Samstag, 5. Februar 2011

Das Licht! Das Licht!

Ich bin ja bekanntermaßen ein vorsichtiger Mensch. Inzwischen zumindest, im vorgerückten Alter. Ich liebe Hintertürchen, Rückversicherungen - nicht mal zwingend monetär. Vielleicht färbt da ja wirklich ein bisschen die elterliche "Wer weiß, ob man das nicht noch mal brauchen kann"-Haltung durch. Meine Frau und ich hatten vor ein paar Jahren mal eine interessante Unterhaltung über ihre schlesische Großmutter und das Potential, das in einer faktisch leeren Margarinedose liegt.
"Na?", fragte sie. "Was hätte Oma Ellie wohl mit dieser Dose gemacht?"
Ich: "Hm, sie hätte die Reste mit einem Zewatuch gesammelt, um eine beschichtete Pfanne damit einzufetten. Dann hätte sie das Zewatuch in der Dose gelagert - fürs nächste Mal - bis das Fett ranzig geworden ist (beyond reasonable doubt). Und schließlich hätte sie die leere Dose zu den zweihundert anderen leeren Dosen in der Speisekammer gestapelt, weil sich bestimmt noch mal eine Möglichkeit zur Verwendung finden wird."
Hundert Punkte für diese elaborierte Antwort. Wenn ich heute so recht drüber nachdenke, ist das irgendwie bedenklich. Nicht, dass ich das machen würde wie meine Adoptivschwiegeroma, aber die schlesischen Gene sind ja nun auch bei mir angelegt (meine eigene schlesische Oma - väterlicherseits - war Jahrgang 1897). Vermutlich wirft es bereits ein deutliches Licht, dass ich den potentiellen Margarinedoseneinsatz auch nur im Gedankenexperiment nachvollziehen kann.





Nein, man kann nie wissen, wozu man Gegenstand xy noch brauchen kann. Da war mein pommerscher Großvater (mütterlicherseits, Jahrgang 1908; der wiederholt beschworene Meister Emil) ganz ähnlich. Ein Meister im Improvisieren, der Zweitverwendung. Und es ist nicht zu leugnen, dass das irgendwie auch bei mir durchschlägt: Hey, diese Passage ist an sich ziemlich gut gelungen. Passt leider nicht zum Buch, an dem du gerade schreibst oder zumindest nicht in diese Passage, aber gut ist sie ... Also heben wir sie doch auf. Die Festplatte ist geduldig, und wenn dieser Abschnitt sich nicht in die Rungholt-Erzählung fügen möchte, die ich gegenwärtig mit einem illustren Kreis von Betalesern vorbereite. Wer weiß ...




Wer weiß, wenn ich mich in ein paar Jahren noch erinnern sollte, was "Nordenstjern-Erinnerung aufheben" eigentlich war, gibt's das auch noch mal gedruckt:

Unvermittelt trat Henning eine Szene auf dem Präsidium in Kopenhagen vor Augen, im Büro des alten Nordenstjern, der eigentlich noch gar nicht so alt war, nur eben … bitter. Das war es. Henning wusste nicht, warum. Doch es gab keinen Zweifel, dass Kriminalinspektor Hendrik Nordenstjern eine Legende war als Ermittler. Dass er in die Dunkelheiten der Menschen und Dinge geblickt hatte wie kaum ein anderer Beamter auf der gesamten Behörde.
Kriminalinspektor Nordenstjern hatte den jungen Beamten, die er auf ihren ersten Einsatz bei einem Kapitalverbrechen vorbereitete, den Rücken zugedreht, aus dem Fenster geschaut.
The course of true love never did run smooth. – Notzucht, häusliche Misshandlung, was Sie wollen: Wir sprechen von Verbrechen aus Leidenschaft, selbst hier in diesen Räumen. Warum tun wir das? Kann es sein, dass wir die Dinge in einer bestimmten Weise sehen wollen, weil wir sie nur so begreifen können? Leidenschaft, hat das nicht mit Romantik zu tun, mit etwas, das wir kennen? Mit Liebe, die vielleicht einmal erwidert wurde – oder auch nicht? Verschmähte Zuneigung, die einen Menschen dazu treibt, seine Wünsche mit Gewalt durchzusetzen? Aber das ist falsch, wie es nur sein kann. Liebe hat damit überhaupt nichts zu tun.“
Der Alte hatte sich umgedreht, seine Blicke über Henning und seine Kollegen schweifen lassen, damals alle noch auf dem zweiten oder dritten Grad in der Hierarchie der Kriminalassistenten.
This thing of darkness. – Hass. Nur darum geht es. Was immer es war, das die Seelen dieser Menschen in einem Maße zerrüttet hat, dass sie zu solchen Taten fähig werden. Denken Sie immer daran. Das ist die einzige Wurzel: Hass.“






Ähnlich die berühmten letzten Worte. In der Zeit der berüchtigten Apparatemedizin weiß man nie, ob man dazu kommt, sie im entscheidenden Moment noch auszusprechen. Da hilft nur eins: Im Voraus notieren, dokumentieren. Wär doch schade für die Nachwelt; schließlich wird sowas gern kolportiert. (Ich hab schon ein paar Favoriten, schwanke aber noch; alles verknüpfen geht nicht, weil's nicht passt. Vielleicht werd ich notgedrungen einiges davon aufheben müssen fürs nächste Leben.)




Wie ich aber drauf komme: Vor einigen Tagen konnten wir wieder das Fest von Imbolc/Mariä Reinigung/Groundhog Day begehen, je nach weltanschaulicher Facon am 31. Januar, 1. oder 2. Februar. An diesem Tag - welchem nun auch immer - soll sich der Fama nach bekanntlich abzeichnen, ob der Winter nun bald zu Ende ist. Strahlender Sonnenschein: Es bleibt noch eine Weile schweinekalt. Graues Sauwetter: Die Zikaden stehen schon in den Startlöchern. Grundsätzlich ist rund um Imbolc bereits zu spüren, dass die Tage länger werden. Die Sonne verzieht sich in mitteleuropäischen Breiten nicht mehr um vier, sondern erst gegen fünf, Viertel nach fünf hinter den Horizont. Und das Licht ... Ja, das Licht dieser Tage ist einzigartig - es sei denn, wir haben eben die Sauwetter-Variante. Genau die hatten hellsichtige Meteorologen nun allerdings angekündigt. Was also tun, wenn ein Das Licht! Das Licht!-Eintrag doch schon vorgemerkt ist? Logisch: Unsere Imbolc-Fotos, die das einzigartige Licht an diesem Tag dokumentieren sollen, sind ein paar Tage früher aufgenommen worden, rund um Bad Bodenteich und an einem meiner liebsten Quellläufe, dem Räberspring.
Die Witterung war einfach schöner in der letzten Januar-Dekade.





Gut, dass ich sie aufgehoben habe.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

1 Kommentar:

Ysabetha hat gesagt…

Ich hinterlasse mal zu deinem gesamten Beitrag ein einziges breites Grinsen. :-)))

Obwohl ich ehrlicherweise gestehen muss, dass dieses breite Grinsen mein Gesicht doch mehrmals heimgesucht hat beim Lesen... ;-)