Samstag, 21. November 2009

Auserlesen (3)

Gerade, verehrte Leserschaft, fällt mir ein, dass ich noch einige Worte zum Tourabschluss in Ostwestfalen schuldig bin. Irgendwie war ich schon wieder dermaßen im Nachfolger zur "Letzten Offenbarung" verbuddelt, dass ich völlig darüber hinweggekommen war.



(Nebenbei ist es ein gutes Zeichen, wenn ich so eingebuddelt bin. Wenn die Story mich ganz in sich hinein zieht, ist sie eine starke Story. Dabei muss ich wieder an ein Gespräch denken, das ich in Lemgo mit einem Pädagogen geführt habe. Er sprach mich darauf an, dass ich wohl recht viele Anglizismen verwenden würde im mündlichen Vortrag. Ich solle doch lieber "Geschichte" und "Handlung" anstatt "Story" und "Plot" sagen. Ich denke, eine solche Haltung ist legitim - doch das bedeutet nicht, dass ich sie automatisch übernehmen muss. Sprache ist ein organisches Gebilde, sie existiert nicht im luftleeren Raum, sondern lebt und verändert sich. Wer eine neue Generation für das Lesen und die Sprache begeistern möchte, wird sie dort abholen müssen, wo sie steht. Ob sie nun wirklich bei "Story" steht, weiß ich natürlich nicht - aber diese Worte sind eben aus mir heraus echt, und ich finde, das haben junge Leser verdient: etwas Echtes.)



Die Abschlusslesungen in Espelkamp waren jedenfalls echt - echt gut nämlich. Sowohl an der Birger Forell-Realschule (die ich spontan in Birgit Forell-Realschule umgetauft habe) als auch am Söderblom-Gymnasium hatten wir tolle Erlebnisse mit wirklich gespannten und interessierten Schülern. Wobei mich persönlich ein Erlebnis ganz besonders beeindruckt hat: Häufig bin ich in diesen Tagen Schülern begegnet, die selbst das Schreiben für sich entdeckt haben - schon in Uelzen, dann wieder in Hiddenhausen. Was mir in Espelkamp aber ein Sechstklässler erzählte, das hat mir wirklich die Fußnägel hochgekrempelt (eine meiner Lieblingsformulierungen). Oh, er überlege auch gerade, solche Geschichten zu schreiben. Er habe da auch schon eine Welt entworfen mit einer eigenen Sprache mit 64 (!) Zeichen, drei Brüdern, die um die Herrschaft ringen und, und, und ... Ein durchdachter, in sich geschlossener Kosmos. So weit war ich damals noch nicht. Nicht mit zwölf Jahren. Was ich zu diesem Zeitpunkt geschrieben habe, war vermutlich wirklich zu großen Teilen Pastiche (noch nicht Tolkien-, sondern Lloyd Alexander-Pastiche). Gut, heute ist das Genre weiter, doch es ist auch unübersichtlicher geworden. Die Leistung, die mir da begegnet ist, wertet das nur noch auf. Ich hoffe sehr, dass dieser Junge seinen Weg weitergeht. Ich glaube, das kann etwas Großes und Aufregendes werden.



Ganz passend dazu habe ich in Espelkamp übrigens aus dem "Mantel der Winde" gelesen - das Publikum waren fünfte und sechste Klassen, da ist dieses Buch attraktiver. Und ich habe glänzende Augen gesehen, viele glänzende Augen. Irgendwie habe ich überhaupt erst wieder begriffen, warum ich eigentlich schreibe: Weil ich hier etwas geben kann. Er ist wieder da, der sense of wonder, ohne den niemand eine Geschichte erzählen kann.



Und in diesem Sinne will ich mich nun auch wieder in die neue Story stürzen. Kein Jugendbuch, sicherlich, doch sie treibt mich um. Sie macht mich hungrig - und das ist ein sehr gutes Zeichen.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

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