaughter-Lektüre - und das waren noch die Sympathieträger) oder den Erbprinzen von Bentheim, der mich aus dem offiziellen Burgführer heraus in einem Jackett anlächelte, bei dem mich die Erinnerung an die Sesselbezüge meiner Großmutter beschlich. Wie mein Onkel gesagt hätte: "Seltsames Völkchen da in der Grafschaft Bentheim, aber Burgen bauen die ..."



Burg Bentheim ist aus etlichen Gründen spannend: Am Anfang steht die Geologie (was ja ganz passend ist). Auf dem Bentheimer Sandstein erhebt sich nicht allein die Burganlage, sondern er war jahrhundertelang - und ist bis heute - auch ein international begehrter Baustoff, aus dem der Fama nach sogar der Sockel der New Yorker Statue of Liberty besteht. Eindrucksvoll ist er auf jeden Fall, dieser Sandsteindurchbruch in einem Gebiet, das ja recht eindeutig der norddeutschen Tiefebene zuzurechnen ist.



Da er aber nun mal da war seit ein paar Millionen Jahren, lag es für die Altvorderen nahe, ihn auch zu nutzen. Die Spuren militärischer Anlagen lassen sich an diesem Ort offenbar über ein Jahrtausend hinweg zurückverfolgen. Kaum verwunderlich ist Burg Bentheim eine der ganz wenigen Höhenburgen der Tiefebene.
Die heutige Anlage ist allerdings vor Allem in der frühen Neuzeit entstanden, bevor größere Auseinandersetzungen - namentlich der Dreißigjährige Krieg, der hier, nahe der Grenze zu den holländischen Generalstaaten, ein achtzigjähriger war - an ehrgeizige Bauprojekte nicht mehr denken ließen. Den Burgherrn zum Leid, dem Besucher des einundzwanzigsten Jahrhunderts zur Freude; so blieb das Ensemble im Wesentlichen intakt, von den historistischen Ausschmückungen des Kaiserreichs (Neuschwanstein im Emsland) mal abgesehen.



Auf jeden Fall müssen wir zur wärmeren Jahreszeit noch mal hin. Nicht auszuschließen, dass die Barockgärten dann noch inspirativer daherkommen.



Bis dahin aber - wenn nicht gar früher - bleibe ich für heute Ihr und Euer


Stephan M. Rother

PS: Aus irgendeinem Grunde scheint man in der Schweiz an der eBook-Version des Babylon-Virus einen Narren gefressen zu haben - bei bol.ch war's mehrere Tage in den Verkaufs-TopTen. Ich werde weiter berichten.

Sonntag, 21. November 2010

And though I often passed them by

Ein bisschen hab ich schon Sorge, dass mir in nächster Zeit die Zitatzeilen aus Professor Tolkiens so unerhört inspirativem Wandergedicht ausgehen. Einige Kandidaten sind wohl sowieso nicht zu verwenden – East of the Sun, west of the moon z.B. wurde weiland von A-ha als Albumtitel adaptiert und könnte zu Missverständnissen führen. We’ll see. Ggf. muss ich ins Quenya wechseln.

Für dieses Mal jedenfalls dürfte der Betreff noch, nun, trefflich passen.

Wer kennt das nicht? Da fährt oder läuft man ein Dutzend Mal achtlos an irgendwas vorbei, kriegt es vielleicht gerade noch aus dem Augenwinkel mit und denkt sich: Hey, nächstes Mal schaust Du Dir das aber richtig an. Naja, und irgendwann geht’s dann wirklich ab East of the sun usw., und man ärgert sich eine halbe … okay, eine ganze … Ewigkeit, dass man das nie gemacht hat.



Entsprechend hatte ich in den letzten Tagen das Bedürfnis nach Nägeln mit Köpfen. Hängt sicherlich auch mal wieder mit der Jahreszeit zusammen. Wenn wir die Wetterprognosen verfolgen (und ich verfolge sie intensiv), dürfte es mittelfristig deutlich ungemütlicher werden (was dann vielleicht keine dermaßen gewagte Prognose ist Ende November).



Eine ganz seltsame Sache ist es mit Bardowick. Der „Dom“ in dem sympathischen Flecken nördlich von Lüneburg kann ja stellvertretend für ein eindrucksvolles Kapitel der Geschichte stehen: Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern i.R., kehrt nach jahrelanger Verbannung in die Heimat zurück und beschließt, dort weiterzumachen, wo er aufgehört hat. Nachbarn und Standesgenossen drangsalieren usw., Machtpolitik im mittelalterlichen Maßstab. Und nicht allein wegen der hübschen Alliteration, sondern auch, weil es ihm ein Dorn im Auge ist, dass die Stadt seinen vom Kaiser eingesetzten Nachfolger, den Askanier Bernhard, unterstützt.



Die Details der Einnahme Bardowicks – ein Ochse, der den Mannen des Herzogs eine Furt durch die Ilmenau gezeigt haben soll – mag man in den Bereich der Fama verweisen. Anderes ist immerhin gesichert: vestigia leonis lässt Heinrich am Bardowicker Dom verkünden: die Spur des Löwen. Und er hat gewaltig zugetappst, der Löwe. Die Siedlung erholt sich nie wieder vollständig. Gewinner ist das von Heinrich und seinen Nachkommen protegierte Lüneburg. Einzig bleibendes Zeichen einstiger Größe ist der Dom, obwohl auch der erst zweihundert Jahre später in seiner jetzigen Form entstanden ist. Vermutlich wollten die Bardowicker noch mal ein Zeichen setzen. Ist gelungen. Auch wenn’s schon recht finster war, als ich dort eintraf.



Das Entscheidende ist, dass ich's diesmal wirklich geschafft habe. Von Ferne betrachtet habe ich das gute Stück nämlich bereits mehrfach (von der A 250 aus ist es recht gut auszumachen) - aber eben nur wie Moses das Gelobte Land. Wobei es so ganz noch immer nicht geklappt hat, Kanaan-technisch. Ab 16 Uhr ist die Kirche verschlossen. Die oben dokumentierte Lichtverhältnisse geben vielleicht eine ungefähre Ahnung, wie spät es war. Genau. Sechzehn Uhr sieben. Sie sind verdammt pünktlich, die Bardowicker. Vielleicht war's das ja, was dem Löwen so auf den Senkel ging.



