Montag, 2. November 2009

Hurra, wir leben noch!

Um einmal einen Autor zu zitieren, von dem ich ehrlich gesagt überhaupt noch nichts gelesen habe. Dabei schrieb er dem Vernehmen nach wohl gar nicht so übel, der Herr Simmel. Ich stelle mir vor, dass sich Simmel zu Böll ungefähr so verhält wie Udo Jürgens zu Jacques Brel. Vulgariter: Irgendwie dann doch gut gemeint.



Aber von Simmel zu Schimmel, der tapferen kleinen Buchhandlung in unserer Kreisstadt Uelzen, die sich von tagelangem Sperrfeuer durch vermutlich nach Selbstdefinition "christliche" Kreise nicht hat in die Knie zwingen lassen. Unsere Lesung hat am Freitag Abend stattgefunden, und ich denke, es war für alle Beteiligten ein sehr, sehr schöner Abend. Wirklich für alle Beteiligten. Die genannten Claqeure waren nämlich nicht beteiligt, sondern sind der Veranstaltung fern geblieben, die doch ihre Chance gewesen wäre, etwas über das Buch zu erfahren, das sie nicht kennen, aber glauben verdammen zu müssen.



Frau Eilers, die Leiterin der Buchhandlung, ließ dann zum Auftakt noch einmal die Ereignisse der vorangegangenen Tage Revue passieren lassen: Von den Drohungen über die Beschimpfungen bis zum letzten - vergeblichen - Versuch, beim Besitzer des Hauses, in dem die Räumlichkeiten untergebracht sind, zu intervenieren. Kurzum: Das Publikum war erschüttert. Und zwar war es nicht etwa vom Roman erschüttert, der eine Story um fiktive antike Manuskripte spinnt, sondern von der Reaktion (im wahrsten Sinne des Wortes. Von der Reaktion der Reaktion sollte man eigentlich formulieren.)



Ich persönlich habe mich riesig gefreut an diesem Abend. Ein Wiedersehen jagte das nächste. Nicht nur (was heißt da nur?) durfte ich die Kettenleserin wieder begrüßen, die ich Ihnen in meinem letzten Posting vorgestellt habe, sondern auch die Presse wurde durch vertraute Gesichter repräsentiert: Janina Fuge von der Uelzener Allgemeinen Zeitung hatte schon zu Zeiten des ersten Dorian Grave-Romans ein offenes Ohr, und Jürgen Kramer von Radio ZuSa hatte gar noch Verstärkung mitgebracht. Da schwand meine Angst vor etwaigen Kirchenkillern doch sehr rasch - auch wenn ich einen Moment lang zusammenzuckte, als ein Herr mit einer blitzartigen Bewegung einen Gegenstand aus der Tasche zog. Glücklicherweise handelte es sich dann aber doch um ein Exemplar der "Letzten Offenbarung". Natürlich war Amadeo Fanellis großes Abenteuer derjenige Titel, der an diesem Abend die größte Rolle spielte und entsprechend am häufigsten signiert wurde. Doch ich habe auf Exemplare beider Grave-Romane und sogar des 'Mantels der Winde' gesichtet. Und aus dem Fluch des Dorian Grave habe ich sogar ein Stückchen gelesen: Weil es einfach so gut passte und die Situation des Kirchenkritikers Rainer Hartheim phasenweise eben doch erschreckende Parallelen zur Realität aufweist. Manchmal komme ich mir vor wie ... nein, eigentlich nicht wie Ulrich von Liechtenstein. Ulli, einer der Minnesänger aus dem Codex Manesse, hat sich bekanntlich eine Art fiktiver Autobiographie zurechtgelegt. Bei mir verhält es sich ja anders: Ich erzähl die Sachen, und dann wird die Fiktion ein Stück weit Wirklichkeit. Hey, das reicht jetzt aber auch!



"Zwischen Fakt und Fiktion" titelt die Allgemeine Zeitung heute Morgen, thematisiert auch das "böse Blut" im Vorfeld, und dass sich keiner der heroischen Kritiker der Auseinandersetzung gestellt hat. Dass ich zum Schluss dann gar zur "Hoffnung einer Zunft" (der historischen nämlich) stilisiert werde, hat mir dann aber doch rote Ohren verursacht - und irgendwie muss ich das antizipiert haben. Im Pressefoto sieht man sie schon.

Ich hoffe, dass die nächsten Wochen sich nun ein wenig ruhiger anlassen. Ich brauch vielleicht wirklich mal Urlaub. Wie habe ich Corry www.corrys-books.com um ihre Tage in Budapest beneidet! Mitte des Monats stehen bei mir ja einige Lesungen aus den Dorian Grave-Bänden an, und bis dahin werde ich mich dem Nachfolger zur Offenbarung widmen. Oh, und heute habe ich eine Matratze gekauft ...

Aber das, verehrte Leserschaft, geht nun wirklich zu weit. Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Keine Kommentare: