Mittwoch, 9. März 2011

Dichtung und Wahrheit (1): Ein Wort zuvor

Ich hab viel nachgegrübelt in den letzten Tagen. Ein wenig Abstand vom just in time ist ja nicht das Schlechteste - manchmal, immer oder doch immer wieder.


Hätte ich mich z.B. überhaupt zur Affäre um den Verteidigungsminister a.D. äußern sollen? Die schärfsten Kritiker der Elche waren bekanntlich ... Der Leser ahnt es. Wobei ich doch in diesem Fall ganz frei in den Spiegel schauen kann. Ich wäre nie, nie, nie auf die Idee gekommen, irgendwelche Textpassagen abzukupfern, akademisch oder sonstwie. Dazu schwurbel ich selbst zu gerne rum.
Mal ehrlich: Was kann es Schöneres geben, als irgendwas zu Papier zu sudeln und dabei zu wissen, dass eine wissenschaftliche Koryphäe gezwungen sein wird, das aufmerksam zu lesen? Eigene Gedanken, eigene Theorien - etwas Neues, noch nicht Dagewesenes. Ist das nicht das Faszinierende an der Wissenschaft?
Also, mir hat das Spaß gemacht, und ich kann gar nicht verstehen, wie sich jemand diesen Spaß entgehen lässt. Vielleicht hängt das mit dieser mehrfachen Camouflage zusammen: Das Missverständnis besteht nicht darin, dass wir einen Politiker für einen Doktor gehalten haben, sondern darin, dass wir einen Schauspieler für einen Politiker gehalten haben. Naja, und da darf ich mich nun wirklich äußern. Die Performance gerade am Ende war jedenfalls richtig mies.


Auf der anderen Seite: Ich hatte ja diesen Grützbeutel im Bein - und das war durchaus richtig eklig, weil sich das Gewebe, das da nicht hin gehörte, bis in den Muskel gefressen hatte und ich immer noch Probleme mit dem Laufen habe. Kaum zu glauben, aber das hätte tatsächlich äußerst unangenehm werden können - und es wäre ja einfach gewesen, das auch in dieser Weise darzustellen. Denn natürlich ist auch ein Grützbeutel ein Tumor, und es ist wirklich nicht vergnüglich, im Anschluss an so einen Eingriff einfach weiter durchzupowern, wie ich das gemacht habe. Wegen der Verantwortung und so, oder, ganz ernsthaft: Weil ich glaube, dass das, was ich in meinen Büchern schreibe, tatsächlich Relevanz hat. Und bestände sie nur darin, den Leser an der einen oder anderen Stelle für einen Moment ins Grübeln zu bringen.


Und ich glaube, dass ich an dieser Stelle etwas verstanden habe. Zwar wiederhole ich gebetsmühlenartig, ein Roman müsse für sich allein stehen können. Was zum Verständnis notwendig ist, müsse zwischen den beiden Buchdeckeln gesagt sein.

Doch das ändert eben nichts daran, dass da noch mehr ist. Dichtung - und Wahrheit eben. Auf eine Weise ist der gedruckte Text dann eben doch nur die Spitze des Eisbergs. Hat Albert Einstein tatsächlich Segeltouren auf dem Schwielowsee unternommen? Existiert das Paläographische Institut in Weimar realiter? Lässt sich "Händels" absonderliches Babylon-Oratorium wirklich auf die von Stevie Styx entdeckten Versatzstücke intonieren? Ist es tatsächlich möglich, von Castel del Monte aus den Monte Vulture anzuvisieren - an eben jenem Punkt, an dem am 13. Dezember 1250 Sonne und Venus hinter den Horizont sanken?


Diesen und ähnlichen Fragen möchte ich unter dem Label "Dichtung und Wahrheit" nachgehen. Im Grunde sind es typische "faqs", wie sie einen Autor erreichen. Warum soll ich das immer nur konkret auf den Punkt beantworten? Dann doch lieber im Zusammenhang.

Mit Abstand. Für das ganze Bild.

Mit dem nächsten Posting geht's los. Bis dahin bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

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