Donnerstag, 1. Dezember 2011

Ich bin der Herr deiner Angst


Vorbemerkung: Seit Wochen und Monaten habe ich an dieser Stelle eine neue grandiose Veröffentlichung angekündigt. Mittlerweile ist die Katze aus dem Sack, sogar schon bei Amazon zu besichtigen - doch der Künstler schweigt. Warum?



Um es kurz zu machen: Wenn man mitkriegt, wie das eigentlich funktioniert, Bücher zu präsentieren, die Leser darauf aufmerksam zu machen ... diese Wissenschaft mit fünffachem Spiel über Bande, alles in der Hoffnung, dass das literarische Elaborat am Ende den Weg in die Herzen (und Regale) der Leser findet ... Irgendwie kommt man sich dann plötzlich selbst ganz mickrig vor. Und wenn man tausend Mal derjenige ist, der das Buch, um das es die ganze Zeit geht, verzapft hat.
Oder nennen wir es "das Produkt". Ob nun ein vage literarisch ambitionierter Psycho-Thriller oder Meister Proper, das nimmt sich dann nicht mehr so wahnsinnig viel. Mit dem Unterschied vielleicht, dass Meister Proper nicht mit am Tisch sitzt, wenn über das Für und Wider beraten wird. Wobei: Die Frisur stimmt ja schon mal.



Aber gut, Frisur hin oder her, mickrig oder nicht: Ein herzhaftes Tööröö! (frei nach Benjamin Blümchen, passend zum Outifit in der Bebilderung) für "Ich bin der Herr deiner Angst", einen einigermaßen abgründigen Thriller, der Anfang April im Reinbeker Rowohlt Verlag erscheinen wird. Über den Inhalt will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten (unter uns: Paralysiert wie ich nach wie vor bin, wage ich es kaum irgendetwas zu verraten). Illustrierend zu diesen Worten auf jeden Fall einige Impressionen vom Dreh des Promo-Videos zum neuen Titel in unserer Bundeshauptstadt.



Mit Sicherheit wird es an dieser Stelle demnächst noch mehr zu verkünden geben - wobei ich in dieser Hinsicht noch ein wenig mein Gewissen befragen muss.

Vielleicht sollte ich mir einfach die Haare wachsen lassen.

Doch selbst dann: In jedem Falle aber bleibe ich bis bald an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan Rother

Montag, 7. November 2011

Dichtung und Wahrheit (4): Der Adler der Frühe

Hatten Sie geglaubt, verehrte Leserschaft, ich hätte unsere kleine Serie "Dichtung und Wahrheit" vollends aus dem Hirn verbannt? Keineswegs. Nur gab es in den letzten Monaten dermaßen viel zu dichten und ... Hm, doch, gerade die Wahrheit wird bei der demnächst anstehenden Enthüllung eine große Rolle spielen. Doch noch ist es nicht ganz so weit. (Ich bin ja selbst gespannt wie kein Zweiter, gleichzeitig aber entschlossen, erst dann zu berichten, wenn es auch wirklich etwas zu sehen gibt.)

Bis dahin aber: Erinnern Sie sich an die ersten Kapitel des 'Adlers der Frühe', den unheimlichen Ritt Schwester Agnethas und ihres Bruders, des päpstlichen Legaten Wasmod von dem Knesebeck vom Augustinernonnenkloster gen Burg Bodenteich? Nein? Also, sorry, diese Szenen sind dermaßen schweinemäßig eindrucksvoll: Die können Sie nicht vergessen haben. Seien Sie ehrlich: Sie haben das Buch überhaupt nicht gelesen.



Nun, als Appetithäppchen an dieser Stelle: Ich bin die Strecke heute wieder einmal abgefahren (ohne den Schlenker über die Burganlage des Tempelritters Werner von Langenapel, zugegeben. Allerdings wäre das auch schwierig geworden, müssen wir dieselbe doch in die Gefilde der Dichtung einordnen.)

Etwas anders sieht es mit dem Augustinernonnenkloster selbst aus. Mit Sicherheit habe ich an dieser Stelle schon einmal erwähnt, aus welchem Grund es im Buch keinen Namen hat.
Das habe ich nicht getan? Nun, das Kloster "Insula Sancta Maria" (zu deutsch wohl: "Marienwerder"), geht auf die Grafen von Lüchow zurück, die die Anlage auch als Familiengrablege auseresehen hatten. Ja, das Kloster war Sitz eines Konvents von Augustinerinnen, aber anders als im Roman berichtet pflegte man in dieser Anlage nicht die "vita communis"; die Nonnen nächtigten nicht in einem gemeinsamen Schlafsaal, sondern besaßen kleine Häuschen auf dem Klostergelände, in denen sie, wenn ich mich richtig erinnere, zu zweit zusammenlebten. (Nein, um das klarzustellen: Ich erinnere mich nicht an die vorreformatorische Zeit. Ich habe in der Literatur recherchiert.)
Heute übrigens ist der Klosterort schlicht unter dem Namen Diesdorf bekannt.



Dies Dorf nun habe ich heute wieder einmal aufgesucht und auf dem Rückweg auch an der Stätte Halt gemacht, an der die Sekundärwelt so unvermittelt in unsere Erzählung einbricht - die Bodenteicher Seewiesen. An dieser Stelle hier im Bilde zu bewundern, bis ...

Genau, die große Überraschung ...

Bis demnächst, SEHR demnächst, wie ich hoffe, an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Montag, 31. Oktober 2011

Renaissance!

In der F.A.Z. interessante Gedanken von Peter Richter zur Borgia-'Verfilmung' im ZDF und der Berliner "Gesichter der Renaissance"-Ausstellung: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/renaissance-der-renaissance-ist-das-mittelalter-endlich-vorbei-11502292.html

Prägnant stellt Richter dar, dass 'Renaissance' (ähnlich wie das Mittelalter) ein Begriff aus dem _Nachhinein_ ist und in ihren landläufig bekannten typischen Charakteristika mehr über die Epoche aussagt, in welcher der Begriff geprägt wurde (das bürgerliche neunzehnte Jahrhundert) als über den bezeichneten Zeitraum selbst. Allerdings verkennt Richter - gerade im Hinblick auf die 'Mittelaltermarkt'-"Kultur" - den eigentlichen Antrieb von Konsumenten und Akteuren dieser 'Bewegung': Nach allen meinen Erfahrungen mit dieser Szene hat die Mentalität dort stets die geringste Rolle gespielt, und zur Weltflucht taugt das Eine wie das Andere:
Renaissance = Mittelalter mit edleren Klamotten und mehr nackter Haut.

Nicht ohne Grund firmiert der heimische Mittelaltermarkt andernorts als "Renaissance Fair".

New Skin for the old ceremony!

Sonntag, 30. Oktober 2011

Große Literatur

Dreiundvierzig Jahre, wie ich kürzlich auf Nachfrage zu Protokoll gab, so alt werde ja nun kein Schwein. Wie eilige Recherchen dann gottlob ergeben haben, war es nicht notwendig, mich rückwirkend zu korrigieren: Selbst Miss Piggy hat erst 1976 das Bühnenlicht erblickt. Wobei Damen (und Diven schon überhaupt) bekanntlich ein Alter von 37 ohnehin nicht überschreiten.

Wie auch immer: Ich trage die Jahre mit Würde und darf mich auch an dieser Stelle noch einmal (bzw. schon einmal, so weit ich mit dem Beantworten noch nicht nachgekommen bin) für die Glückwünsche bedanken.

Ein besonderes Geschenk - Anlass dieses Eintrags - hat mir meine Frau gemacht: Wie schon ein, zweimal angesprochen, lebte vor gar nicht so schweinemäßig langer Zeit einem anderen hinterletzten KAFF nicht weit von hier schon einmal ein etwas absonderlicher Büchermensch, an dem sich die Geister schieden.

Arno Schmidts "Zettels Traum" darf als opus magnum gelten, in jeder Beziehung. Die Größenverhältnisse werden selbst hier noch nicht recht deutlich:



Jedenfalls wiegt das gute Stück einen gefühlten (und gefüllten) Zwölferpack Milchkartons. 1.334 DIN A3 Seiten mit der Schreibmaschine. Soweit das quantitative Elemente - wobei Schmidt noch nie die Sorte Literatur zum "eben mal weglesen" war. Multilingual, hermetisch dicht, voller Sprachschöpfungen, multilingualer Anspielungen. Die Lektüre wird eine Herausforderung. Wenn ich jede Woche eine Seite schaffe, bin ich noch vor meinem Siebzigsten durch.

