Mittwoch, 3. August 2016

Lektüre

Mir ist da vorhin etwas zu Bewusstsein gekommen: In den letzten Tagen ist hier ja eine ganze Menge die Rede von "Der Turm der Welt", von meinem Besuch in Reinbek anlässlich von "Der Turm der Welt" und von der Leserunde zu "Der Turm der ..." Schon klar: Ich denke, den meisten Lesern ist dann nicht verborgen geblieben, das ein neues Buch von mir erscheint. Deshalb heute einmal Atem holen - denn das habe auch ich in den letzten Wochen getan: Atem geholt. Und zwar beim Lesen. Vielleicht ist es ganz interessant, einen Blick nicht nur auf den Output, sondern auch auf den Input eines Autors zu werfen.

 Also: Insgesamt habe ich seit Anfang Juni natürlich wesentlich mehr gelesen als hier im Beispiel dargestellt. Diese Zeit - zwischen zwei eigenen Büchern - nutze ich aus, so gut es geht. Während ich an einem Manuskript arbeite, lese ich nämlich überhaupt nicht; jedenfalls keine Romane. Die Sorge, dass etwas abfärben könnte vom Stil des jeweiligen Autors, ist einfach zu groß.


Beginnen wir oben in der Mitte und dann gegen den Uhrzeigersinn (wär ganz clever gewesen, die Bücher anders hinzulegen, aber das ist jetzt so): Erik Larson, "Der Untergang der Lusitania" und Peter Wende, "Das Britische Weltreich" stehen stellvertretend für die vier- oder fünftausend Seiten Sachliteratur, die ich im Vorfeld eines neuen Monferat-Titels durcharbeite. Keineswegs nur Literatur zu dem konkreten Gegenstand, über den ich schreiben will, sondern eine Menge drumherum, um mich in die Zeit einzufuchsen. Der eine oder andere Titel kommt dabei eher schwergängig daher (der Band von Wende ist recht wissenschaftlich gehalten), während bei anderen Veröffentlichung - Larsons Lusitania-Titel - das Lesen richtig Spaß macht. (Ich will jetzt nicht von "spannend" sprechen; im konkreten Fall ist ja recht klar, wie's ausgeht.)

Nun aber zu der wirklich entspannenden Lektüre: Hemingways riesengroße kleine Erzählung mit ihren vielfachen Bedeutungsschichten, ihren Anklängen an biblische Motive wie die Versprechen der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. Ein bisschen wie am Ende des Goetheschen Faust (zweiter Teil): Eröffn'ich Räume vielen Millionen. / nicht sicher zwar, doch tätig frei zu wohnen. - Das alles hat mir dann in den letzten Wochen unter dem Eindruck der Anschläge und Amokläufe sehr geholfen. Das Bewusstsein, was wir eigentlich verteidigen gegen die Attentäter: Unser Recht, unser Leben unserem Wesen gemäß einzurichten. ("I am involved in a freedom ride protesting the loss of the minority rights belonging to the few remaining earthbound stars. All we demanded was our right to twinkle." Marilyn Monroe. Ein Satz der leitmotivisch auch über dem 'Turm der Welt' steht.)

Logisch würde jetzt "Kruso" anknüpfen, aber ich hab die Bücher eben anders hingelegt. T.C. Boyle war ein Wagnis. Ich hab diesen Autor bis heute vermieden, weil ich festgestellt habe, dass ich ein Problem habe mit "Kultautoren". Weder mit Terry Pratchett noch mit Douglas Adams kann ich sonderlich viel anfangen. Boyle dagegen schreibt einfach wunderschön, in gut gelauntem Tonfall und doch präzise bis ins einzelne Wort hinein. Eine Reportage, wie sich ein Mensch auf der Jagd nach einer großen Vision verändert, wie er die Bedürfnisse anderer Menschen beiseite drängt (auch hier nur eine von mehreren Bedeutungsebenen): Das ist sehr eindrucksvoll. Vielleicht ist es dem Schreibberserker auch einfach nur recht nahe.

Nun, bei Kruso, geht es wieder um die Freiheit. Wie sie gemeint ist, wie sie gelebt werden kann, und wie leicht sie verspielt wird, wenn Menschen dem Missverständnis unterliegen, Freiheit bedeute, dass ich tun und lassen kann, was mir gerade in den Kopf kommt, und zur Hölle mit den Konsequenzen. Angesiedelt im Mikrokosmos der Aussteiger (die, richtig gelebt, gerade so viel mehr sind als Aussteiger) auf der Insel Hiddensee im letzten Sommer der DDR: ein gewaltiges Buch, das ich atemlos durchgelesen habe.

Ja, und damit ... Jeffrey Archer. Ich gestehe, dass ich die Clifton-Reihe erworben habe, weil sie scheinbar ein ähnliches Publikum anspricht wie Monferat. Scheinbar. Die Cover sind hübsch. Hätte ich die Bücher niemals aufgeschlagen, hätte ich weiter dran geglaubt. - Mir ist ja bewusst, dass reine Unterhaltungstitel eigenen Gesetzen gehorchen, doch auch reine Unterhaltungstitel lassen sich doch gut oder schlecht schreiben. Und diese Bücher sind schlecht. Die Figuren sind wie mit dem Vorschlaghammer gezeichnet, eine wie auch immer geartete Entwicklung findet nicht statt. Die Handlung ist zum Verzweifeln vorhersehbar. Die Zeitumstände fließen in homöopathischer Dosis ein, und der Autor bekommt es hin, sie selbst da noch zu verbiegen. Wenn augenscheinlich eine "Botschaft" vermittelt werden soll, so ist diese von weltanschaulich zweifelhafter Natur: Ein anständiger Mann drückt sich nicht vor dem Dienst an der Waffe. Jawoll! - Da war "Vom Winde verweht" schon weiter.

Zum versöhnlichen Abschluss nun aber ein Beispiel für einen wirklich gut gemachten, vielschichtigen Unterhaltungstitel. Hell-Go-Land vereint die archetypische Konfrontation zwischen Mensch und Natur mit einem überzeugenden Personeninventar und einem klassischen whodunit-Plot, der den Leser lange rätseln lässt. Das Ganze unter Umständen, die nicht anders als mit dem Wort klaustrophobisch zu beschreiben sind. Über die Identität des Autors darf gerne gerätselt werden, und - nein - ich bin es nicht. Ich bin Rother, ich bin Monferat, und den dritten darf ich nicht verraten, aber ich bin nicht Tim Erzberg. Auch wenn ich einen Moment lang wünschte, ich wär's. Dieses Buch hätte ich doch recht gerne geschrieben.

Mittwoch, 10. Juli 2013

Autoren am Rande des Existenzminimus?

Gedanken zu einem Beitrag von Tanja Dückers in einem mir bis dato unbekannten Online-Magazin namens "Jungle World"

Ob es den Beruf des Schriftstellers gibt? Offensichtlich. Ich übe ihn aus. Allerdings bin ich arg irritiert, dass mein Schriftstellerberuf so ganz anders aussieht als der im Artikel skizzierte.

Stichwort „Stipendien“. Für welche Art von Schriftstellern kommen denn Stipendien überhaupt in Frage? Für die literarischen Autoren, die Feuilleton-Autoren.
Stichwort „Finanzierung durch Lesungen“. Nach meiner Wahrnehmung spielen Lesungen unter dem Strich für zwei Sorten von Autoren eine bedeutende Rolle – für literarische Autoren und Kinder-/Jugendbuchautoren. Sprich: überall dort, wo „Kulturtöpfe“ angebohrt werden.

Hat beides mit meiner Form des Schriftstellerberufs nur am Rande zu tun.

Stichwort „Agenten organisieren keine Veranstaltungen“. Trifft zu, aber ich mache eigentlich ziemlich gute Erfahrungen damit, diesen Part meinen Verlagen zu überlassen. Schließlich geht es um Promotion für die Veröffentlichungen, und das ist Teil der Verlagsaufgaben. Hat mir bisher auch kein Verlag verweigert.

Behalten wir doch bitte im Auge, dass die Schriftstellerei eine freiberufliche Tätigkeit ist, hoch individualisiert noch dazu – die „Leistung“ zweier Autoren wird sich kaum jemals objektiv vergleichen lassen. Und wo das scheinbar funktioniert, ist dieser Vergleich nicht viel wert: Natürlich gibt es Autoren, die ein Jahr für zweihundert Seiten brauchen; andere schaffen zweitausend. Ich liege irgendwo dazwischen und bin schon der Meinung, dass ich nicht ausschließlich billigen Dreck verzapfe.
Schriftsteller sind Freiberufler, und das bedeutet nun einmal eine Herausforderung. Wie bei allen Freiberuflern entscheiden viele unterschiedliche Elemente über den Erfolg: Selbstdisziplin, innovative Ideen, Zuverlässigkeit, die richtigen Partner oder eben einfach die Frage, ob man zur rechten Zeit am rechten Ort ist.
Eine Garantie, von der gewählten freiberuflichen Tätigkeit leben zu können gibt es nicht. Und genau das unterscheidet den „Schriftstellerberuf“ vom angeführten Beispiel, dem Beruf des Buchhändlers. Ein in Vollzeit angestellter Buchhändler sollte zumindest theoretisch von seinen Einkünften aus diesem Beruf leben können.
Schriftstellerei als Haupt- oder Nebenberuf oder als schlichte Liebhaberei: Das alles existiert, und es existiert nebeneinander, wie es schon immer nebeneinander existiert hat. Bzw. ist der Schriftsteller in Vollzeit die phänomenologisch jüngste dieser Erscheinungsformen.

Und damit kann ich zumindest dem Eingangssatz von Tanja Dückers' Beitrag absolut zustimmen:

Die derzeitigen Lebensbedingungen von Schriftstellern SIND schwer zu ermitteln. Das war niemals anders.

Samstag, 14. Januar 2012

Transparenz

So (siehe unten) sieht ein Buch ohne Umschlag aus. Die nackte Angst also in diesem Fall. Ab April wird es das Werk dann - leserfreundlich - auch mit Cover geben. Als eBook ... klar, als eBook natürlich auch, aber ich glaube, da bin ich ein hoffnungslos analoges Geschöpf. So ganz ohne Umschlag würde mir etwas fehlen.



Ein Gedanke, der mir in letzter Zeit immer wieder kommt. Privatsphäre, las ich neulich in einem Spiegel Online-Interview mit einer Netzaktivistin (Name ist mir entfallen) sei "so was von Eighties". Nun fand ich die Eighties eigentlich gar nicht so übel. Sie waren recht kultiviert auf ihre Weise, im Rückblick wohl auch irgendwie düster. Vor allen Dingen aber war die Welt greifbarer, strukturierter und in ihren Strukturen logischer vor den Zeiten der angewandten Chaostheorie. Ich will nicht sagen: besser. Ganz so weit ist's noch nicht, aber was die Welt im Innersten zusammenhält ließ sich - so wähnte man - noch einfacher durchschauen ohne dabei gleich transparent sein zu müssen.

Wie transparent muss man eigentlich sein? Ich erinnere mich gerade nicht, ob das ein wörtliches Zitat ist aus diesem denkwürdigen Interview auf dem "Ersten" und "Zweiten" (so heißt das für mich nämlich immer noch - wie in den Eighties ;)) - aber auf jeden Fall ist (oder wäre) es eine berechtigte Frage.
Antwort: Man muss nicht transparent sein. Es gibt Dinge, von denen ich gar nichts wissen will, wie prophetisch schon "Die Ärzte" sangen - ABER es hat eben Folgen, wenn man sich in die Öffentlichkeit stellt, Freundschaften pflegt, die andere vielleicht nicht pflegen würden, sein Privatleben im bunten Blätterwald ausbreitet. Wenn man dann glaubt, sich für ein Amt bewerben zu müssen, in dem man die gesamte Bevölkerung - den Souverän - zu vertreten hat, muss man damit rechnen, dass alte Hypotheken ans Tageslicht kommen. Und beständen sie auch in dem Umstand, dass auf entscheidenden Schriftstücken seltsamerweise keine Hypotheken zu finden sind, wo sie beim Durchschnittssouverän eben zu finden wären.

Was macht die ungebrochene Faszination weiter Bevölkerungsteile für Königshäuser eigentlich aus - auch hierzulande? Ist es nur allein die Lust an schwülstiger Inszenierung? Nein, nicht allein. Es ist eine ferne Erinnerung daran, dass diese Menschen in den bunten Blättern in einer anderen Zeit Symbol und Kulminationspunkt eines ganzen Landes waren, in einer ihrer beiden Naturen zumindest (erhellend hierzu nach wie vor Ernst Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs). Bei allem bunten Feuerwerk, allem Schein, allen Allongeperücken, Puderquasten und schimmernden Rüstungen: Diese Menschen repräsentierten nicht allein, sie waren identisch mit ihrem "Staat", von der Wiege bis zur Bahre. Transparent. Ohne Haut. Sie konnten sich den Herausforderungen stellen und ihnen gerecht werden, sie konnten scheitern oder sie schlicht nicht zur Kenntnis nehmen. Aber eine Wahl hatten sie nicht. Schurken und Helden und viele, viele ganz normale Menschen, die niemand gefragt hat, ob sie das so haben wollten.

Die Anforderungen mögen sich geändert haben. Aber die Erinnerung schwingt mit, bis heute.

Herr Wulff wurde gefragt.
Und er hat ja gesagt.

Gedanken übrigens, die ich im zweiten Roman um Jörg Albrecht und Hannah Friedrichs vertiefen möchte.
Dann aber möge man mich nicht wieder fragen, wie ich auf welche Idee gekommen bin. Das nämlich ist nicht immer so einfach zu beantworten.
Und ich fühle mich an sich ganz wohl dabei, nicht transparent sein zu müssen.

Sowas von Eighties.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Ich bin der Herr deiner Angst


Vorbemerkung: Seit Wochen und Monaten habe ich an dieser Stelle eine neue grandiose Veröffentlichung angekündigt. Mittlerweile ist die Katze aus dem Sack, sogar schon bei Amazon zu besichtigen - doch der Künstler schweigt. Warum?



Um es kurz zu machen: Wenn man mitkriegt, wie das eigentlich funktioniert, Bücher zu präsentieren, die Leser darauf aufmerksam zu machen ... diese Wissenschaft mit fünffachem Spiel über Bande, alles in der Hoffnung, dass das literarische Elaborat am Ende den Weg in die Herzen (und Regale) der Leser findet ... Irgendwie kommt man sich dann plötzlich selbst ganz mickrig vor. Und wenn man tausend Mal derjenige ist, der das Buch, um das es die ganze Zeit geht, verzapft hat.
Oder nennen wir es "das Produkt". Ob nun ein vage literarisch ambitionierter Psycho-Thriller oder Meister Proper, das nimmt sich dann nicht mehr so wahnsinnig viel. Mit dem Unterschied vielleicht, dass Meister Proper nicht mit am Tisch sitzt, wenn über das Für und Wider beraten wird. Wobei: Die Frisur stimmt ja schon mal.



Aber gut, Frisur hin oder her, mickrig oder nicht: Ein herzhaftes Tööröö! (frei nach Benjamin Blümchen, passend zum Outifit in der Bebilderung) für "Ich bin der Herr deiner Angst", einen einigermaßen abgründigen Thriller, der Anfang April im Reinbeker Rowohlt Verlag erscheinen wird. Über den Inhalt will ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten (unter uns: Paralysiert wie ich nach wie vor bin, wage ich es kaum irgendetwas zu verraten). Illustrierend zu diesen Worten auf jeden Fall einige Impressionen vom Dreh des Promo-Videos zum neuen Titel in unserer Bundeshauptstadt.



Mit Sicherheit wird es an dieser Stelle demnächst noch mehr zu verkünden geben - wobei ich in dieser Hinsicht noch ein wenig mein Gewissen befragen muss.

Vielleicht sollte ich mir einfach die Haare wachsen lassen.

Doch selbst dann: In jedem Falle aber bleibe ich bis bald an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan Rother

Montag, 7. November 2011

Dichtung und Wahrheit (4): Der Adler der Frühe

Hatten Sie geglaubt, verehrte Leserschaft, ich hätte unsere kleine Serie "Dichtung und Wahrheit" vollends aus dem Hirn verbannt? Keineswegs. Nur gab es in den letzten Monaten dermaßen viel zu dichten und ... Hm, doch, gerade die Wahrheit wird bei der demnächst anstehenden Enthüllung eine große Rolle spielen. Doch noch ist es nicht ganz so weit. (Ich bin ja selbst gespannt wie kein Zweiter, gleichzeitig aber entschlossen, erst dann zu berichten, wenn es auch wirklich etwas zu sehen gibt.)

Bis dahin aber: Erinnern Sie sich an die ersten Kapitel des 'Adlers der Frühe', den unheimlichen Ritt Schwester Agnethas und ihres Bruders, des päpstlichen Legaten Wasmod von dem Knesebeck vom Augustinernonnenkloster gen Burg Bodenteich? Nein? Also, sorry, diese Szenen sind dermaßen schweinemäßig eindrucksvoll: Die können Sie nicht vergessen haben. Seien Sie ehrlich: Sie haben das Buch überhaupt nicht gelesen.



Nun, als Appetithäppchen an dieser Stelle: Ich bin die Strecke heute wieder einmal abgefahren (ohne den Schlenker über die Burganlage des Tempelritters Werner von Langenapel, zugegeben. Allerdings wäre das auch schwierig geworden, müssen wir dieselbe doch in die Gefilde der Dichtung einordnen.)

Etwas anders sieht es mit dem Augustinernonnenkloster selbst aus. Mit Sicherheit habe ich an dieser Stelle schon einmal erwähnt, aus welchem Grund es im Buch keinen Namen hat.
Das habe ich nicht getan? Nun, das Kloster "Insula Sancta Maria" (zu deutsch wohl: "Marienwerder"), geht auf die Grafen von Lüchow zurück, die die Anlage auch als Familiengrablege auseresehen hatten. Ja, das Kloster war Sitz eines Konvents von Augustinerinnen, aber anders als im Roman berichtet pflegte man in dieser Anlage nicht die "vita communis"; die Nonnen nächtigten nicht in einem gemeinsamen Schlafsaal, sondern besaßen kleine Häuschen auf dem Klostergelände, in denen sie, wenn ich mich richtig erinnere, zu zweit zusammenlebten. (Nein, um das klarzustellen: Ich erinnere mich nicht an die vorreformatorische Zeit. Ich habe in der Literatur recherchiert.)
Heute übrigens ist der Klosterort schlicht unter dem Namen Diesdorf bekannt.



Dies Dorf nun habe ich heute wieder einmal aufgesucht und auf dem Rückweg auch an der Stätte Halt gemacht, an der die Sekundärwelt so unvermittelt in unsere Erzählung einbricht - die Bodenteicher Seewiesen. An dieser Stelle hier im Bilde zu bewundern, bis ...

Genau, die große Überraschung ...

Bis demnächst, SEHR demnächst, wie ich hoffe, an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Montag, 31. Oktober 2011

Renaissance!

In der F.A.Z. interessante Gedanken von Peter Richter zur Borgia-'Verfilmung' im ZDF und der Berliner "Gesichter der Renaissance"-Ausstellung: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/renaissance-der-renaissance-ist-das-mittelalter-endlich-vorbei-11502292.html

Prägnant stellt Richter dar, dass 'Renaissance' (ähnlich wie das Mittelalter) ein Begriff aus dem _Nachhinein_ ist und in ihren landläufig bekannten typischen Charakteristika mehr über die Epoche aussagt, in welcher der Begriff geprägt wurde (das bürgerliche neunzehnte Jahrhundert) als über den bezeichneten Zeitraum selbst. Allerdings verkennt Richter - gerade im Hinblick auf die 'Mittelaltermarkt'-"Kultur" - den eigentlichen Antrieb von Konsumenten und Akteuren dieser 'Bewegung': Nach allen meinen Erfahrungen mit dieser Szene hat die Mentalität dort stets die geringste Rolle gespielt, und zur Weltflucht taugt das Eine wie das Andere:
Renaissance = Mittelalter mit edleren Klamotten und mehr nackter Haut.

Nicht ohne Grund firmiert der heimische Mittelaltermarkt andernorts als "Renaissance Fair".

New Skin for the old ceremony!

Sonntag, 30. Oktober 2011

Große Literatur

Dreiundvierzig Jahre, wie ich kürzlich auf Nachfrage zu Protokoll gab, so alt werde ja nun kein Schwein. Wie eilige Recherchen dann gottlob ergeben haben, war es nicht notwendig, mich rückwirkend zu korrigieren: Selbst Miss Piggy hat erst 1976 das Bühnenlicht erblickt. Wobei Damen (und Diven schon überhaupt) bekanntlich ein Alter von 37 ohnehin nicht überschreiten.

Wie auch immer: Ich trage die Jahre mit Würde und darf mich auch an dieser Stelle noch einmal (bzw. schon einmal, so weit ich mit dem Beantworten noch nicht nachgekommen bin) für die Glückwünsche bedanken.

Ein besonderes Geschenk - Anlass dieses Eintrags - hat mir meine Frau gemacht: Wie schon ein, zweimal angesprochen, lebte vor gar nicht so schweinemäßig langer Zeit einem anderen hinterletzten KAFF nicht weit von hier schon einmal ein etwas absonderlicher Büchermensch, an dem sich die Geister schieden.