Etwas heller sah es dagegen vergangenes Wochenende aus, im wahrsten Sinne des Wortes. Meine Frau und ich hatten uns trotz subtropischer Luftmassen entschlossen, eine Exkursion zum „Höllberg“ zu unternehmen. Zu dieser Anhöhe habe ich eine besondere Beziehung, als Mensch und Autor gleichermaßen (wobei streng genommen nicht wenige Autoren nebenher auch Menschen sind). Geologisch gesehen ist der Höllberg Teil des Endmoränenriegels, der das Uelzener Becken nach Süden hin abschließt. Gleichzeitig stellt er beinahe die Verbindung zwischen den eindrucksvollen eiszeitlichen Fomationen der Hohen Heide und dem Drawehn im Hannoverschen Wendland her. Und dieses Beinahe ist entscheidend, denn ihm verdankt der Höllberg schon seinen Namen: Die Wurzel Hell- kann in älteren Schichten des Niederdeutschen nämlich für einen steilen Abgrund, eine tiefe Kuhle stehen, nicht selten also für einen Quellort. Einen Ort, an dem etwas verborgen ist (im ‚Adler der Frühe’ zum Beispiel Magister Wasmod von dem Knesebeck). Ein Ort von jener Sorte ganz besonderer Magie, die es mir bekanntlich angetan hat. Den Altvorderen sowieso – wie sich der Begriff der christlichen Hölle entwickelt hat via Zugang zum Totenreich, ist nachvollziehbar.



Hinzu kommt aber bei diesem besonderen Höllberg die biographische Verknüpfung. Am Südhang des Höllbergs hat schon meine Mutter „nach dem Krieg“ das Fahrradfahren gelernt (ist wirklich eine recht steile Strecke, schwer einsehbar; wie manche Leute da fahren, hat man den Eindruck, es könnt’ ihnen gar nicht schnell genug gehen mit der Hölle). Am eindrucksvollsten ist allerdings der Westhang der Anhöhe, der Punkt nämlich, an dem die Ilmenau von Süden her die Endmoränenstaffel durchbricht und ins Uelzener Becken eintritt. Eindrucksvoll natürlich nach Maßstäben der norddeutschen Tiefebene! In Nordostniedersachsen darf man keine Loreley erwarten.
Ich selbst wollte mir den Ort jedenfalls unbedingt mal wieder ansehen, nachdem ich – zumindest am Ostufer des Flusses – zuletzt vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren mit meinem Großvater dort war, dem Meister Emil aus dem ‚Adler der Frühe’. Heute wüsste ich zu gerne, ob er auch „diesen Blick“ hatte. Leider hat er das nie verraten, mir jedenfalls nicht. Er schätzte mich nicht sonderlich. Damals waren wir zum Schwimmen hier, was uns als Kindern sehr, sehr abenteuerlich vorkam – und vermutlich auch ziemlich abenteuerlich war, wenn auch vor allem auf Grund der Wasserqualität zu diesem Zeitpunkt.



Diesmal jedenfalls war alles anders. Auch hier möchte ich über den Besuch selbst nicht zu sehr ins Detail gehen. Die Bilder, denke ich, sprechen für sich. Copyright der Höllberg-Fotos by meine Frau.

Ich muss da unbedingt in den nächsten Monaten noch einmal hin. Die Frage ist eigentlich nur, wie stark die Schüttung der Druckhangquellen nun wirklich ist. Auf den ersten Blick sieht’s nicht so gewaltig aus, aber wir haben im Wasser Stichlinge gesichtet, und die sind eigentlich recht empfindlich. Doch wir werden sehen. Wenn das Gewässer leidlich still ist, bekommen wir dann zumindest ein wenig Variation im Betreff … „Hell freezes over“.

Bis dahin, wenn nicht vorher, bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

PS: Mein aktuelles opus, due out im Herbst 2011, bin ich jetzt auf Romanlänge. Doch davon mehr – demnächst.

Donnerstag, 11. November 2010

Von Liebe und Bettkanten

Einen interessanten Service bietet neuerdings das Forum Lovelybooks - Bestenlisten der besonderen Art nämlich.

Ich gebe zu, ein kleines bisschen wird mir schon warm ums Herz, wenn ich feststelle, dass ich dort in der Kategorie "Diese Autoren mögen ihre Leser" auch ein kleines Plätzlein gefunden habe (gegen Ende, auf Platz 29, den ich mir mit sechs anderen Autoren teile. Also noch mehr herzerwärmende Nähe). Gut, ich habe drei Punkte bekommen, Sebastian Fitzek hat schlappe hundertfünfzig, aber trotz alledem ... Der hat schließlich auch Haare. Unfairer Vorteil. Kein Wunder, wenn ihn dann ...

Entschuldigung. Jetzt kam gerade das böse Erwachen. Für einige Sekunden war ich dann doch ein wenig verschnupft, als ich diese andere Kategorie entdeckte: "Autoren, die wir nicht von der Bettkante stoßen würden". Und wer ist nicht dabei? Moi!


Aber dann hab ich gesehen, dass dort sowohl xx. xxxxxxxx xxx xxxxxxxxxxxx* als auch Professor Tolkien seligen Gedächtnisses auftauchen - und überlege seitdem, was ich eigentlich gruseliger finde. Vielleicht geht's in diesem Fall dann doch um sehr individuelle Befindlichkeiten.

Warum erscheint da eigentlich Diana Gabaldon nicht? Die ist doch wirklich niedlich. Und meine Frau??? Banausen! Wisst Ihr nicht, dass meine Frau auch schreibt?

Davoneilend, um die Sorgen in heißem Kakao zu ertränken bleibe ich an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother

* Name getilgt. Meine Frau hat mir untersagt, lebende Kollegen zu beleidigen. Muss ich durch. Hey, Welt. Dann glaub' eben weiter, dass ich mit dem Kerl ins Bett will.

Montag, 8. November 2010

Street-View

Unheimliche Begegnungen Teil II? Ein Titel, der für diese kurze Zwischenmeldung vielleicht ebenso geeignet gewesen wäre.

Wie jüngst berichtet, sind Lucy und ich ja viel unterwegs in letzter Zeit - wobei das bei den aktuell vorherrschenden Temperaturen heuer nicht immer und unter allen Umständen ein reines Vergnügen ist. Auf der anderen Seiten begegnen uns - dem Roller und mir - dann aber doch immer mal überraschende Ein- und Ansichten.