"Und was willst du damit?", erkundigte sich mein Vater gestern. "Willst Du das in einem Vortrag einbauen?"
(Zur Erinnerung: Ich halte nun seit über drei Jahren keine Vorträge mehr.)
Nein, man mag es nicht glauben, aber ich lese tatsächlich (auch) zum Vergnügen, oder sagen wir, zur "Kür". Alles, was über die Bestsellerlisten hinausgeht, betrachte ich nicht mehr als Pflichtprogramm. Das Pflichtprogramm ist nämlich eindeutig definiert als das, was andere freiwillig lesen. Krude, abstrus, schwer verdaulich wird mein Geschreibsel nach aller Erfahrung von alleine. Des "populären Faktors" wegen wegen konsumiere ich populäre Literatur.

Aktuell auf der Agenda: Cody Mafadyen - "Ausgelöscht".
Gerade erst angefangen, noch keine hundert Seiten. Noch sind wir dabei, zu rekapitulieren, wie und wo die Protagonisten sich ihre diversen körperlichen oder seelischen Gebrechen zugezogen haben. Ich erinnere mich, dass der Vorgängerband mir bei fortschreitender Lektüre immer besser gefallen hat. Vielleicht kommt das ja noch.

Unmittelbar vorher hatte ich "Hexenkind" von Sabine Thiesler am Wickel - und war angenehm überrascht. Überzeugende Figuren, eine durchaus 'dichte' Sprache (nicht über jeden Zweifel erhaben, aber wenn ich auf Fehler stoße und mich _nicht_ über sie ärgere, ist das ein gutes Zeichen). Neugierig habe ich mir einmal die Amazon-Besprechungen angeschaut. Keine gute Idee. Auf die Idee, dass mir die Figuren eines Romans "sympathisch" sein sollten, bin ich glaube ich noch nie gekommen. Sie sollten vielmehr überzeugend und echt sein. Dann macht es mir auch Freude, ihren Erlebnissen zu folgen.

Was bei der "Hexenkind" vorangegangenen Lektüre nicht der Fall war. "Eisige Nähe" (die Titelwahl bleibt ein Rätsel) von Andreas Franz. Figuren ohne jeden erkennbaren Charakterzug (bzw. behauptete Charakterzüge, die aber durch das tatsächliche Verhalten der Figuren ad absurdum geführt werden), das allzeit populäre Thema Kinderhandel dermaßen reißerisch und naiv aufbereitet, dass es dem (scheinbaren) Anliegen Schaden zufügt, dümmlichstes Schubladendenken (die dekadenten Reichen "da oben", die sich mehr und mehr alles erlauben dürfen vs. den kleinn braven Bürger), zigfache seitenlange Redundanzen. 'Eine blickdichte Hecke schützte vor neugierigen Blicken' erfahren wir im Text. Der Name des zwischenzeitlich verstorbenen Autors auf dem Cover wird mich künftig vor der Lektüre schützen.

Hm. Und wieder ist es hin, eines der hochheiligen Vorhaben zum neuen Lebensjahr. Ich hatte mir ernsthaft vorgenommen, mich nicht mehr so aufzuregen ...


(gesehen im Scriptorium des Kloster Mariental bei Helmstedt)

Nun, stattdessen werden wir in an dieser Stelle sehr, sehr bald mit einer wirklich relevanten Neuigkeit aufwarten, versprochen.

Für hier und heute allerdings bleibe ich bis dahin Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Sonntag, 7. August 2011

The Maismonster Project

Ich weiß, ich weiß, verehrte Leserschaft - ich hatte da was versprochen: Dieses Blog sollte zur vornehmsten Aufgabe haben, den Entstehungsprozess neuer unsterblicher Literatur zu begleiten. Nun ist das aber irgendwie ... nun, schwierig eben. Wenn ich nämlich schreibe, schreibe ich richtig, und unmittelbar im Anschluss an meinen letzten Eintrag an dieser Stelle habe ich mich auf das jüngste Projekt gestürzt, das nunmehr (will sagen: seit letzten Donnerstag) vollendet ist - vorläufig exklusive Epilog. Was genau es damit auf sich hat demnächst auf dieser Stelle.



Zuerst einmal sind nun ein paar Tage Luftholen angesagt. Der eine oder andere mag sich vielleicht an den Nachwuchsquellenfinder entsinnen, den wir sommers zu Gast haben - so auch seit letzte Freitag wieder. Mir persönlich ist dabei immer besonders wichtig, dass er einen kleinen Eindruck davon bekommt, wie das eigentlich ist, als Schriftsteller zu leben, wo genau die Inspirationen herkommen. Unheimlich, klaustrophobische Situationen etc. So haben wir uns heute einem Selbstexperiment unterzogen (vgl. Prof. Ingolf Helmbrecht im 'Babylon-Virus').



Unser Ziel war dabei das Bad Bodenteich Maislabyrinth. Und siehe da, klaustrophobisch war es durchaus. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung kam eine regelrechte Auenlandatmosphäre auf ... oder, nein, sagen wir besser: wie im "Alten Wald" bei alten Weidenmann um die Ecke. Acht Hinweistafeln gäbe es zu finden, wurde am Eingang verkündet. Insgesamt sind wir - wenn ich richtig gezählt habe - auf sechs gekommen, wobei zwei davon identisch waren (nein, es war nicht DIESELBE, es sei denn, der Betreiber beschäftigt insgeheim Wichtel, die die Tafeln immer mal verrücken, was natürlich clever wäre). Und inspiriert fühlte ich mich dann tatsächlich. Als uns in einem Hohlweg zwei Damen samt Nachwuchs begegneten, hatte ich plötzlich ein "Bei den Skeletten einfach nach links" auf den Lippen. Das gequiekte "SKELETTE???" war noch Minuten später zu hören. Ich drücke die Daumen, dass sie's geschafft haben ohne den Monstren zu begegnen, denn man täusche sich nicht ... in diesem Sommer IST Bad Bodenteich ein VERDAMMT unheimlicher Ort ...



Bis demnächst an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer Stephan M. Rother

Sonntag, 1. Mai 2011

Errata

Bekommt ein Buchautor eigentlich Fanpost?

Ein klares und unmissverständliches Jein.

Natürlich erhalte ich immer mal wieder, heutzutage in der Regel per Mail, ein Schulterklopfen oder ein Dankeschön, Worte des Lobes - aber auch der Kritik. Ich freue mich über beide. Ein Lob, gerne noch mit Begründung, tut wohl jedem gut, und aus Kritik kann man nur lernen.

Dabei denke ich jetzt weniger an Kritik nach dem Muster

"Mich täte interessieren, ob Sie diesen Roman geschrieben haben um die Kirche noch ein wenig tiefer in den Dreck zu tauchen oder nur um ein wenig provozieren zu wollen?"
(Beantwortet und Möglichkeit b gewählt. Ich wollte provozieren - zum Nachdenken.)

oder

"(...) schwach und mangelhaft ist leider streckenweise die sprachliche Gestaltung. (...) Schade, kein literarischer Anspruch?"
(Nicht beantwortet, da dem Anschreiben die Mindestanforderungen an einen Brief - Anrede und Grußformel - fehlten. Zur Beruhigung: Seit 'Babylon' habe ich ja meinen niegelnagelneuen Lektor, der meine Begeisterung für sprachliche Finessen teilt.)

Beide Beispiele waren übrigens Reaktionen auf "Die letzte Offenbarung". Interessanter als solche "Rundumschläge" sind allerdings Anmerkungen, die sich an einem konkreten Punkt festmachen und dabei durchaus den Finger in schwärende Wunden legen. Ein Autor kann nämlich noch so gewissenhaft arbeiten - vor Fehlern ist er dennoch nicht gefeit. Deshalb an dieser Stelle meine TOP 3 persönlicher literarischer Peinlichkeiten:

"Das Babylon-Virus", S. 15:

Eine Nachricht von Albert Einstein, dem großen Physiker, dem Entdecker der Relativitätstheorie: m mal c, Masse mal Beschleunigung, im Quadrat.
(später noch ein oder zwei Mal sinngemäß wiederholt)
Zur Erklärung: Meine Begeisterung für die Physik hat sich erst relativ spät in meinem Leben entwickelt - dennoch war mir die korrekte Definition von c = Geschwindigkeit an und für sich durchaus präsent. In diesem Fall hat es mich einfach davongetragen. Auf einmal hatte ich den Gedanken im Kopf, dass Einstein hier im Grunde einen Thriller definiert: Masse (es muss etwas Wichtiges auf dem Spiel stehen) mal c ... naja, flott sollte er natürlich auch sein, der Thriller. Da die Flottheit zum Showdown hin aber in der Regel zunimmt, die Dramatik der Ereignisse die Handlung beschleunigt, hat die Sache offenbar eine Eigendynamik entwickelt.
Mea culpa. Peinlich.