Arno Schmidts "Zettels Traum" darf als opus magnum gelten, in jeder Beziehung. Die Größenverhältnisse werden selbst hier noch nicht recht deutlich:



Jedenfalls wiegt das gute Stück einen gefühlten (und gefüllten) Zwölferpack Milchkartons. 1.334 DIN A3 Seiten mit der Schreibmaschine. Soweit das quantitative Elemente - wobei Schmidt noch nie die Sorte Literatur zum "eben mal weglesen" war. Multilingual, hermetisch dicht, voller Sprachschöpfungen, multilingualer Anspielungen. Die Lektüre wird eine Herausforderung. Wenn ich jede Woche eine Seite schaffe, bin ich noch vor meinem Siebzigsten durch.

"Und was willst du damit?", erkundigte sich mein Vater gestern. "Willst Du das in einem Vortrag einbauen?"
(Zur Erinnerung: Ich halte nun seit über drei Jahren keine Vorträge mehr.)
Nein, man mag es nicht glauben, aber ich lese tatsächlich (auch) zum Vergnügen, oder sagen wir, zur "Kür". Alles, was über die Bestsellerlisten hinausgeht, betrachte ich nicht mehr als Pflichtprogramm. Das Pflichtprogramm ist nämlich eindeutig definiert als das, was andere freiwillig lesen. Krude, abstrus, schwer verdaulich wird mein Geschreibsel nach aller Erfahrung von alleine. Des "populären Faktors" wegen wegen konsumiere ich populäre Literatur.

Aktuell auf der Agenda: Cody Mafadyen - "Ausgelöscht".
Gerade erst angefangen, noch keine hundert Seiten. Noch sind wir dabei, zu rekapitulieren, wie und wo die Protagonisten sich ihre diversen körperlichen oder seelischen Gebrechen zugezogen haben. Ich erinnere mich, dass der Vorgängerband mir bei fortschreitender Lektüre immer besser gefallen hat. Vielleicht kommt das ja noch.

Unmittelbar vorher hatte ich "Hexenkind" von Sabine Thiesler am Wickel - und war angenehm überrascht. Überzeugende Figuren, eine durchaus 'dichte' Sprache (nicht über jeden Zweifel erhaben, aber wenn ich auf Fehler stoße und mich _nicht_ über sie ärgere, ist das ein gutes Zeichen). Neugierig habe ich mir einmal die Amazon-Besprechungen angeschaut. Keine gute Idee. Auf die Idee, dass mir die Figuren eines Romans "sympathisch" sein sollten, bin ich glaube ich noch nie gekommen. Sie sollten vielmehr überzeugend und echt sein. Dann macht es mir auch Freude, ihren Erlebnissen zu folgen.

Was bei der "Hexenkind" vorangegangenen Lektüre nicht der Fall war. "Eisige Nähe" (die Titelwahl bleibt ein Rätsel) von Andreas Franz. Figuren ohne jeden erkennbaren Charakterzug (bzw. behauptete Charakterzüge, die aber durch das tatsächliche Verhalten der Figuren ad absurdum geführt werden), das allzeit populäre Thema Kinderhandel dermaßen reißerisch und naiv aufbereitet, dass es dem (scheinbaren) Anliegen Schaden zufügt, dümmlichstes Schubladendenken (die dekadenten Reichen "da oben", die sich mehr und mehr alles erlauben dürfen vs. den kleinn braven Bürger), zigfache seitenlange Redundanzen. 'Eine blickdichte Hecke schützte vor neugierigen Blicken' erfahren wir im Text. Der Name des zwischenzeitlich verstorbenen Autors auf dem Cover wird mich künftig vor der Lektüre schützen.

Hm. Und wieder ist es hin, eines der hochheiligen Vorhaben zum neuen Lebensjahr. Ich hatte mir ernsthaft vorgenommen, mich nicht mehr so aufzuregen ...


(gesehen im Scriptorium des Kloster Mariental bei Helmstedt)

Nun, stattdessen werden wir in an dieser Stelle sehr, sehr bald mit einer wirklich relevanten Neuigkeit aufwarten, versprochen.

Für hier und heute allerdings bleibe ich bis dahin Ihr und Euer


Stephan M. Rother