Die Leser des ersten Dorian Grave-Bandes werden sich vielleicht an die Szene erinnern, in der Hauptkommissar Rabeck und sein Assistent Yawuz "Parzival" Cornelius Waldlingens Starautor Rainer Hartheim aus einer Art Hochsicherheitsgefängnis des Staatsschutzes loseisen. Wobei dieses Gefängnis kein echtes Gefängnis ist, sondern dieser Tage ein Stück weit im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht - als Einsatzzentrale im Rahmen des Castor-Transportes ins Endlager Gorleben. Entsprechend viel ist gegenwärtig auch hier im Ort los.
Aufgenommen heute Nachmittag - ein wenig verwackelt wegen Helm und Visier.



Bei der Castor-Angelegenheit schlagen ein Stück weit - aber auch nur ein Stück weit - zwei Herzen in meiner Brust. Zum Einen bin ich wie jeder denkende Mensch der Meinung, dass Atomenergie eine gefährliche und kaum zu verantwortende Angelegenheit ist. Wer auch immer das zum Ausdruck bringt, hat meine Unterstützung. Auf der anderen Seite legitimiert der Ausdruck einer Meinung in meinen Augen keine Gewalttätigkeiten. Wenn irgendwelche Menschen anfangen, das Gleisbett zu unterhöhlen, auf dem in allernächster ein Gefahrguttransport stattfindet, wenn versucht wird, bemannte Einsatzfahrzeuge der Hoheitsgewalt anzuzünden - dann gibt es für mich keine Grauzone mehr. Dann fehlt mir jedes Verständnis. In solchen Momenten überkommt mich ein gewisses Unwohlsein, dass die Vertreter der Staatsgewalt oft etwas schlecht wegkommen in meinen Romanen.
In diesem Moment jedenfalls stehe ich vollständig auf ihrer Seite.

Ich musste das einfach mal loswerden.

Sonntag, 31. Oktober 2010

Ab geht die Lucy ...

... zwar nur mit maximal 45 Sachen (nominell), aber wenn man sich, verehrte Leserschaft, sein Leben lang immer nur auf vier Rädern bewegt hat (zumindest in der motorisierten Variante), ist auch das schon ein ganz beachtliches Erlebnis. Für die Mitmenschheit sowieso.

Ich möchte vorstellen: Lucy.



Nein, nicht das Wesen im Sattel. Das bin ich. Lucy ist technisch gesehen eine Generic Ideo 50, theoretisch ein exorbitant großes Geschenk zu meinem zweiundvierzigsten Wiegenfest und praktisch ein Beitrag zur Erhaltung meiner körperlichen wie geistigen Gesundheit. Wir hatten uns ja - wie, zugegeben, an dieser Stelle nicht berichtet - Anfang des Jahres entschlossen, den Zweitwagen, den fossile Rohstoffe verschlingenden, abzuschaffen. Und das Gegenstück braucht meine Frau für den Weg zur Arbeit. Aus der Not eine Tugend machend waren dann diverse Wanderungen meinerseits die Folge und eine damit einhergehende intimere Kenntnis des Gebiets in fünf Kilometer Umkreis um meinen Schreibtischstuhl. Nicht, dass ich das nicht genossen hätte, doch liegen die Dinge nun einmal so, dass sich der eine oder andere Ort, der mir eine Menge bedeutet (wir erinnern: Mönche, Nebelmonster, feuerspeiende Drachen), doch eher in fünfzehn oder zwanzig Kilometer Entfernung befindet. Sprich: Ein bisschen weit, um pünktlich zum Christstollen wieder zurück zu sein. Es sei denn, wir ahnen es, mit Lucy.

Entsprechend ist es mir in den letzten Wochen dann auch gelungen, den einen oder anderen jener Orte aufzusuchen, die mir in der jüngeren Vergangenheit versperrt waren. Oder es vielleicht immer noch sind. Naja, theoretisch ...







Um es kurz zu machen: Diese Orte sind eine Inspiration für mich. Für das, was ich schreibe.
Keine Orte, keine Bücher. --> Keine Bücher, keine Einnahmen (für mich; nichts zu Lesen für Sie). --> Keine Einnahmen, keine Lucy. --> Keine Lucy, keine Orte.
So schließt sich der Kreis.

Ergo: Freuen Sie sich mit mir über unsere allerliebste Höllenmaschine.

Sie haben sie schließlich bezahlt.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 25. September 2010

But round the corner there may wait

Wie unschwer zu erkennen, haben Professor Tolkiens Gedichte es mir im Moment mal wieder besonders angetan. Vielleicht liegt's an der Jahreszeit. Ich bin ja ein Zugvogel, und gerade wenn der Herbst mit Nebel und grauem Morgentau seine Fühler ausstreckt, hält es mich oft schwer auf den Hinterbacken.



Noch schwerer aber fällt das Umkehren. Wer die Karte der näheren Umgebung einigermaßen genau im Kopf hat, weiß zwar sehr genau, wohin dieser oder jener Weg führt, was dahinterliegt, wenn man jetzt rechts abbiegt, und dann, hinter der nächsten Wegbiegung ... Auch die größte Reise beginnt mit dem ersten Schritt, wie sich Mr Baggins/Beutlin äußerste. Zugvogel der ich bin habe ich meine Wanderungen jedenfalls fortgesetzt und bin dabei - Koinzidenz? - den Spuren der einen oder anderen Geschichte gefolgt, die der Leser möglicherweise kennt.

Ich habe die wichtigsten Schauplätze für den 'Adler', das 'Geheimnis' bzw. den 'Fluch des Dorian Grave' hier einmal zusammengestellt.
Eine größere Darstellung, auf der die Landmarken dann auch zu erkennen sind, findet sich hier.



Linien schwarz:
Asphaltierte Straßen (dick)
Fuß-/Reit-/Radwege (dünn)

Linien blau:
Elbe-Seiten-Kanal (dick)
Bachläufe (dünn)

Linien violett:
Bahnlinien

Symbole rot:
Siedlungen

Örtlichkeiten mit Bezug zum „Adler der Frühe“ (grün)
1) *Kloster Hartheim
2) Burg Bodenteich
3) Angriff auf Schwester Agnetha und Bruder Bjørn (Topogr. Landesaufnahme 1771)
4) Meister Emils Schweinemast
5) Versteck des Magisters (Höllberg; Dt. Grundkarte 1:5.000 et al.)
6) Hügelland, Herrschaftsgebiet des Roten Drachen

Örtlichkeiten mit Bezug zum „Geheimnis des Dorian Grave“ (blau)
1) *Waldlingen / Klosterruine Hartheim
2) *Kerkendorf
3) Flowing Blackness – (Erdölförderanlagen beiderseits der Straße Dreilingen-Unterlüß; Dt. Grundkarte 1:5.000 et al.)
4) Sometimes right is really wrong – (Abzweigung Waldweg Richtung Süden)
5) Interlude – (Waldweg)
6) Train – (Bahnstrecke Hannover-Celle-Uelzen-Hamburg)
7) Forstort Schoten bei Hösseringen – (Versammlungsort der Lüneburgischen Ritterschaft; Schweinemast; Topogr. Landesaufnahme 1770)
8) Erhaltene Reste des Engelsweges mit Pflaster aus der frühen Neuzeit
9) Breitenhees (Fernstraßen aus Celle, Lüneburg und Braunschweig, der Hauptorte der Söhne Heinrichs des Löwen, treffen aufeinander)
10) Ort von Dorian Graves Unfall (nahe Suderburger Kreisel)
11) Ursprung des Daller Bachs bei Dalle und Lohe (Dt. Grundkarte 1:5.000 et al.)
12) Heutiges Aufeinandertreffen der Kreise Gifhorn, Uelzen und Celle
13) Mordahlsgrund
14) Ketzloh
15) Wolfswinkel
16) Albeloh
17) Eidesloh
18) Espenloh

Örtlichkeiten mit Bezug zum „Fluch des Dorian Grave“ (orange)
1) *Waldlingen / Klosterruine Hartheim
2) *Kerkendorf
3) Seishorn (Topogr. Landesaufnahme 1771); Saison (Dt. Grundkarte 1:5.000)
4) Steinschütte auf der linken Seite des Asphaltweges (Dt. Grundkarte 1:5.000; Urmesstischblatt von 1899 verzeichnet Hügelgräber)
5) Bannhorst (Dt. Grundkarte 1:5.000 et al.)

Anmerkung: Liebe potentielle Kirchenkiller. Natürlich bietet sich u.U. die Chance, mich an einer der dargestellten Örtlichkeiten ohne Zeugen um die Ecke zu bringen, wenn ich da mal wieder rumlaufe. Ich bitte aber zu bedenken, dass die Chance, dort auf mich gestoßen, bedeutend geringer ist als die Aussicht auf eine Begegnung mit a) Wildschweinen, b) untoten Mönchskreaturen aus dem Nebel oder c) dem Hartheimschen Familiendrachen.

Ich jedenfalls hatte in letzter Zeit einige höchst sonderbare Begegnungen.



Vor einigen Wochen hatte ich ja von unserer Aktion zum Adler der Frühe berichtet: Wir haben achthundert Exemplare des Romans an die Kurverwaltung in Bad Bodenteich übergeben, und sechs Euro von jedem verkauften Exemplar sollen den örtlichen Naturschutzprojekten zu Gute kommen. Zugegeben: Eine Prise Egoismus ist natürlich auch dabei; schließlich laufe ich da ständig rum und freue mich dran. Doch in den letzten Wochen wollte ich ganz bewusst Örtlichkeiten aufsuchen, die im Adler-Roman eine besondere Rolle spielen: Das Hügelland, über das der Rote Drache herrscht, Magister Wasmods Zufluchtsstätte oberhalb der Ilmenau, wo es zu jener unerwarteten Begegnung mit dem *hüstel* Schwertkämpfer kommt, aber als Fernziel auch jenen Ort, der damals "Hartheim", in späterer Zeit aber "Waldlingen" genannt wird - in "dem Kosmos", versteht sich. Eine liebe Freundin bezeichnet das Grave-Universum als "Kosmos", und ich finde immer mehr Gefallen an dieser Bezeichnung.



Jedenfalls war ich vergangene Woche in einem besonderen Winkel dieses Universums unterwegs, an der Magister-Schwertkämpfer-Begegnungsstätte nämlich, die sich bei genauer Lektüre als der Höllberg identifizieren lässt, der sich am am Ostufer der Ilmenau unweit des Dorfes Overstedt erhebt. Zu Fuß ist das ein Spaziergang von vielleicht anderthalb Stunden hin und zurück; und das Schöne ist, dass ich auf diese Weise ein Gefühl dafür bekomme, wie das für Schwester Agnetha und den, yep, Schwertkämpfer ausgesehen haben mag. Nun billigt der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz dem Ilmenaulauf zwischen den Dörfern Overstedt und Kuckstorf lediglich die Strukturgüte IV zu ("deutlich veränderter Gewässerabschnitt"), aber für mich sieht's einigermaßen urig aus (lediglich die Betonbrücke stört, die vermutlich ein älteres hölzernes Bauwerk ersetzt, das auf dem Urmesstischblatt von 1877 zu erkennen ist).



Als ich diesen Pfaden folgte, befand ich mich auf eine seltsame Weise inside the story, sah vor mir, wie Schwester Agnetha und ihr Begleiter ihre Pferde den steilen Hügel hinabtreiben, erst unten im Dorf am Schöpfbrunnen wieder Halt machen ... Den Schöpfbrunnen habe ich mir dabei einen Ort weiter geliehen, in Häcklingen, aber wir dürfen wohl davon ausgehen, dass zu Schwester Agnethas Zeit in Kuckstorf ein Gegenstück vorhanden war.

Sonst jedenfalls war alles da: die steile Anhöhe, der Platz unter den alten Eichen, die beiden Reiter ... Die beiden Reiter?

(Herzlichen Dank an die zwei- und vierbeinigen Angehörigen der Familie Fuhrmann für die Fotoerlaubnis).

Yep. Ich war dermaßen perplex, doch ich musste sie einfach im Bild festhalten, obwohl ich ins Stottern kam, als ich meine Beweggründe erklären wollte - bis eine der Damen plötzlich blinzelte: "Sie sind doch Herr Rother?" Die Antwort, ein korrigierendes "Ich bin der Geist, der stets verneint", blieb mir im Halse stecken. An und für sich war ich der Meinung, ich hätte mich wie üblich bis zur Unkenntlichkeit getarnt (weniger wegen der Passanten; aber beim Drachen weiß man nie, ob er nicht noch ein Hühnchen mit mir zu rupfen hat. Und dieser Kerl im dunklen Mantel - auch da lässt sich schwer sagen, wo und vor allem wann er ist).



Wie auch immer ... Die Dame wandte sich an ihre Begleiterin (Tochter): "Das ist dein Schriftsteller!" und es entspann sich ein kleiner Dialog über die Dorian Grave-Bände. Ein seltsames Erlebnis. Ich musste wieder an Rilkes Charakterisierung der 'Buddenbrooks' denken, über das Leben, das gut und gerecht ist, indem es geschieht. In Wahrheit sind wir tatsächlich inside the story.

Einige Tage später. Der 22. September, Bilbos und Frodos Geburtstag. Das war mir gar nicht bewusst, but round the corner ... Diesmal in Richtung Waldlingen und Danlo, wo Nebelkreaturen hausen und eine spezielle Form der Elektrizität. Gut, das Wetter war klar und sonnig, aber der Turm war mir schon aus anderthalb Kilometer Entfernung ins Auge gefallen, aber als ich dann davor stand, war ich doch wieder sprachlos (was den Turm weniger irritiert haben dürfte als die Reiterinnen).




Erscheint es verwunderlich, dass ich dieser Tage einigermaßen inspiriert bin in Sachen Schreiben?

Bis zum nächsten Mal bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Dienstag, 7. September 2010

The road goes ever on and on

EINS. Verdammich, verehrte Leserschaft, da hab ich doch was großspurig angekündigt, und dann ist’s doch irgendwie untergegangen … Wir erinnern uns: Hier in meinem Büro gibt es eine Reihe von Schubladen (die beiden unteresten klemmen ein wenig), in denen ich Manuskripte und Entwürfe sammle, die im Laufe der *schauder* bald drei Jahrzehnte angefallen sind, in denen ich jetzt schreibe. Neben Romananfängen und drei oder vier vollständigen Romanmanuskripten, die (maybe for the best) bis heute nicht erschienen sind, verstecken sich dort auch eine Reihe von Geschichten aus dem „Waldlingen-Universum“, an dem ich ja seit unter dem Strich schon seit zwei Jahrzehnten zu Gange bin. Da es in diesem Jahr nun keinen neuen Dorian Grave-Band gibt und ich gleichzeitig von den Kettenlesern angesprochen wurde, ob ich nicht Lust hätte, etwas zu ihrer Sommeraktion beizutragen, habe ich das Konvolut einmal ein wenig entstaubt und eine Story ausgewählt, die mir zum Thema Sommer und Urlaub recht gut zu passen scheint – oder gerade nicht? Die Leserschaft möge selbst entscheiden.
„An der Grenze“ ist siebzehn Jahre vor „Das Geheimnis des Dorian Grave“ angesiedelt und damit vor Leonies Geburt. Vertraute Gesichter kann ich trotzdem versprechen. And here it is:

http://www.kettenleser.net/forum/index.php?page=Thread&threadID=569



Sarah und Katja von den Kettenlesern haben uns übrigens vergangenen Monat hier in unserem Domizil ihre Aufwartung gemacht und mich mit neugierigen Fragen rund um Leonie, Dorian, aber auch um Amadeo Fanelli und Professor Helmbrecht gelöchert. Sobald das Interview online nachzulesen ist, werde ich … Hm, vielleicht sollte ich den Mund nicht zu voll nehmen diesmal. Aber ich geb mir Mühe; zumindest das ist versprochen.

Es sind ereignisreiche Wochen im Moment. Vielleicht wäre es sinnvoller, häufiger einmal kleinere Bloghäppchen einzustellen, wenn es Neues mitzuteilen gibt (vermutlich ist das ja gar der grauenhafte Sinn der Bloggerei). Jedenfalls, Punkt zwei des heutigen Sermons betrifft eine Aktion, die mir sehr, sehr am Herzen liegt:



ZWEI. Vor ziemlich genau zehn Jahren (ein Monat fehlt noch) ist mein Debütroman „Der Adler der Frühe“ in einem kleinen Mittelalter-Verlag erschienen. Nun war dieses Buch – wohl aus Vertriebsgründen – niemals in größerem Ausmaß im Buchhandel erhältlich; in den letzten Jahren faktisch gar nicht mehr. Ich habe das immer sehr bedauert, der Verlag sicher noch viel mehr (er hat’s schließlich finanziert). Schließlich trägt sich die Handlung der mysteriöse Geschichte an keinem geringeren Orte zu als hier. Ja, genau hier, im Marktflecken Bodenteich. Allerdings nicht jetzt, sondern im Jahre des Herrn 1292. Dabei ist die Geschichte aktueller denn je.



Wer den „Fluch des Dorian Grave“ konsumiert hat, wird dort einem geheimnisvollen, wechselweise Latein, Arabisch und Hebräisch sprechenden Schwertkämpfer begegnet sein, und genau dieser Schwertkämpfer … Aber ich will nicht zu viel verraten. Gut informierte Kreise behaupten jedenfalls, dass die unheimlichen Erlebnisse der Augustinernonne Agnetha, der Amme Annafrid, des Undercover-Franziskaners Bruder Björn und des Schmiedes Benno die Lektüre lohnen. Seltsame Namen? Hey, das Pferd heißt „Fernando“. Noch Fragen? Aber ich glaube, das hab ich alles schon einmal erzählt.



Worüber ich nun noch nicht berichtet habe, ist Folgendes: Nachdem es mir gelungen ist, die Restauflage des „Adlers“ komplett vom Verlag aufzukaufen, war die Frage, was ich damit anfange. Wie gesagt, das Buch ist gut, aber ich brauche keine achthundert Stück davon. So entstand der Plan zu einer außergewöhnlichen Aktion:
Die Handlung des Romans trägt sich wie gesagt in Bodenteich zu, und der … nennen wir ihn weiter den Schwertkämpfer; ich will nicht zu viel verraten … Der Schwertkämpfer ist sehr viel in eben jenen Wäldern unterwegs, durch die auch mich meine Expeditionen führen. Ein wenig menschenscheu ist er auch (wobei ich immer höflich grüße; große Teile der Population erwidern das auch, Einzelfälle, Rehe, Nacktschnecken ausgenommen) … Er ist ein Kräuterkundiger, dieser Schwertkämpfer, steht mit dem Tanacetum und dem Febrefugiam auf Du und Du, versteht sich auf den Flug der Greifvögel. Das Gebiet unseres freundlichen Kurorts muss in jener Zeit tatsächlich auf weite Strecken einem gigantischen Erlenbruchwald geglichen haben mit Heide (hierzulande faktisch eine Kulturlandschaft; durch Rodung entstanden) und Wald in den höher gelegenen Regionen. Eine Landschaft von ganz eigener, urtümlicher Faszination, die heute bis auf kleine Reste verschwunden ist. Diese Reste (einige Aufnahmen der letzten Wochen illustrieren diesen Beitrag) zu erhalten, ja, mitzuhelfen, begradigte Bachläufe in ihren natürlichen Zustand zurückzuführen, den Eisvögeln eine Heimat, Fledermäusen ein Quartier für den Winter zu geben … tausend Dinge, die mir am Herzen liegen. Daher die angesprochene Aktion.



Von jetzt an ist der Adler der Frühe wieder erhältlich. Nicht mehr für den ursprünglichen Preis von 8,59 Euro, sondern für glatte sieben Euro. Allerdings nur bei der Kurverwaltung auf der Burg zu Bad Bodenteich, die sechs Euro vom Verkaufspreis den Naturschutzprojekten rund um das Gelände zuleiten wird. Ein großer, gewaltiger Kreis, wie ich ihn liebe: Eine siebenhundert Jahre alte Geschichte leistet ihren Beitrag, ihr eigenes Erbe zu bewahren. Leider habe ich noch nicht herausgefunden, wo ich sehen kann, wie viele Leser auf mein Blog zugreifen, aber die Profilseite wurde wohl etwa sechshundert Mal angeklickt. Man stelle sich vor, die würden alle das Buch kaufen! Das wären dreineinhalbtausend Euro!!! … Da muss 'ne Fledermausoma lange für stricken. Deshalb meine Bitte: Wer schon immer mal ein Buch von diesem seltsamen Menschen lesen wollte, der sich da alle paar Wochen im Blog zu Wort meldet: Der Adler der Frühe ist jetzt zwar zehn Jahre alt, aber wirklich noch lesenswert. Bestellungen nimmt die Kurverwaltung Bad Bodenteich entgegen:

Kurverwaltung Bad Bodenteich
Burgstraße 8
29389 Bad Bodenteich

Telefon 05824 / 3539
Mail t.nowotny@bad-bodenteich.de



DREI. Noch gut ein Monat bis zur Buchmesse – und zum Erscheinen des „Babylon-Virus“. Ein neues Abenteuer mit Amadeo, Rebecca und dem Professor. Selbstverständlich werden wir in Frankfurt sein – nähere Details folgen. Ich freue mich wieder auf tolle Gespräche mit Euch und Ihnen, bleibe aber jetzt erst einmal in bewährter Weise Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Montag, 26. Juli 2010

Wichtig ist, was hinten rauskommt

Ein Diktum des Kanzlers der deutschen Einheit, verehrte Leserschaft, muss diesmal als Titel unseres Blogeintrags herhalten. Vielleicht ist dieser Titel nicht ganz unpassend gewählt; nach wochenlangem Schweigen soll an dieser Stelle von einer Melange von Ereignissen berichtet werden.
(Gerade kommt mir in den Sinn, dass auch beim Sommerrätsel der ZEIT nach einer ‚Melange’ gefragt war … irgendwas mit Baumrinde. Kein Schimmer mehr, was das war. Gelöst haben wir’s natürlich – da geht’s um die Ehre – aber irgendwie sollte die Lösung dann auch noch eingeschickt werden im Tausch gegen ein Wochenende auf einer mittelalterlichen Burg … Vielleicht verständlich, dass ich mir das nicht antun wollte. Das war einfach zu nahe am ehemaligen Berufsfeld.)

Doch zurück zur Titelfrage. Dieses Problem geht ja über knackig-kurze Blogeinträge hinaus. Genauer gesagt stellt es sich bei jeder Buchveröffentlichung, und mit Sicherheit werden auch Musiker und bildende Künstler mit dieser Schwierigkeit konfrontiert. Ich erinnere mich, dass Phil Oakey von The Human League einmal im Interview äußerte, natürlich könne man ein popeliges Instrumentalstück „Italian Disco No. 19“ nennen, aber „John Cleese – Is he funny?“ klänge doch wesentlich interessanter.
Wobei, interessant ohne Ende muss es ja nun auch nicht sein, das Leben. Ich befand mich ja bis vor wenigen Wochen in dem Glauben, an einem harmlosen, ruhigen Ort in der Lüneburger Heide zu leben. Keine erwähnenswerten Gefahren, abgesehen vielleicht von untoten Mönchskreaturen aus dem Nebel. - Aber nicht so! Keine fünfhundert Meter Luftlinie von unserem Domizil verläuft der Elbe-Seiten-Kanal; und was erblicke ich dort bei einem gemütlichen Abendspaziergang? MÖRDERISCHE GEFAHR!



Aber kommen wir zum Anfang zurück. Die Titelfrage also … Auf „Die letzte Offenbarung“ bin ich noch immer ein bisschen stolz – (also auf den Romantitel), der kommt auch von mir. Dass ein anderer Verlag wenige Monate später mit exakt demselben Titel nachzog – was soll ich das kommentieren? Glauben wir an das Gute im Menschen. Glauben wir an eine etwas plumpe Form des Kompliments.
In ihrem neuen Abenteuer werden sich Amadeo Fanelli, Rebecca Steinmann und Professor Ingolf Helmbrecht (und ein an dieser Stelle noch nicht genannter, aber hochkarätiger musikalischer Gaststar) nun mit dem ‚Babylon-Virus’ konfrontiert sehen. Ein, wie ich finde, ziemlich prägnanter Titel.
Die Lektoratsarbeit mit dem niegelnagelneuen Rainer Schöttle liegt inzwischen natürlich hinter uns, und ich behaupte, dass sie beiden Seiten einen Riesenspaß gemacht hat. Im Grunde unerklärlich: An sich wollten wir nur rasch ein paar grundsätzliche Gedanken zum Manuskript erörtern, aber auf einmal fanden wir uns mit der Frage konfrontiert, worin eigentlich der bedeutendere Beitrag Richie Blackmores zur Musikgeschichte besteht: Deep Purple oder Blackmore’s Night. Und, nein: Der Ritschie ist es nicht, unser musikalischer Gaststar. Jedenfalls haben alle diese Anregungen – von Rainer Schöttle, aber auch von Urban Hofstetter oder meinem Agenten Thomas Montasser, nicht zu vergessen die himmlischen Heerscharen der Betaleser – die wahre Essenz aus der babylonischen Geschichte herausgekitzelt. Zweieinhalb Monate noch, dann wird die geneigte Leserschaft die neuen Abenteuer verfolgen können.

Erfreulich und … Nein, der geneigte Leser wird an dieser Stelle nicht das Wort erstaunlich lesen. Jedenfalls hält sich die ‚Letzte Offenbarung’ nun die dritte Woche in den TOP 3 der Online-Bestseller beim Club Bertelsmann. Nun sind wir natürlich auch mit der Reaktion auf die reguläre Buchhandelsausgabe sehr zufrieden, aber das sind dann doch noch einmal etwas andere Dimensionen. Honi soit qui mal y pense, aber könnte es womöglich sein, dass das eher genretypische, düster-dräuende Cover eben doch sehr viel passender ist für diesen Titel? Einiges spricht dann doch dafür. Die Fakten zum Beispiel. Aber gut: Das Babylon-Virus kommt jedenfalls von Anfang an finster rüber.



Apropos finster: Vielfach spricht man mich darauf an, ob es in diesem Jahr keinen dritten Dorian Grave-Band geben wird. Darauf eine konkrete Antwort: Leider nein, nicht in diesem Jahr. Das war schon zeitlich nicht zu schaffen. Doch ich habe mir etwas anderes überlegt: Die Figuren aus dem Waldlingen-Kosmos treiben mich ja schon eine lange Zeit um, beinahe seit meiner eigenen Schulzeit. Ich musste schmunzeln, als ich in einer Amazon-Besprechung sehr schmeichelhafte Worte über die Authenzität der Teenager-Figuren las: Man könne glatt den Eindruck haben, meine eigene Teenagerzeit sei noch gar nicht so lange her. Nun, Vieles in, um und an Waldlingen reicht tatsächlich beinahe in meine Teenagerzeit zurück – allerdings auch auf eine vergleichbare zeitliche Ebene innerhalb des Waldlingen-Kosmos. Will sagen: Die Teenager in den frühen Waldlingen-Stories waren Rainer Hartheim, sein Kumpel Marco van Berg (die Dorian Grave-Bände erwähnen ihn als Tobis Onkel) und Nathalie Krade, die wir in Rückblicken als Leonies verstorbene Mutter kennenlernen.
Nun habe ich überlegt, ob und, wenn ja, in welcher Form man das ganze Konvolut der Leserschaft zugänglich machen sollte. Komplett überarbeiten? Mehr oder minder fragmentarisch belassen, im Stile des Tolkienschen Nachlasses? Wäre irgendwie verfrüht. Noch leb’ ich ja.
Da passte es irgendwie ganz gut, dass vor einigen Wochen eine Anfrage der Kettenleser – www.kettenleser.net – ins Haus schneite, ob ich nicht Lust hätte, einen kleinen Beitrag zum Sommerlesevergnügen (oder ähnlich) zu leisten. Einen Buchtipp oder ein Küchenrezept. Nun beschränken sich meine Rezepterfahrungen in der Regel auf die Kurztexte, welche auf Tütenrückseiten zu finden sind, und was die Buchtipps anbetrifft … ich habe in den letzten Monaten ein gewisses Faible für die Skandinavier entwickelt; vielleicht ergibt sich in vierzehn Tagen auch die Gelegenheit, die Hakan Nesser vs. Henning Mankell-Diskussion mit meiner Zahnärztin fortzusetzen. Wenn sie mich nicht vorher betäubt. Doch das gehört nicht ins geschriebene Wort.
Also habe ich mir kurzerhand eine der frühen Waldlingen-Erzählungen herausgepickt und sanft redigiert. „An der Grenze“ sollte stärker als viele andere dieser Texte für sich allein stehen können – vielleicht hat der eine oder andere Leser ein wenig Freude daran. Ich werde an dieser Stelle informieren, sobald der Text online verfügbar ist.

Ansonsten: Auf der Jugendbuch-Couch , bei Rattus Libri (Seite 10) und bei Booksection gibt es neue, sehr sympathische Besprechungen zum ‚Stein des Raben’ zu lesen.
Demnächst steht weiterhin ein Interview im Literaturkosmos-Blog zu erwarten. Ich kenne die Fragen noch nicht, vermute aber, dass hauptsächlich die Amadeo Fanelli-Abenteuer Gegenstand sein werden. Auch von einer Verlosungsaktion wird gemunkelt, aber hey: WER WEISS, wann das soweit ist! Der kluge Leser geht auf Nummer sicher und erwirbt die Bücher ganz brav ;)



Oh, und vergangene Woche hatten wir wieder einmal die große Hoffnung der quellenforschenden Zunft zu Gast. Deutlich erkennbar sind wir auf dem besten Wege, und ein gewisses Faible für das Element Wasser hat er auch, wenn es auch aktuell noch auf einen kleinen blinkenden Kasten gerichtet ist, auf dem er zwei Klempner hin und her jagt, die „Copa-Panzer“ und „Power-Blumen“ erbeuten sollen. Meiner Frau ist es ja noch gegeben, diese Dinge zu begreifen, aber als ich selbst sieben Jahre alt war … Ich behaupte, meine Eltern hatten noch einen Schwarzweiß-Fernseher. Aber er konnte sämtliche Programme empfangen: ARD, ZDF, NORD III, DDR I – und mit ganz viel Schnee – DDR II. Wobei, Schnee – will sagen: Kokainhydrochlorid – gibt es auch ganz aktuell, den Prolog nämlich meines neuesten Vorhabens, das … Nein. Spontane Entscheidung. Eins nach dem anderen. Drei Monate lang gar nichts und jetzt eine virtuelle Bleiwüste? Das muss nun doch nicht.

Ich denke, dann bleibe dich dann doch lieber bis bald an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Mittwoch, 28. April 2010

Lektoren-Bündel

Gestern Abend habe ich nun die erste Rückmeldung meines im vorangegangenen postscriptum erwähnten neuen Lektors erhalten. Ganz passend angesichts der Abenteuer des dottore Fanelli, die den jungen Restaurator regelmäßig in unterschiedlichste Winkel unseres Kontinents verschlagen, sind auch diese Neuigkeiten von London (London Book Fair) über München (Sitz des Blanvalet-Verlags) gereist, bevor sie mich erreichten. Und wieder einmal war der Weg über die messerscharfen Sinnesorgane von Programmleiter Urban Hofstetter mindestens ebenso wichtig wie das Ziel. U.M.F. Hofstetter können Sie, verehrte Leserschaft, sich durchaus als Ihren Anwalt vorstellen, der dafür Sorge tragen soll, dass das fertige Buch nicht allein mir, sondern auch Ihnen gefällt. Er gibt eine Leitlinie vor, während der Lektor Rainer Schöttle und ich uns sodann in den Kampf bis aufs Messere um einzelne Kommata, Formulierungen und zweifelhafte humoristische Passagen begeben. Does humour belong in Mystery Thriller? Ich denke ja immer: Yep. Doch ich gehe davon, dass wir noch ein wenig an der Dosierung feilen werden. Auf jeden Fall klang die via München übermittelte Botschaft begeistert, Kritik wurde nur in Detailfragen laut - mir fiel dann doch ein Stein vom Herzen, denn so überzeugt der Autor auch selbst von seinem Elaborat sein mag, tritt doch irgendwann eine gewisse Betriebsblindheit ein. Anfang nächster Woche erhalte ich dann das Lektoren-Bündel des Textes, und wir werden uns an die Feinarbeit begeben. Damit endet dann auch mein Urlaub, als den ich im Stillen die vergangenen beiden Wochen definiert habe.


23.04. Der 'Blaue Berg' bei Suderburg - einer der aufregendsten Schutthaufen der Erdgeschichte

Eine gute Zeit, die ich tatsächlich einmal zum Lesen genutzt habe. Das ist ja eine Frage, die mir häufig gestellt wird: Was lesen Sie eigentlich privat? Diesmal hatte ich beschlossen, mich einmal im Genre ein wenig auf den aktuellen Stand zu bringen und habe mir einige Bände vorgenommen, die vom Ansatz her meiner eigenen Arbeit verwandt sein könnten:

James TWINING: Der letzte Coup
James TWINING: Das geheime Siegel

Beide Twining-Bände sind hübsch gemacht (nicht ohne Grund habe ich beide gelesen; ja, ich weiß, dazwischen fehlt einer, aber den kannte ich schon). Twining schreibt flott und actionreich, verwirrt aber zeitweise durch ein zu großes Personeninventar und ist nicht immer sorgfältig in der Recherche: Nicht das Goldene Horn sondern der Bosporus trennt Europa von Asien.
Jussi ADLER OLSEN: Erbarmen
Einer, der den Erfolg verdient hat. Sehr schön, wenn auch ein paar Umdrehungen der Schraube zu viel. Für mich stand nach knapp der Hälfte des Buches fest, wie sich die Dinge verhalten. Doch bei einem wirklich guten Buch ist das fast schon nebensächlich - da fesselt die Atmosphäre und die Zeichnung der Figuren. Das ist hier der Fall.
John Ajvide LINDKVIST: So ruhet in Frieden
Lindkvist lese ich immer mit einem gewissen Schmunzeln - wir haben einiges gemeinsam: Die Standup-Vergangenheit, das Geburtsjahr und diese gewisse Spur over the top. Ich vermute, das hängt mit dem Kabarett zusammen; das lässt einen nicht los.
Henri LOEVENBRUCK: Das Kopernikus-Syndrom
Spannend und streng genommen nicht einmal Mainstream. In der zweiten Hälfte lässt es leider nach. Vermutlich ist das Buch im französischen Original sogar literarisch, liest sich in der Übersetzung aber eher prätentiös und sperrig. Ich gehe davon aus, dass die Übersetzerin keine Deutsche ist. Bis heute habe ich nicht begriffen, warum Verlage Übersetzer engagieren, deren Muttersprache diejenige des Originals ist. Ich hatte selbst schon das zweifelhafte Vergnügen, Bücher zu lektorieren, die ein Japaner aus dem Japanischen übersetzt hatte. Eine Strafarbeit.


24.04. Der Himmel über einem meiner Lieblingsorte

Ist das nun dasselbe Genre, das ich selbst schreibe? Ich bin mir noch immer nicht sicher. Es gibt Gemeinsamkeiten - bei Twining sind die Plots ähnlich angelegt, und Loevenbruck stößt den Leser penetrant auf die zweite Ebene, die er verpackt hat. Letztendlich mache ich mir wenig aus Genres, denke ich. Das ist wie mit der Musik: Es gibt welche, die man mag und welche, die man nicht mag. Ob dann Klassik, Blues, Chanson oder Discogebamsel dransteht, ist nicht eigentlich interessant.


28.04. Unser Hauswald, durchsetzt mit Rehen und Walkern (beide nicht im Bild)

Ach ja, zur Illustration einige Aufnahmen der letzten Tage. Auch das eine Inspiration.


28.04. Dafür andere seltsame Wesen

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

Donnerstag, 22. April 2010

Das Babylon-Virus

Besonders stolz, verehrte Leserschaft, bin ich ja regelmäßig, wenn ich Euch und Ihnen etwas vorstellen darf, bei dem ich einfach sagen kann: Wow, das ist richtig toll geworden!

Nun entspricht es in unserem Kulturkreis bekanntlich nicht der Übung, das eigene Elaborat mit solcherlei Kommentaren zu bedenken. Stattdessen aber - und aus innigster Überzeugung - präsentiere ich an dieser Stelle das Cover des zweiten Abenteuers rund um Amadeo Fanelli, Rebecca Steinmann, Professor Ingolf Helmbrecht (und einen noch geheimen musikalischen Gaststar, von dem ich einfach nicht lassen konnte.) Um den Greifreflex im Buchhandel (ab Mitte Oktober) schon einmal einzuüben (wie beim Hund, dem Pavlovschen).

Proud to present:



DAS BABYLON-VIRUS

Nichts, was sich jemals entwickelt hat, existiert für sich allein.
Ervin Laszlo

Eine tödliche Seuche.
Ein uraltes Geheimnis.
Seit Jahrhunderten sind die größten Gelehrten der Geschichte Wächter eines unvorstellbar komplizierten Rätsels. Getrieben von wissenschaftlicher Neugier und der Sorge um seinen Mentor Professor Helmbrecht verfängt sich der junge Restaurator Amadeo Fanelli in einem unentwirrbaren Netz geheimdienstlicher Ermittlungen.

Viel zu spät geht ihm auf, dass in Wahrheit nicht weniger auf dem Spiel steht als das Schicksal der gesamten Menschheit.

***

Ist das was, frage ich? Echte Nachrichten, die mit dem kommenden Oeuvre zusammenhängen - und keine seltsamen Aufnahmen von Nachmittagsspaziergängen an obskuren Bächen in Bad Beelzebub?



Na, fast keine.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

PS: Was ich vergaß zu erwähnen - der Text ist vollendet und ich harre nun mit gesträubtem Haupthaar ... na gut, was sich potentiell noch sträuben kann ... der Reaktion meines niegelnagelneuen Lektors.