"Die letzte Offenbarung", S. 309:

Johann Hus, ein Prager Professor, wagte es, die Allmacht des Papstes anzuzweifeln. Das war unerhört damals. Kein Wunder, dass die Kirche Zeter und Mordio schrie und ihn vor das Konzil nach Konstanz lud, um sich für seine Thesen zu verantworten.

Zur Erklärung: Ich habe keine. Das Ganze ist noch wesentlich unangenehmer als die Einstein-Geschichte - schließlich bin ich von Haus aus Historiker und weiß sehr gut, dass Hus nicht etwa in Konstanz, sondern in Basel angeklagt (und verbrannt) wurde. Beide Konzilien befassten sich zwar mit ähnlicher Thematik (u.a. mit der Lehre Hus'), aber in Konstanz war der godfather des Hussitentums natürlich längst nicht mehr am Leben.
Mea culpa. Peinlich, peinlich.

"Der Adler der Frühe", S. 10:

anno dominice incarnationis MCCXIIC (...) 11. September 1292

(später noch sehr oft wiederholt. Nahezu die gesamte Geschichte trägt sich im Jahr 1292 zu.) Entsprechend besteht die Peinlichkeit nicht allein darin, dass ich offenbar die Subtraktionsregeln der römischen Zahlen anwenden wollte, ohne sie eigentlich zu beherrschen - sondern in der enervierenden Wiederholung des immer selben Fehlers. 1292 in römischen Zahlen müsste selbstverständlich folgendermaßen geschrieben werden: MCCXCII (M + CC + XC + II = tausend + zweihundert + neunzig + zwei).
Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Peinlich, peinlich, peinlich.



Soweit zu unserer kleinen worst of. Sie ist selbstredend nicht erschöpfend. Und die Klopfer wären noch viel, viel übler, wenn nicht die Betaleser und das Lektorat ständig ein Adlerauge auf den Text gerichtet hielten, während der Autor selbst sein Geschreibsel naturgemäß durch die rosarote Brille betrachtet. Um diese Gefahr zu minimieren hab ich mir jetzt einen kleinen optischen Trick überlegt (siehe Foto oben). Ob's hilft? We'll see.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother


postscriptum: Neue Bebrillung soll vor allem die Nachtsichtfähigkeiten und die Tiefenschärfe bei bedecktem Himmel stärken. Das funktioniert tatsächlich!

Donnerstag, 17. März 2011

What a mess (wieder einmal)

Eine der großen deutschen Buchmesse zu besuchen, ohne Terminstress, ohne Rummel um eine eigene aktuelle Veröffentlichungen - irgendwie ist das ein richtig ungewohntes Gefühl geworden. Wenn ich richtig rechne, dürfte es sieben Jahre her sein, dass wir das zum letzten Mal erlebt haben. Wir konnten uns wirklich nicht mehr erinnern, wie sich das anfühlte, dieses traumhaft leichte, schwerelose Gefühl ...


Um ehrlich zu sein: Mir tut jeder Knochen im Leibe weh. Ja, es WAR schön, und gerade die überraschenden Dinge und Begegnungen haben diesen Tag in Leipzig zu etwas Besonderem gemacht. Oh, und der Cappuccino der Messegastronomie war wirklich schweinegut. Doch das ändert nichts daran: Am Ende ist man einfach t.o.t.
Gut, das könnte mit den zwei Stunden Schlaf in der vorangegangenen Nacht zusammenhängen - schließlich liege ich in den letzten Zügen mit "Montezumas Rache", einem High Fantasy-Titel, mit dem ich kommende Woche den Baumhaus-Verlag zu beglücken gedenke, und irgendwo muss man sich die Zeit nun abknappsen. Und seitdem es vorbei ist mit der standup historisierenden Tingelei bin ich auch autotechnisch nicht mehr recht im Training.


Doch letztlich kommt es darauf an, was man aus einem solchen Tag macht. Letztendlich bin ich dann zwar mehrfach über meine Tränensäcke gestolpert, aber dennoch: Schee' war's. Auf die Begegnung mit Matthias Mensing, der mit dem Nexus e.V. den heraufdämmernden Berliner Burg-Con vorstellte, waren wir schon gefasst. Keine Chance, wir wissen, wo er zu finden ist, und so suchen wir ihn jedes Mal heim. Eine - wirklich fast unheimliche - Begegnung der dritten Art habe ich dagegen mit Jo Löffler erlebt, mit dem wir lange Zeit für verschiedene Panini-Projekte (Everquest, Hellgate, Devil may cry, 'Mystic&Entertainment'-Magazin usw.) zusammengearbeitet haben. Nichts Böses ahnend beuge ich mich über das pittoreske Cover von "Sissi die Vampirjägerin", als ich ganz unvermittelt dieses vertraute Timbre vernehme ... Ich glaube, ich hab noch mindestens eine halbe Stunde durchgegrinst. Wir müssen unbedingt mal wieder was zusammen anstellen.


Doch schließlich war es ja nun eine Buchmesse - wenn man da aufmerksam durch die Gänge wandelt, trifft man ganz unvermittelt noch auf ganz andere alte Freunde. Auch diese im Bilde festgehalten.
Nichts Dramatisches also in diesem Jahr, oder, wie Edith Passon sagen würde:

Tot, aber gut.



Tränensäcke auf sämtlichen Bildern (c) by Montezumas Rache

Bis zum nächsten Mal - dann mit weiteren Erstaunlichkeiten aus der Kategorie "Dichtung und Wahrheit" - bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Dienstag, 15. März 2011

Dichtung und Wahrheit (3): Die Sache mit Rom

Vorweg: Eine sehr hübsche und engagierte Besprechung der Babylon-Geschichte seit letzter Woche im Blog von Àlfkonas Märchenwelt. Viel Spaß beim Lesen!

Nun aber die Fortsetzung unserer Tour durch das noch nicht ansatzweise enthüllte Geflecht von Dichtung und Wahrheit in Amadeos zweitem Abenteuer.

Das Babylon-Virus
Achtung: Spoiler


1) Nachdem wir bereits im vergangenen Posting mit einer vage unappetitlichen Szene eingestiegen sind, machen wir doch gleich mit der nächsten weiter. Da sind Amadeo Fanelli und Rebecca Steinmann auf dem cimitero acattolico in Rom unterwegs, auf der Suche nach dem Grabe des verstorbenen August von Goethe. Nun wird jeder, der das Gräberfeld zu Füßen der Aurelianischen Stadtmauer einmal besucht hat, bestätigen können, dass man sich dort tatsächlich verlaufen kann. Nachts sowieso - jedenfalls gehe ich davon aus; ich war noch nie dort um diese Uhrzeit. Wahrheit ist auf jeden Fall, dass das gesamte Gelände nach Einbruch der Dunkelheit besonders gesichert ist. Wahrheit ist ebenfalls, dass das schon historische Gründe hat in der Hauptstadt der katholischen Christenheit. Selbst Amadeos Bemerkung, im neunzehnten Jahrhundert wären die Begräbniszüge von Nichtkatholiken in Rom noch mit Unrat beworfen worden, entspricht der Wahrheit. Eine Übersichtskarte der Situation auf dem cimitero findet sich auf der offiziellen Seite des Friedhofs.

2) Nicht weniger wirr und irr als der protestantische Gottesacker präsentiert sich in unserer Geschichte allerdings der Moloch Rom selbst. Sei es dottore Fanellis von allerlei Panikreaktionen begleiteter Spaziergang am ersten Tag, sei es Rebeccas Parkplatzsuche angesichts eines Streiks der römischen Verkehrsbetriebe Tags darauf oder gar der Weg durch den nächtlichen Parco della Resistenza am dritten (mitsamt einer meiner persönlichen Lieblingsszenen, Stichwort: 'Drück mich gegen die Wand!') - jedes Mal entsteht ein labyrinthischer, vielleicht auch vage klaustrophobischer Eindruck, was wohl in einer Millionenstadt, die sich mit einer tödlichen Seuche konfrontiert sieht, nicht weit von der Wahrheit entfernt sein dürfte.
Nun lässt sich zwar per GoogleMaps ein recht flotter Überblick gewinnen: Bei der Maps-Suche "chiesa di santa sabina" eingeben. Ergebnis A führt uns in die richtige Region - es lohnt sich übrigens, auf "Satellit" umzuschalten. Ziemlich genau südlich (also weiter unten auf der Karte) finden wir dann die "Via Oddone di Cluny", die Adresse der Officina di Tomasi. Gegenüber der Einmündung in die Viale Manlio Gelsomini ist dann auch der "Parco della Resistenza dell'Otto Settembre" zu erkennen. Da nun aber Amadeo Fanellis Arbeitsstätte selbst in der Bereich der Dichtung zu verweisen ist, habe ich die Ortsbezeichnung jeweils ein wenig verkürzt, nämlich zur Via Oddone (Oddone di Cluny, zu deutsch "Otto von Cluny", war der spätere Papst Urban II.; derjenige Papst übrigens, der die Kreuzzüge losgetreten hat) bzw. dem Parco della Resistenza (die Anfügung mit dem Otto Settembre hat nun wiederum nichts mit einem Otto zu tun, sondern schlicht mit dem Datum des achten September; man erinnert sich vielleicht an Kevin Kline, der in "Ein Fisch namens Wanda" darauf besteht, 'Otto' sei ein italienischer Name).
Noch etwas weiter südlich haben wir dann an der großen Kreuzung die Porta di San Pietro und die Cestius-Pyramide; links angrenzend den cimitero acattolico und weiter rechts das Stadtviertel, durch das Amadeo am ersten Abend irrt. Die Caracalla-Thermen sind in der Satelliten-Ansicht sehr eindrucksvoll auszumachen.
So weit der angesprochene Überblick. Nun düst dottore Fanelli nebst Gefährtin aber nicht im Tiefflug über die Ewige Stadt, sondern ist zu Fuß unterwegs, und da kann dann von Überblick schon viel weniger die Rede sein. Doch auch das lässt sich in der brave new virtual world nacherleben. Ziehen wir an unserem Ausgangspunkt, der Chiesa di Santa Sabina, einfach das StreetView-Männchen (oranges Männchen oberhalb von dem Schieberegler, mit dem man ein- und auszoomen kann) auf die vorgelagerte Straße, die "Via di Santa Sabina", so können wir uns durch die Gassen rund um Amadeos Arbeitsstätte bewegen. Wenden wir uns dabei auf der Via di Santa Sabina nach Südwesten (also Richtung unten links; im kleinen Karten- bzw. Satellitenansichtsfenster wird angezeigt, in welche Richtung wir gerade schauen. Erfordert ein wenig Übung, aber selbst ich hab's irgendwann hingekriegt). Folgen wir der Straße nun immer weiter geradeaus ... und weiter ... genau, noch weiter. Sieht zwar aus, als ob man gleich gegen eine Mauer stößt, aber der Aufnahmewagen ist hübsch einen Bogen gefahren. So, und jetzt, kurz bevor die Orientierungslinie einen Knick macht, erreichen wir einen schweinegroßen freien Platz, auf dem ein paar hundert Fahrzeuge halten könnten - stände da nicht zu Füßen einer nicht sonderlich vertrauenerweckenden Mauer ein Einsatzwagen der örtlichen Carabinieri. Und die beiden Herren, die daneben warten: Babylon-Virus, Seite 72 f. - die Nasen kennen wir doch! Da es noch keine italienische Übersetzung des Romans gibt, ahnen sie vermutlich noch nichts von ihrer literarischen Berühmtheit.
Mir bleibt jetzt eigentlich nur, Ihnen viel Spaß zu wünschen, wenn Sie Amadeos Revier vielleicht ein wenig erkunden. Bewegen Sie sich rund um den Parco della Resistenza, entdecken Sie die Bushaltestelle an der Einmündung der Via Oddone (ja, genau die, die bestreikt wird), kehren Sie auf der Viale Aventino in Amadeos Stammbistro ein oder schauen Sie mal auf der Via Caio Cestio vorbei, wo Amadeo und Rebecca auf das Friedhofsgelände klettern. Gegenüber auch das Geschäftsgelände, wo finstere Gestalten (diesmal nicht im Bild) von einem Flachdachgebäude aus die Vorgänge auf dem cimitiero verfolgen.

Es ist ein spannendes Erlebnis, Rom auf diese Weise zu erkunden - und lehrreich dazu. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Und sei es, dass Sie einen Roman in der Ewigen Stadt spielen lassen, obwohl Sie seit Jahren nicht dort gewesen sind.

Das funktioniert, wetten?

Wobei, meine ganz persönliche Empfehlung: Das komplette Bild bekommen Sie am Sichersten, indem sie ganz einfach den Roman lesen.

Bis zum nächsten Mal bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother


Nachbemerkung: Ein Detail sollte ich noch anfügen. Ich habe keinerlei zuverlässige Hinweise darauf, dass der "Parco della Resistenza dell'Otto Settembre" nach Einbruch der Dunkelheit tatsächlich ein irgendwie zwielichtiger Ort wäre. Das ist jetzt keine Empfehlung, ihn zu Nachtzeiten aufzusuchen oder umgekehrt ein Rat, es nicht zu tun, weil's ja doch nichts Spektakuläres zu sehen gäbe. Denn man kann ja nie wissen: Wenn vielleicht doch mal die italienische Übersetzung kommt, könnte das ganz, ganz anders aussehen.

Mittwoch, 9. März 2011

Dichtung und Wahrheit (2): Die Sache mit Goethe

So, ich hab's versprochen. Nun möchte ich auch zeitnah loslegen mit den angekündigten apokryphen Informationen.

Das Babylon-Virus
Achtung: Spoiler


1) Wir - die Leser und ich - erinnern uns an die etwas unappetitliche Szene, in der Amadeo Fanelli am Rande des Petzinsees im Trüben fischt und dabei dies und das zum Vorschein bringt (Getränkedose, gebrauchtes Kondom), nur nicht das gesuchte Depot des verblichenen Albert Einstein. Stattdessen erwähnen drei jugendliche Rabauken ganz nebenbei, dass der Bahndamm, zu dessen Füßen dottore Fanelli gerade im Schlamm wühlt, erst zu DDR-Zeiten gebaut wurde. (Die DDR wäre 'so was wie Krieg' gewesen, lässt einer der Jungs nebenbei fallen. Das Zitat ist natürlich bei Martin Sonneborn geklaut.)
Diese Erklärungen fallen in den Bereich Wahrheit. Der Bahndamm ist tatsächlich erst in DDR-Zeiten entstanden. Hintergrund war der Wunsch der Machthaber, in dieser Region eine Bahnlinie zur Verfügung zu haben, die nicht über West-Berliner Gebiet führte. Einige interessante Informationen dazu sind hier nachzulesen.

2) Schließlich - ich will den Hergang nicht zu ausführlich referieren. Das Buch lässt sich auf zwei Mal lesen. Lohnt sich, ehrlich ... Also, schließlich gelangt Amadeo letztendlich doch an die Hinterlassenschaften des Entdeckers der Relativitätstheorie, und siehe da: Am vermeintlichen Ende der Rätselfährte steht nichts anderes als ein neues Rätsel. Allerdings eines, das es in sich hat.
Nun habe ich lange hin und her überlegt, ob ich den geheimnisvollen Text des Johann Wolfgang von Goethe vollständig wiedergeben sollte oder nicht. Es ist mir nämlich gelungen, diesen Text vollständig zu, äh, rekonstruieren. Nein, um ehrlich zu sein: Selbstverständlich fallen alle im Buch eingestreuten Babylon-Überlieferungen in die Kategorie Dichtung. Das ändert allerdings nichts daran, dass Goethes Babylon-Text vollständig vorliegt, weit über die letztendlich im Roman eingestreuten Ausschnitte hinaus, auf die mehr oder minder zufällig dottore Fanellis oder Professor Helmbrechts Auge fällt. An dieser Stelle sei nun der Gesamttext erstmals der Öffentlichkeit zuständig gemacht. (Mein Rat: Der Leser stelle sich einen alten Herrn mit Schnapsnase und Nickelbrille vor, der die Worte etwas übertrieben deklamiert. Dann wird's noch eindrucksvoller):

Als der Menschen Schar dereinest
nach dem Osten auf sich machte,
wusst’ der Eine stets aufs Feinest,
was der And’re sprach und dachte.
Fröhlich im Vereine
rief man sich im Nu
hier das Allgemeine
stets im Urwort zu.

Auf, ihr Brüder,
brennt die Ziegel!
Brecht das Siegel
sterblich Lebens!
Uns’re Namen künden Lieder:
Krone allen ird’schen Strebens.

Ziegel wird aus Lehm gegossen,
Erdharz gründet fest die Mauern,
die zu Sinear entsprossen:
Bauwerk, ewiglich zu dauern.
Auf zum Himmelszelte!
Bunter Menschheit Schar
lockt der unverstellte
Ruhm gen Sinear.

Stein auf Steine,
Schicht auf Schichte,
hin zum Lichte,
aufwärts steige,
bis am End’ selbst Gott alleine
uns’rem Werk sein Haupte neige.

Da fährt Gott voll Zorn hernieder,
sieht der Menschen ruchlos Walten:
Stein auf Steine! Wieder! Wieder!
Nichts zwingt sie zum Innehalten.
Einig Sprach’ und Zungen,
einig Will’ und Wort.
Ist dies Werk gelungen,
dauert’s ewig fort.

Engel, eilet!
Dies zu enden
will ich senden
Pestilenzen.
Die ihr Krankheits Keim verteilet,
weiset mir dies Volk in Grenzen!

Menschen, die gleich Brüdern waren,
sieht man Zung’ und Sprach’ sich wirren.
Matt lässt’s Volk die Steine fahren,
um in fernste Land’ zu irren:
Dumpfer Wälder Hitze,
Nordlands eis’ge Luft.
Gottes Erben Sitze,
Gottes Sohnes kühle Gruft.

Süden, Norden,
Osten, Westen,
ziehn die Besten.
Bangheit steiget,
dass der grimme Gott mög’ morden,
was ihm Ehrfurcht nicht bezeiget.

Sieht voll Zweifel Gott ins Weite:
Die nach seinem Bild erschaffen’
und von seiner Seuch’ entzweite
Menschheit scheint’s dahinzuraffen.
Blickt von hoher Warte
auf sein Volk herab,
wägt mit sich im Rate
Für und Wider ab.

Engel, eilet
nun auf’s Neue,
die ihr Treue
habt geschworen!
Unter meinem Volk verteilet
Heilung, dass es nicht verloren!

So erreicht in letzter Stunde
der verstreuten Menschen Wohnung
ihrer Rettung frohe Kunde:
Gottes Gabe der Verschonung.
Doch nach kurzem Fristen
sorgt man sich um Trug
und entführt mit Listen
jener Heilung Krug.

Zu den Bergen
gegen Morgen
voll der Sorgen
durch die Pforte
zieh’n sie, winzigklein gleich Zwergen,
bergen ihn an diesem Orte.


Nun bin ich sicherlich der Letzte, der das beurteilen könnte, aber für mich persönlich rangiert dieses Poem recht weit oben unter denjenigen Goethe-Gedichten, die Goethe nicht geschrieben hat.

Und auf welchen Ort nun am Ende verwiesen wird ... Darüber weiß der Roman zu berichten, sowie - wer weiß - demnächst an dieser Stelle auch dieses Blog.

Unsere Reihe "Dichtung und Wahrheit" wird in jedem Fall fortgesetzt.

Bis dahin aber bleibe ich wiederum Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Dichtung und Wahrheit (1): Ein Wort zuvor

Ich hab viel nachgegrübelt in den letzten Tagen. Ein wenig Abstand vom just in time ist ja nicht das Schlechteste - manchmal, immer oder doch immer wieder.


Hätte ich mich z.B. überhaupt zur Affäre um den Verteidigungsminister a.D. äußern sollen? Die schärfsten Kritiker der Elche waren bekanntlich ... Der Leser ahnt es. Wobei ich doch in diesem Fall ganz frei in den Spiegel schauen kann. Ich wäre nie, nie, nie auf die Idee gekommen, irgendwelche Textpassagen abzukupfern, akademisch oder sonstwie. Dazu schwurbel ich selbst zu gerne rum.
Mal ehrlich: Was kann es Schöneres geben, als irgendwas zu Papier zu sudeln und dabei zu wissen, dass eine wissenschaftliche Koryphäe gezwungen sein wird, das aufmerksam zu lesen? Eigene Gedanken, eigene Theorien - etwas Neues, noch nicht Dagewesenes. Ist das nicht das Faszinierende an der Wissenschaft?
Also, mir hat das Spaß gemacht, und ich kann gar nicht verstehen, wie sich jemand diesen Spaß entgehen lässt. Vielleicht hängt das mit dieser mehrfachen Camouflage zusammen: Das Missverständnis besteht nicht darin, dass wir einen Politiker für einen Doktor gehalten haben, sondern darin, dass wir einen Schauspieler für einen Politiker gehalten haben. Naja, und da darf ich mich nun wirklich äußern. Die Performance gerade am Ende war jedenfalls richtig mies.


Auf der anderen Seite: Ich hatte ja diesen Grützbeutel im Bein - und das war durchaus richtig eklig, weil sich das Gewebe, das da nicht hin gehörte, bis in den Muskel gefressen hatte und ich immer noch Probleme mit dem Laufen habe. Kaum zu glauben, aber das hätte tatsächlich äußerst unangenehm werden können - und es wäre ja einfach gewesen, das auch in dieser Weise darzustellen. Denn natürlich ist auch ein Grützbeutel ein Tumor, und es ist wirklich nicht vergnüglich, im Anschluss an so einen Eingriff einfach weiter durchzupowern, wie ich das gemacht habe. Wegen der Verantwortung und so, oder, ganz ernsthaft: Weil ich glaube, dass das, was ich in meinen Büchern schreibe, tatsächlich Relevanz hat. Und bestände sie nur darin, den Leser an der einen oder anderen Stelle für einen Moment ins Grübeln zu bringen.


Und ich glaube, dass ich an dieser Stelle etwas verstanden habe. Zwar wiederhole ich gebetsmühlenartig, ein Roman müsse für sich allein stehen können. Was zum Verständnis notwendig ist, müsse zwischen den beiden Buchdeckeln gesagt sein.

Doch das ändert eben nichts daran, dass da noch mehr ist. Dichtung - und Wahrheit eben. Auf eine Weise ist der gedruckte Text dann eben doch nur die Spitze des Eisbergs. Hat Albert Einstein tatsächlich Segeltouren auf dem Schwielowsee unternommen? Existiert das Paläographische Institut in Weimar realiter? Lässt sich "Händels" absonderliches Babylon-Oratorium wirklich auf die von Stevie Styx entdeckten Versatzstücke intonieren? Ist es tatsächlich möglich, von Castel del Monte aus den Monte Vulture anzuvisieren - an eben jenem Punkt, an dem am 13. Dezember 1250 Sonne und Venus hinter den Horizont sanken?


Diesen und ähnlichen Fragen möchte ich unter dem Label "Dichtung und Wahrheit" nachgehen. Im Grunde sind es typische "faqs", wie sie einen Autor erreichen. Warum soll ich das immer nur konkret auf den Punkt beantworten? Dann doch lieber im Zusammenhang.

Mit Abstand. Für das ganze Bild.

Mit dem nächsten Posting geht's los. Bis dahin bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Mittwoch, 2. März 2011

Schmerzliche Trennung

"et si scandalizaverit te manus tua abscide illam", rät lt. Aussage des Evangelisten Markus der Heiland raunend (Markus 9,43. Text der Vulgata). "Und wenn deine Hand dich ärgert, so haue sie ab." Es sei besser, als Versehrter ins Paradies einzugehen denn in aller wünschenswerten körperlichen Integrität in die Hölle. Und das will einiges heißen. Die körperliche Integrität ist nicht unwichtig in alter christlicher Tradition. In jenem frühmittelalterlichen Moment, in dem sich das Christentum hierzulande ausbreitet, dass es eine Freude ist, ist es auch vorbei mit der Urnenbeisetzung, und plötzlich sind Körpergräber der letzte Schrei. Wenn man sich also trennt vom ärgerlichen Körperteil, muss es da schon schwerwiegende Gründe geben.

Nun, am Ende führte wohl kein Weg mehr dran vorbei. Hinfort mit dem räudigen, infizierten Gewebe!

Ein Atherom (vulgariter - nicht Vulgata - "Grützbeutel") ist eine unappetitliche Ansammlung von Haut- und Talggewebe, die sich unter einer verstopften Talgdrüse bildet. Tritt nicht allein bei unserer Spezies aus, sondern auch bei Artverwandten, und offenbar spielt eine gewisse erbliche Disposition eine Rolle.

Nun, der Chirurg wusste mich zu trösten: Es sei kein Zufall, dass mein Vater nach seinem Vierzigsten quasi keine Probleme mehr gehabt hätte mit den Grützbeuteln. Das könne auch bei mir der Fall sein (gut, ich hoffe mal, dass es auf zwei, drei Jahre nicht ankommt). Jedenfalls bin ich's gestern nun los geworden, das ärgerliche Gewebe - und interessante Gespräche mit dem Chirurgen gab's sogar noch gratis. Ja, ich recherchiere selbst auf dem OP-Tisch. Ich bin fest davon überzeugt, dass z.B. in Sachen Krampfadern noch längst nicht alle literarischen Register gezogen sind. Aber davon wird noch zu berichten sein.

Augenblicklich habe ich Anweisung, mich zwei, drei Tage unter Tramadol-Dröhnung aufs Sofa zu legen, habe aber festgestellt, dass ich die Dröhnung überhaupt nicht nötig habe. Gut, natürlich hat man Schmerzen, wenn man plötzlich eine tennisballgroße Einheit weniger Autor ist als vorher, aber das liegt nun in der Natur der Sache.


Also arbeite ich am Epilog zum Rungholt-Roman, nachdem ich in den letzten Tagen gemeinsam mit den Betalesern den Haupttext noch einmal durchgesehen habe. So weit sich das aus meiner doch recht subjektiven Perspektive sagen lässt: Ich find's spannend. Nur immer schade, dass ich das Ende schon kenne.

Das werde ich nun nicht unbedingt vorab berichten, doch das eine oder andere Detail gibt's vielleicht doch noch vor Erscheinen (Herbst 2011, Penhaligon) des Romans.

Und zwar wie immer an dieser Stelle von Eurem und Ihrem


Stephan Rother

Dienstag, 1. März 2011

+++ breaking news +++ Guttenberg erklärt Rücktritt +++ Rother steht wg. Kaffeeschalen-Affäre (1997) für Nachfolge nicht zur Verfügung +++

Montag, 28. Februar 2011

Kleinkriminalität

Och nö, nicht schon wieder der Guttenberg ...

I'm truly sorry, aber wem das beim Titel des aktuellen Beitrags durch den Kopf schießt, der hat den letzten nicht verstanden. Nein, diesmal geht's nicht um die gestohlene Lebensleistungen, obwohl ...

Im Mittelalter wusste man durchaus einen Unterschied zu machen zwischen offen-ehrlichem, herzerfrischendem Straßenraub und heimlichem Diebstahl. Wenn so ein Freiherr im vollen Schmuck von Wehr und Waffen dem Nachbarbaron eine Schweineherde abknöpfte, war das eine Sache - irgendwo einen Apfel mitgehen zu lassen, war eine andere, tendenziell schlimmere. Heimlichkeit war strafverschärfend - im noch gebräuchlichen Begriff der "Heimtücke" lebt das fort. Es hängt mir unserer modernen Wertschätzung des Privaten zusammen, dass wir das heute zum Teil anders sehen.

Und darum ... es ist schmerzlich, aber es scheint an der Zeit, eigene Verfehlungen zu beichten. Auch das übrigens ein genuin mittelalterlicher Gedanke: Mittelalterliche Hinrichtungen fanden in der Öffentlichkeit statt. Damit konnte die schuldige Seele demonstrieren, dass sie ihre Schuld gebüßt hat. Auch hierzu vgl. den Auftritt des (bedingt reuigen) Sünders T. zu G. vor dem Deutschen Bundestag.

Da meine persönliche Redezeit vor diesem hohen Hause nun aber gegen Null geht, wähle ich diesen Weg:


Links im Bild meine allerliebste Kaffeeschale, im Mai 1997 mitgeschmuggelt aus einem Etablissement namens "Pierre et Vacances" an der Côte d'Azur.
Rechts im Bild ein sehr stylischer Kaffeelöffel, den meine jetzige Frau etwa zur selben Zeit in einer Bielefelder Mensa entwendet hat (ich hab nachgerechnet; sie war bereits strafmündig).

Mit aller schmerzlichen Zerknirschtheit rufen wir hinaus in die Welt:
mea culpa! mea culpa! mea maxima culpa!

Das sei's dann aber auch gewesen. Die Öffentlichkeit ist hergestellt. Das Diebesgut behalten wir.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

P.S.: Weiß zufällig jemand, wo's diese schicken Löffel heute noch gibt? Bitte um Nachricht. Dann gehen wir da mal essen.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Steige herab! Steige herab!

Um es vorauszuschicken: Weder bin ich ein besonderer Fan von Jürgen Trittin (ich hab ihm mal ein Futon geliefert, und er hat kein Trinkgeld gegeben), noch kann ich mich als großen Anhänger der Französischen Revolution bezeichnen. Doch das ändert nichts daran, dass wir in den letzten Tagen Entwicklungen erleben, die ich mit brennender Sorge 1) verfolge.

"There'll be the breaking of the ancient western code" 2) hörten wir Leonard Cohen vor bald zwanzig Jahren verkünden, und Mancher wird sich gefragt haben, was der Meister mit diesen Worten gemeint haben könnte. Cohens Texte sind selten rein assoziativ, und mit ziemlicher Sicherheit hatte er was anderes im Kopf als ich. Dennoch kamen mir diese Worte angesichts der Vorgänge, deren Zeugen wir werden, jetzt wieder in den Sinn.

Die Vorgänge sind bekannt: Dem gegenwärtigen Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Theodor zu Guttenberg, ist von der zuständigen Promotionsstelle bescheinigt worden, ein Plagiat begangen zu haben. Sein Titel - Dr. iur. - ist ihm entzogen worden. Grund zu einem Rücktritt von seinem Ministeramt kann zu Guttenberg daraus nicht erkennen.

Blicken wir nun zurück, blicken wir auf die vergangenen gut zweihundert Jahre seit der - eben - Französischen Revolution von 1789 und der vorangegangenen Epoche der Aufklärung, so können wir in dieser Zeit doch ein bestimmtes Muster erkennen: Es ist die Epoche des Bürgertums. Die Epoche, in der sich der einzelne Mensch das Recht auf seinen persönlichen "pursuit of happyness" 3) erkämpft hat. Das Streben nach Glück, Erfolg, Aufstieg des Einzelnen ist damit ausdrücklich sanktioniert worden.

Die erfolgreiche Leistung des Einzelnen, die - das ist mitgedacht - natürlich über das eigene individuelle Wohlergehen hinausgehen an das Morgen und die Allgemeinheit denken sollte, kann nun auf unterschiedliche Weise verdeutlicht werden. Ein "Klassiker" ist dabei natürlich der akademische Titel. Nicht ohne Grund sprechen wir vom "Bildungsbürgertum". Die Verleihung eines solchen Titels stellt eine Auszeichnung für individuelle Verdienste dar. Im Sinne des Bildungsbürgertums ist damit gerade ein Unterschied gemacht zu den nicht-individuellen, überkommenen Privilegien des Adels, die sich - zumindest theoretisch - aus der kollektiven Leistung der Vorfahren ergeben. Die Leistungen des Adels müssen dabei nichts Negatives sein! Der "dritte Stand" von 1789 hatte mit Sicherheit jeden Grund zur Kritik an den ersten beiden (Kirche und Adel), doch sind es gerade diese beiden ersten Stände gewesen, die in der Vergangenheit vor allem über den Tag hinaus gedacht haben: An das Morgen. An das, was wir heute als "Nachhaltigkeit" bezeichnen würden. In archaischen Zeiten konnte seitens des Volkes erwartet werden, dass sich der König für die Allgemeinheit aufopferte. 4) Es war, kurzum, eine Frage der Ehre.

Doch das war noch einmal eine andere Epoche. Unser "ancient western code" beginnt mit 1776 und 1789 und den Kräften, die damals am Werk waren. Mit der individuellen Leistung und der Verantwortung für die individuelle Leistung - und Fehlleistung. Theodor zu Guttenberg lehnt nun die Konsequenzen aus seiner Fehlleistung ab (das bloße Angebot, seinen Titel zurückzugeben kann kaum als angemessene Konsequenz betrachtet werden). Es ist erschreckend zu beobachten, dass sich aus dem sogenannten "bürgerlichen Lager" kaum eine Stimme erhebt, die seine Verantwortung anmahnt. Das bleibt - was natürlich wohlfeil ist - der Opposition vorbehalten. Gut, nun war es ausgerechnet der Mann mit dem Futon, der dazu einen Heroen des bürgerlichen Zeitalters bemühte, Thomas Mann, und mit Blick auf Guttenberg eine Passage aus den 'Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull' 5) zitierte. Ein ehrabschneidender Vorgang. Die Frage ist, ob sich der Gescholtene dagegen wehren kann. Er kann es nicht. Die Promotionsstelle hat ihm ausdrücklich bescheinigt, dass seine mit der Dissertation eingereichte ehrenwörtliche Erklärung falsch war.

Dass ein Minister unter diesen Voraussetzungen in einem bürgerlichen Zeitalter im Amt bleibt, ist unvorstellbar. Und doch scheint genau das der Fall zu sein.

This is the breaking of the ancient western code. Wir leben an einer Zeitenwende, und das, was hier heraufdämmert, ist nicht etwa die Renaissance eines vorbürgerlichen Zeitalters. Der Adel dieser vorbürgerlichen Zeit war nämlich sehr wohl fähig zu persönlichen Konsequenzen, zur persönlichen Demütigung - auch im Namen der Ehre. Ehre nämlich, wie mein Mentor einmal formulierte, Ehre hat man - oder man hat sie nicht.

Konsequenzen aus nicht hinnehmbaren Taten jedenfalls wusste man auch seinerzeit schon einzufordern. Heinrich IV. aus der Familie der Salier, deutscher König und nachmals Kaiser, der sich beim berühmten Gang nach Canossa zur eigenen Demütigung in höchstem Maße fähig zeigte, in seinem Absageschreiben an Papst Gregor VII.: "Tu ergo hoc anathemate et omnium episcoporum nostrorum iudicio et nostro dampnatus descende, vendicatam sedem apostolicam relinque. Alius in solium beati Petri ascendat, qui nulla violentiam religione palliet, sed beati Petri sanam doctrinam doceat. Ego, H. Dei gratia rex cum omnibus episcopis nostris tibi dicimus: descende, descende!" 6)

Steige herab, Verdammter! Steige herab! Steige herab!

Fußnoten

1) http://www.vatican.va/holy_father/pius_xi/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_14031937_mit-brennender-sorge_ge.html
2) http://www.leonardcohenfiles.com/future.html
3) http://www.archives.gov/exhibits/charters/declaration_transcript.html
4) http://de.wikipedia.org/wiki/Leonidas_I.
5) http://www.literaturlexikon-online.de/02_TM-Figurenlexikon/index.html
6) http://www.histosem.uni-kiel.de/legitimation/quellentext/1076absageschreiben.html

Montag, 21. Februar 2011

Hell freezes over?


Wir erinnern uns: Irgendwann an einem subtropischen Novembertag des vergangenen Herbstes hatte ich von einer Exkursion berichtet, die meine Frau und ins Durchbruchstal der Aue zu Füßen des "Höllbergs" unternommen hatten, wo wir unvermittelt auf ein - mögliches - Quellgebiet gestoßen waren. Genausogut könnte es sich um Überreste eines abgeschnittenen Mäanders des Flüsschens handeln, der auf dem Urmesstischblatt noch als wasserführend zu erkennen ist. Seinerzeit hatte ich hoch und heilig versprochen, die Örtlichkeit während der Permafrostperiode noch einmal aufzusuchen, um die Schüttung der - möglichen - Quellen zu überprüfen. Das funktioniert denkbar einfach: Ein stehendes Gewässer friert zu, wenn die Temperatur dauerhaft unter Null liegt. Quellwasser, das frisch aus dem Boden tritt, hat hingegen Sommers wie Winters annähernd dieselbe Temperatur. Die Wasserfläche müsste demnach offen sein.


Da ich ein hohes und heiliges Versprechen ernster nehme als ... sagen wir, manchereiner seine Ehrenerklärung eingangs einer juristischen Promotionsarbeit an der Uni Bayreuth, haben wir uns nun auf den Weg gemacht. Die wichtigsten Erkenntnisse seien hier im Bilde festgehalten.


Wie deutlich zu erkennen ist, sieht das Wasser zwar nicht eigentlich appetitlicher aus als vor einem Vierteljahr, aber von Zufrieren kann ganz eindeutig nicht die Rede sein. Da die Senke zudem fast den ganzen Tag im Schatten liegt, können wir auch mögliche Effekte der Sonneneinstrahlung außer Acht lassen. (Wir erinnern uns: Dass der namengebende Steilhang des Höll- oder Hellbergs in Wahrheit ein eher dunkler Ort ist, stellt nur vermeintlich einen Widerspruch dar. Der höllenhaft steile Talkessel ist vielmehr ein Ort zwischen den Welten, an dem das Wasser aus dem Reich des Unsichtbaren in das Reich des Sichtbaren tritt). Mit einem Wort: Heureka! Oder, vulgariter: Hell doesn't freeze over.
Quod erat demonstrandum: Am Höllberg zwischen Overstedt und Wieren treten tatsächlich eine Reihe relativ stark schüttender Hangdruckquellen aus.


Nachzutragen ist noch eine Nachricht, die mich aus einer hier nicht genannten Alpenrepublik erreicht: Bei den im vorletzten Posting vermeintlich gesichteten Spuren der Kreuzotter (Vipera berus) handelt es sich vielmehr um eine unter der - nun abgetauten - Schneeauflage deutlich sichtbare Fährte einer Wühlmaus-(Arvicolinae)Art. Obigen Fund hingegen können wir in Eigenregie eindeutig dem gemeinen Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) zuordnen

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Freitag, 18. Februar 2011

Verdammich!

Wollte Theo zu Guttenbergs Stellungnahme zu den Plagiatvorwürfen verfolgen - im ZDF. Sie hatten versprochen, das Programm zu unterbrechen, lief gerade "Reich und Schön". Haben sie wohl auch gemacht, aber ich hab nur mit einem Auge hingesehen, und jetzt hab ich's verpasst. Dachte, der Typ gehört dazu :/


(Bildtitel: Erosion. Aufgenommen gestern unweit des Höllbergs bei Overstedt)

PS: Eben nachgeschaut. Meine Magisterarbeit hat 120 Seiten Text und 1.287 Fußnoten, also ca. elf pro Seite. Ist eben ein wissenschaftliches Werk, da ist das eher unterer Schnitt. Wissenschaft ist bekanntlich Detailarbeit eng an den Quellen und der wissenschaftlichen Literatur, die sich bereits mit diesen Quellen beschäftigt (die in meinem Fall zum großen Teil selbst hundert, hundertfünfzig Jahre alt waren). Das Interesse an der Geschichte der Herren von dem Knesebeck mag nun nicht so schweinemäßig groß sein. Sie sind auch kein Thema in Tageszeitungen - so dass ich kaum in Versuchung kam, da irgendwas zu klauen.
Ich frag mich nur, wo der - mit summa cum laude ausgezeichnete - wissenschaftliche Gewinn ist, wenn die Erkenntnisse aus einer Promotionsarbeit dieselben sind, die zehn Jahre vorher schon in der Tagespresse nachzulesen waren.
So ein Ergebnis kann man sich doch ... naja ...

In die Haare schmieren.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Das Licht! Das Licht! (2)

Hm, wie's aussieht, hat mich das Universum mal wieder beschissen. Zu Imbolc standen die Zeichen auf alsbaldige Demission des Winters. Naja, kommt vor, ist nicht schön, aber was hilft's? Da muss man durch. Jedenfalls wurden uns in den vergangenen achtundvierzig Stunden gut zehn Zentimeter Neuschneeauflage verehrt.


Letztlich ist's mal wieder eine Frage der Perspektive. Ich beschäftige mich ja seit einigen Jahren - mit wechselndem Erfolg - mit einem Prinzip, das ich für mich selbst als Energiewandlung bezeichne. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass so etwas wie 'Stress' nicht im eigentlichen Sinne existiert. Wenn der Schädel summt und brummt angesichts der allfälligen Reizüberflutung und der tausend-Dinge-auf-einmal, ist im Grunde nichts anderes zu leisten, als den richtigen Schalter an der richtigen Stelle umzulegen und schon: Tschaka! Nun, manchmal klappt's, manchmal nicht.


(Foto oben noch vor dem Wintereinbruch aufgenommen. Von links nach rechts: Alte Wierener Kirche, Lucy, neue Wierener Kirche).

Unerfreuliche meteorologische Erscheinungen können jedenfalls auch sehr inspirierend sein, wenn mans einmal schafft, dem Ganzen eine positive Seite abzugewinnen. Da ich momentan - nach Fertigstellung des hauptsächlichen Rungholt-Konvoluts - einen Erzählstrang um "die Meteorologen" einziehe, die das erschröckliche Geschehen im nordfriesischen Archipel von außen beleuchten, ist der Weg natürlich nicht so schweinemäßig weit. Anfangs wollte ich einfach ein paar sachliche Seewetterberichte einschalten, aber das kam dann doch ein wenig dröge daher. Und warum sollte ich weniger einfallsreich sein als das Universum?


Wobei auch - und selbst - ich manchmal mit meiner Weisheit am Ende bin. Ich bitte um einen kleinen Blick auf das obige Foto, aufgenommen unweit des einstigen "Breiten Pohls" in der Feldmark zwischen Häcklingen, Overstedt und Schostorf - Käffer (wie Arno Schmidt gesagt hätte), die keine Sau kennt (was er möglich nicht gesagt hätte). Die Frage ist: Was ist das? Von diesen Spuren gab es eine ganze Reihe, die sich wirr wuselnd hin und her wanden. Wühlmäuse? Sind die nicht eher unter Tage tätig? Wasserablaufrinnen? Das Gelände fällt im Kleinstprofil zu dem einstigen Wasserlauf ab, der den breiten Pohl wohl mal entwässert hat (funktioniert nicht mehr, siehe folgendes Foto. Lt. Eingeborenenaussage steht das Wasser da jedes Jahr). Hm, womöglich Kreuzottern? Die sind durchaus noch unterwegs hier in der Gegend. Vielleicht hat ja jemand eine Idee.


Ansonsten ... Gestern habe ich die neuen Verkaufszahlen von Amadeo Fanellis Abenteuern bekommen. Liest sich wirklich schon sehr stattlich. Bei rezensenten.de habe ich gerade wieder eine sehr freundliche Besprechung gefunden. Ja, unser Professor macht Spaß - mir auch :)

Oh, und Ysabetha hat ein paar interessante Videos aus der alten Zeit eingestellt. Amanda Lear ... Doch, wenn man sich das so anschaut, hatte ich doch schon einen recht elaborierten Geschmack mit zehn Jahren: Er ist immer noch eine wunderschöne Frau. Und wer braucht eigentlich Lady Gaga?

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 5. Februar 2011

Das Licht! Das Licht!

Ich bin ja bekanntermaßen ein vorsichtiger Mensch. Inzwischen zumindest, im vorgerückten Alter. Ich liebe Hintertürchen, Rückversicherungen - nicht mal zwingend monetär. Vielleicht färbt da ja wirklich ein bisschen die elterliche "Wer weiß, ob man das nicht noch mal brauchen kann"-Haltung durch. Meine Frau und ich hatten vor ein paar Jahren mal eine interessante Unterhaltung über ihre schlesische Großmutter und das Potential, das in einer faktisch leeren Margarinedose liegt.
"Na?", fragte sie. "Was hätte Oma Ellie wohl mit dieser Dose gemacht?"
Ich: "Hm, sie hätte die Reste mit einem Zewatuch gesammelt, um eine beschichtete Pfanne damit einzufetten. Dann hätte sie das Zewatuch in der Dose gelagert - fürs nächste Mal - bis das Fett ranzig geworden ist (beyond reasonable doubt). Und schließlich hätte sie die leere Dose zu den zweihundert anderen leeren Dosen in der Speisekammer gestapelt, weil sich bestimmt noch mal eine Möglichkeit zur Verwendung finden wird."
Hundert Punkte für diese elaborierte Antwort. Wenn ich heute so recht drüber nachdenke, ist das irgendwie bedenklich. Nicht, dass ich das machen würde wie meine Adoptivschwiegeroma, aber die schlesischen Gene sind ja nun auch bei mir angelegt (meine eigene schlesische Oma - väterlicherseits - war Jahrgang 1897). Vermutlich wirft es bereits ein deutliches Licht, dass ich den potentiellen Margarinedoseneinsatz auch nur im Gedankenexperiment nachvollziehen kann.





Nein, man kann nie wissen, wozu man Gegenstand xy noch brauchen kann. Da war mein pommerscher Großvater (mütterlicherseits, Jahrgang 1908; der wiederholt beschworene Meister Emil) ganz ähnlich. Ein Meister im Improvisieren, der Zweitverwendung. Und es ist nicht zu leugnen, dass das irgendwie auch bei mir durchschlägt: Hey, diese Passage ist an sich ziemlich gut gelungen. Passt leider nicht zum Buch, an dem du gerade schreibst oder zumindest nicht in diese Passage, aber gut ist sie ... Also heben wir sie doch auf. Die Festplatte ist geduldig, und wenn dieser Abschnitt sich nicht in die Rungholt-Erzählung fügen möchte, die ich gegenwärtig mit einem illustren Kreis von Betalesern vorbereite. Wer weiß ...




Wer weiß, wenn ich mich in ein paar Jahren noch erinnern sollte, was "Nordenstjern-Erinnerung aufheben" eigentlich war, gibt's das auch noch mal gedruckt:

Unvermittelt trat Henning eine Szene auf dem Präsidium in Kopenhagen vor Augen, im Büro des alten Nordenstjern, der eigentlich noch gar nicht so alt war, nur eben … bitter. Das war es. Henning wusste nicht, warum. Doch es gab keinen Zweifel, dass Kriminalinspektor Hendrik Nordenstjern eine Legende war als Ermittler. Dass er in die Dunkelheiten der Menschen und Dinge geblickt hatte wie kaum ein anderer Beamter auf der gesamten Behörde.
Kriminalinspektor Nordenstjern hatte den jungen Beamten, die er auf ihren ersten Einsatz bei einem Kapitalverbrechen vorbereitete, den Rücken zugedreht, aus dem Fenster geschaut.
The course of true love never did run smooth. – Notzucht, häusliche Misshandlung, was Sie wollen: Wir sprechen von Verbrechen aus Leidenschaft, selbst hier in diesen Räumen. Warum tun wir das? Kann es sein, dass wir die Dinge in einer bestimmten Weise sehen wollen, weil wir sie nur so begreifen können? Leidenschaft, hat das nicht mit Romantik zu tun, mit etwas, das wir kennen? Mit Liebe, die vielleicht einmal erwidert wurde – oder auch nicht? Verschmähte Zuneigung, die einen Menschen dazu treibt, seine Wünsche mit Gewalt durchzusetzen? Aber das ist falsch, wie es nur sein kann. Liebe hat damit überhaupt nichts zu tun.“
Der Alte hatte sich umgedreht, seine Blicke über Henning und seine Kollegen schweifen lassen, damals alle noch auf dem zweiten oder dritten Grad in der Hierarchie der Kriminalassistenten.
This thing of darkness. – Hass. Nur darum geht es. Was immer es war, das die Seelen dieser Menschen in einem Maße zerrüttet hat, dass sie zu solchen Taten fähig werden. Denken Sie immer daran. Das ist die einzige Wurzel: Hass.“






Ähnlich die berühmten letzten Worte. In der Zeit der berüchtigten Apparatemedizin weiß man nie, ob man dazu kommt, sie im entscheidenden Moment noch auszusprechen. Da hilft nur eins: Im Voraus notieren, dokumentieren. Wär doch schade für die Nachwelt; schließlich wird sowas gern kolportiert. (Ich hab schon ein paar Favoriten, schwanke aber noch; alles verknüpfen geht nicht, weil's nicht passt. Vielleicht werd ich notgedrungen einiges davon aufheben müssen fürs nächste Leben.)




Wie ich aber drauf komme: Vor einigen Tagen konnten wir wieder das Fest von Imbolc/Mariä Reinigung/Groundhog Day begehen, je nach weltanschaulicher Facon am 31. Januar, 1. oder 2. Februar. An diesem Tag - welchem nun auch immer - soll sich der Fama nach bekanntlich abzeichnen, ob der Winter nun bald zu Ende ist. Strahlender Sonnenschein: Es bleibt noch eine Weile schweinekalt. Graues Sauwetter: Die Zikaden stehen schon in den Startlöchern. Grundsätzlich ist rund um Imbolc bereits zu spüren, dass die Tage länger werden. Die Sonne verzieht sich in mitteleuropäischen Breiten nicht mehr um vier, sondern erst gegen fünf, Viertel nach fünf hinter den Horizont. Und das Licht ... Ja, das Licht dieser Tage ist einzigartig - es sei denn, wir haben eben die Sauwetter-Variante. Genau die hatten hellsichtige Meteorologen nun allerdings angekündigt. Was also tun, wenn ein Das Licht! Das Licht!-Eintrag doch schon vorgemerkt ist? Logisch: Unsere Imbolc-Fotos, die das einzigartige Licht an diesem Tag dokumentieren sollen, sind ein paar Tage früher aufgenommen worden, rund um Bad Bodenteich und an einem meiner liebsten Quellläufe, dem Räberspring.
Die Witterung war einfach schöner in der letzten Januar-Dekade.





Gut, dass ich sie aufgehoben habe.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Montag, 24. Januar 2011

Null Bock?

Manchmal ...



Manchmal kriegt man's einfach nicht hin, sich aufzuraffen. Der junge Mann im Bild oben hat eigentlich einen fest definierten Job, den wir mit "Inspiration" umschreiben dürfen. Nach dem Motto: Wenn er nicht fließen will, der stream of consciousness, schau ich mal eben die Katze an, und schon fließen sie, die Ideen. Soweit die Theorie. Die Frage ist: Wer motiviert die Katze?

Erfahrungsgemäß gibt es dann nur eine Chance, aus dieser Null Bock-Haltung rauszukommen. Eine kleine Wanderung, Sauerstoff, atmen. Schlechtes Wetter gibt es bekanntlich nicht - und schließlich habe ich den Rungholt-Showdown zu schreiben.



Und siehe da - plötzlich kamen die Jungs um die Ecke. Ich bin mir nicht ganz sicher, wer von uns sich mehr erschrocken hat.

Doch ich hab eine Vermutung.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother