Samstag, 1. November 2008

Ich bin hindurch!

Das passende Wort, verehrte potentielle Leserschaft, zum passenden Datum. Der 31. Oktober 1517, der Zeitpunkt des angeblichen Anschlags der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, markiert zugegeben erst den Beginn der ungeheuren welthistorischen Entwicklung, die Martin Luthers Reformationsbemühungen auslösen sollten – doch es ist eben auch jenes Datum, das auf den Wormser Reichstag hinführte, an dessen Ende Luther eben dies ausrufen konnte: Ich bin hindurch! Und wenn ich tausend Köpfe hätte, ich würde sie mir eher abschlagen lassen, als zu widerrufen!

Und irgendwie kann ich heute gerade ganz gut nachvollziehen, wie er sich damals gefühlt haben muss. Nun sei es mir fern, das, was ich fabriziere, irgendwie mit den Schriften des Doktor Martin L. vergleichen zu wollen – weder im Positiven noch im Negativen – doch ein Hindurch, das spüre auch ich heute:

„Das Geheimnis des Dorian Grave – Mehr als du wissen darfst“ hat auf der Frankfurter Buchmesse das Licht der Welt erblickt und sollte in diesen Tagen beim Buchhändler Ihres und Eures Vertrauens eintreffen. In Frankfurt, bei den Literaturtagen im altmärkischen Osterburg und an jenem Ort, der im Roman eine solche Rolle spielt, in Ebstorf, haben wir erste Lesungen erlebt – und die Reaktionen übertreffen alle Erwartungen, die ich möglicherweise gehegt habe. Das Interesse ist ungeheuer. Im Frankfurter Literaturbahnhof war sogar ein leibhaftiges Ungeheuer mit dabei: Mein lieber Baumhaus-Kollege Klaus Baumgart war mit seinem neuen Werk „Elli – ungeheuer geheim“ zugegen. Eine wunder- und fantasievolle Geschichte um ein Nachwuchsgespenst, die sicher eine Menge Fans finden wird.

Was nun die Geschichte von Mr Grave anbetrifft: Die Reaktionen machen mir selbst natürlich gehörig Lust, die Story weiterzuerzählen – doch dazu an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Hindurch bin ich aber vor allem durch die letzten Wochen, in denen ein solcher Wust von Terminen anstand, dass es mir schon geraume Zeit davor grauste. Ein „besseres Ereignis-Timing“ forderte die Titanic! (wenn ich mich recht entsinne) zu Zeiten der Wiedervereinigung – dem hätte ich mich in diesem Oktober vollen Herzens anschließen können. Die Grave-Veröffentlichung, mein Bühnenabschied und ganz nebenbei mein vierzigster Jubeltag geballt und massiert. Gut, ich hatte es so gewollt. Ich wollte ganz bewusst eine Zäsur setzen, mir selbst deutlich machen, was ich mit den NÄCHSTEN vierzig Jahren anzufangen gedenke. Dass dieses Vorhaben dermaßen, nun, ereignisintensiv werden würde, dass mir Zweifel zwischendrin kommen würden, ob es diese vierzig Jahre überhaupt noch geben würde – das hatte ich nun nicht geahnt.

Unsere Abschiedsabende auf Burg Bodenteich waren wunderschön und wunderstressig zugleich. Während des Gesprächs mit Holger Boden vom Isenhagener Kreisblatt, in dem ich im April meinen Bühnenabschied ankündigte, hatte ich die Idee entwickelt, in bester Bowie-Tradition tatsächlich auf der Bühne abzuleben. Im Ergebnis haben wir das nun dahingehend variiert, das am Beginn der Darbietung zu den Klängen des Trauermarschs aus der Götterdämmerung bereits die Bahre hereingetragen wird und anschließend die unterschiedlichen Figuren, die ich im Verlaufe meiner Bühnenkarriere verkörpert habe, dem verstorbenen Magister Rother ihre Referenz erweisen. Die Musik durfte dabei natürlich nicht fehlen. Lady Ginevra und ihre neue Band Schafspelz standen freundlicherweise zur Verfügung. Auf einmal war die Sache rund. Womit wir nicht gerechnet hatten, war das immense Interesse der Öffentlichkeit. Gut, wir hatten natürlich auf ein ausverkauftes Haus gehofft – aber dass wir den eilig für den folgenden Tag angesetzten Zusatztermin ebenfalls in Windeseile ausverkaufen würden, das hatte dann doch niemand erwartet. Für mich bedeutete das ein Dutzend Kostümwechsel innerhalb von zwei Stunden, und am nächsten Tag noch einmal von vorn.

Man stirbt nur zwei Mal.

Und so fühlte ich mich am Ende auch. Unerwartet kam da noch die offizielle Ehrung durch den Flecken Bodenteich. Was genau es mit der Ehrengabe auf sich hat, die mir aus den Händen des stellvertrenden Bürgermeisters Werner Schulz verliehen wurde, konnte ich bisher nicht eruieren. Der Förderkreis Burg war vor zwei Jahren der erste Träger dieser Auszeichnung. Der Förderkreis Burg ist eine Korporation – ich bin keine. Vermutlich soll die Ehrung für mein künftiges Wohlverhalten bürgen. Nun, ich will und werde tun, worum ich mich ganz ehrlich immer bemühe – um mein Bestes. Und in den letzten Wochen war das ein tierisch anstrengendes Bestes.



Hier im Bilde die Verleihung - im Bilde festgehalten durch Marc Lücke, der in einem (logo, sehr lesenwerten) Artikel im Isenhagener Kreisblatt berichtete (ich frag gleich noch, ob ich's auch verwenden darf). Bitte anklicken - so sieht man nur den Herrn Bürgermeister. Nicht, dass der nicht an sich sehenswert wäre, aber irgendwie fehlt da noch was.

Doch nun, verehrte potentielle Leserschaft: Ich bin hindurch und gelobe feierlich, die mir verbleibende Kraft fürderhin allem voran dem geschriebenen Wort zu widmen … als bescheidener Arbeiter im literarischen Weinberg des Herrn. Es gibt noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Ich erwarte sie voller Spannung und mit einem glücklichen Lächeln, wie es ja vielleicht auch der Doktor aus Wittenberg auf den Lippen getragen hat, als er sich zu seinem Entschluss durchgerungen und allen Anfechtungen widerstanden hatte.

Ich bin hindurch und bleibe bis zum nächsten Mal an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother

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