Samstag, 14. Januar 2012

Transparenz

So (siehe unten) sieht ein Buch ohne Umschlag aus. Die nackte Angst also in diesem Fall. Ab April wird es das Werk dann - leserfreundlich - auch mit Cover geben. Als eBook ... klar, als eBook natürlich auch, aber ich glaube, da bin ich ein hoffnungslos analoges Geschöpf. So ganz ohne Umschlag würde mir etwas fehlen.



Ein Gedanke, der mir in letzter Zeit immer wieder kommt. Privatsphäre, las ich neulich in einem Spiegel Online-Interview mit einer Netzaktivistin (Name ist mir entfallen) sei "so was von Eighties". Nun fand ich die Eighties eigentlich gar nicht so übel. Sie waren recht kultiviert auf ihre Weise, im Rückblick wohl auch irgendwie düster. Vor allen Dingen aber war die Welt greifbarer, strukturierter und in ihren Strukturen logischer vor den Zeiten der angewandten Chaostheorie. Ich will nicht sagen: besser. Ganz so weit ist's noch nicht, aber was die Welt im Innersten zusammenhält ließ sich - so wähnte man - noch einfacher durchschauen ohne dabei gleich transparent sein zu müssen.

Wie transparent muss man eigentlich sein? Ich erinnere mich gerade nicht, ob das ein wörtliches Zitat ist aus diesem denkwürdigen Interview auf dem "Ersten" und "Zweiten" (so heißt das für mich nämlich immer noch - wie in den Eighties ;)) - aber auf jeden Fall ist (oder wäre) es eine berechtigte Frage.
Antwort: Man muss nicht transparent sein. Es gibt Dinge, von denen ich gar nichts wissen will, wie prophetisch schon "Die Ärzte" sangen - ABER es hat eben Folgen, wenn man sich in die Öffentlichkeit stellt, Freundschaften pflegt, die andere vielleicht nicht pflegen würden, sein Privatleben im bunten Blätterwald ausbreitet. Wenn man dann glaubt, sich für ein Amt bewerben zu müssen, in dem man die gesamte Bevölkerung - den Souverän - zu vertreten hat, muss man damit rechnen, dass alte Hypotheken ans Tageslicht kommen. Und beständen sie auch in dem Umstand, dass auf entscheidenden Schriftstücken seltsamerweise keine Hypotheken zu finden sind, wo sie beim Durchschnittssouverän eben zu finden wären.

Was macht die ungebrochene Faszination weiter Bevölkerungsteile für Königshäuser eigentlich aus - auch hierzulande? Ist es nur allein die Lust an schwülstiger Inszenierung? Nein, nicht allein. Es ist eine ferne Erinnerung daran, dass diese Menschen in den bunten Blättern in einer anderen Zeit Symbol und Kulminationspunkt eines ganzen Landes waren, in einer ihrer beiden Naturen zumindest (erhellend hierzu nach wie vor Ernst Kantorowicz: Die zwei Körper des Königs). Bei allem bunten Feuerwerk, allem Schein, allen Allongeperücken, Puderquasten und schimmernden Rüstungen: Diese Menschen repräsentierten nicht allein, sie waren identisch mit ihrem "Staat", von der Wiege bis zur Bahre. Transparent. Ohne Haut. Sie konnten sich den Herausforderungen stellen und ihnen gerecht werden, sie konnten scheitern oder sie schlicht nicht zur Kenntnis nehmen. Aber eine Wahl hatten sie nicht. Schurken und Helden und viele, viele ganz normale Menschen, die niemand gefragt hat, ob sie das so haben wollten.

Die Anforderungen mögen sich geändert haben. Aber die Erinnerung schwingt mit, bis heute.

Herr Wulff wurde gefragt.
Und er hat ja gesagt.

Gedanken übrigens, die ich im zweiten Roman um Jörg Albrecht und Hannah Friedrichs vertiefen möchte.
Dann aber möge man mich nicht wieder fragen, wie ich auf welche Idee gekommen bin. Das nämlich ist nicht immer so einfach zu beantworten.
Und ich fühle mich an sich ganz wohl dabei, nicht transparent sein zu müssen.

Sowas von Eighties.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother