Donnerstag, 24. Januar 2008

Inspirationen

Gerne unterstellt man mir, ich würde besonders "visuell" schreiben. Das stimmt insofern, als ich mich bemühe, die Bilder zu schildern, die sich in meinem Kopf einstellen. Selbst wenn es im Text nicht ausdrücklich erwähnt wird, wüsste ich immer genau zu sagen, wo genau welcher der Sprecher in einer Dialogszene steht - oder sitzt. Was Autoren gerne vergessen (und was von Lektoren dann stirnrunzelnd anmerken), sind die Veränderungen in diesen Haltungen. So setzt sich eine Figur drei Mal hintereinander hin, ist aber zwischendurch nicht aufgestanden.


Scheinbarer Widerspruch zu diesem visuellen Schreiben: Ich schildere selten exakte, erlebte Örtlichkeiten en detail. Im Manuskript entsteht jedes Mal ein etwas anderer, abweichender Ort. Was wir wahrnehmen, ist eben nicht die Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit nach Maßgabe unseres Bewusstseins - wie von Augustinus bis Heisenberg die großen Denker jeder Epoche erkannt haben. Mithin betritt der Leser nicht eigentlich (ich hasse den versteckten, von "not really" abgeleiteten Anglizismus "nicht wirklich") ... betritt der Leser an Amadeos und Rebeccas Seite nicht eigentlich die Radcliffe Camera der Bodleian Library, sondern vielmehr die virtuelle Radcliffe Camera im Kopf des Autors. An dieser Stelle vielleicht ein nicht ganz uninteressantes Bild: Die Radcliffe Camera ist ein mächtiger Rundbau, umgeben von mehreren Ebenen voller Regale mit Büchern über Büchern - was anderes ist der Kopf des Autors? Mal diesen, mal jenen Band herausziehend erschafft er aus unterschiedlichsten Eindrücken eine neue Welt. Welche Eindrücke das waren - daran wird er sich oft nicht erinnern. Das menschliche Hirn arbeitet selten mit Fußnoten.


Andere Eindrücke sind eine Art Soundtrack zum Buch, Titellisten, die auf meinem mp3-Spieler rauf und runter laufen. Beim Bardenstein etwa - meinem ersten Fantasy-Skript seit fünfzehn Jahren - war das Jacques Brels "Le plat pays", beim Mantel der Winde Leonard Cohen mit "The sisters of mercy", und schließlich, bei der Letzten Offenbarung Neil Youngs "I'm the ocean" (vom "Mirrorball"-Album) und Wagners Ring mit Karajan bzw. Norrington. Alles in allem ziemlich finster - passend dazu unser heutiges Bild.


Zu schade, dass ich Friedrich-Wilhelm Murnau nicht mehr kennen gelernt habe :)

Keine Kommentare: