Sonntag, 1. Mai 2011

Errata

Bekommt ein Buchautor eigentlich Fanpost?

Ein klares und unmissverständliches Jein.

Natürlich erhalte ich immer mal wieder, heutzutage in der Regel per Mail, ein Schulterklopfen oder ein Dankeschön, Worte des Lobes - aber auch der Kritik. Ich freue mich über beide. Ein Lob, gerne noch mit Begründung, tut wohl jedem gut, und aus Kritik kann man nur lernen.

Dabei denke ich jetzt weniger an Kritik nach dem Muster

"Mich täte interessieren, ob Sie diesen Roman geschrieben haben um die Kirche noch ein wenig tiefer in den Dreck zu tauchen oder nur um ein wenig provozieren zu wollen?"
(Beantwortet und Möglichkeit b gewählt. Ich wollte provozieren - zum Nachdenken.)

oder

"(...) schwach und mangelhaft ist leider streckenweise die sprachliche Gestaltung. (...) Schade, kein literarischer Anspruch?"
(Nicht beantwortet, da dem Anschreiben die Mindestanforderungen an einen Brief - Anrede und Grußformel - fehlten. Zur Beruhigung: Seit 'Babylon' habe ich ja meinen niegelnagelneuen Lektor, der meine Begeisterung für sprachliche Finessen teilt.)

Beide Beispiele waren übrigens Reaktionen auf "Die letzte Offenbarung". Interessanter als solche "Rundumschläge" sind allerdings Anmerkungen, die sich an einem konkreten Punkt festmachen und dabei durchaus den Finger in schwärende Wunden legen. Ein Autor kann nämlich noch so gewissenhaft arbeiten - vor Fehlern ist er dennoch nicht gefeit. Deshalb an dieser Stelle meine TOP 3 persönlicher literarischer Peinlichkeiten:

"Das Babylon-Virus", S. 15:

Eine Nachricht von Albert Einstein, dem großen Physiker, dem Entdecker der Relativitätstheorie: m mal c, Masse mal Beschleunigung, im Quadrat.
(später noch ein oder zwei Mal sinngemäß wiederholt)
Zur Erklärung: Meine Begeisterung für die Physik hat sich erst relativ spät in meinem Leben entwickelt - dennoch war mir die korrekte Definition von c = Geschwindigkeit an und für sich durchaus präsent. In diesem Fall hat es mich einfach davongetragen. Auf einmal hatte ich den Gedanken im Kopf, dass Einstein hier im Grunde einen Thriller definiert: Masse (es muss etwas Wichtiges auf dem Spiel stehen) mal c ... naja, flott sollte er natürlich auch sein, der Thriller. Da die Flottheit zum Showdown hin aber in der Regel zunimmt, die Dramatik der Ereignisse die Handlung beschleunigt, hat die Sache offenbar eine Eigendynamik entwickelt.
Mea culpa. Peinlich.

"Die letzte Offenbarung", S. 309:

Johann Hus, ein Prager Professor, wagte es, die Allmacht des Papstes anzuzweifeln. Das war unerhört damals. Kein Wunder, dass die Kirche Zeter und Mordio schrie und ihn vor das Konzil nach Konstanz lud, um sich für seine Thesen zu verantworten.

Zur Erklärung: Ich habe keine. Das Ganze ist noch wesentlich unangenehmer als die Einstein-Geschichte - schließlich bin ich von Haus aus Historiker und weiß sehr gut, dass Hus nicht etwa in Konstanz, sondern in Basel angeklagt (und verbrannt) wurde. Beide Konzilien befassten sich zwar mit ähnlicher Thematik (u.a. mit der Lehre Hus'), aber in Konstanz war der godfather des Hussitentums natürlich längst nicht mehr am Leben.
Mea culpa. Peinlich, peinlich.

"Der Adler der Frühe", S. 10:

anno dominice incarnationis MCCXIIC (...) 11. September 1292

(später noch sehr oft wiederholt. Nahezu die gesamte Geschichte trägt sich im Jahr 1292 zu.) Entsprechend besteht die Peinlichkeit nicht allein darin, dass ich offenbar die Subtraktionsregeln der römischen Zahlen anwenden wollte, ohne sie eigentlich zu beherrschen - sondern in der enervierenden Wiederholung des immer selben Fehlers. 1292 in römischen Zahlen müsste selbstverständlich folgendermaßen geschrieben werden: MCCXCII (M + CC + XC + II = tausend + zweihundert + neunzig + zwei).
Mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa. Peinlich, peinlich, peinlich.



Soweit zu unserer kleinen worst of. Sie ist selbstredend nicht erschöpfend. Und die Klopfer wären noch viel, viel übler, wenn nicht die Betaleser und das Lektorat ständig ein Adlerauge auf den Text gerichtet hielten, während der Autor selbst sein Geschreibsel naturgemäß durch die rosarote Brille betrachtet. Um diese Gefahr zu minimieren hab ich mir jetzt einen kleinen optischen Trick überlegt (siehe Foto oben). Ob's hilft? We'll see.

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother


postscriptum: Neue Bebrillung soll vor allem die Nachtsichtfähigkeiten und die Tiefenschärfe bei bedecktem Himmel stärken. Das funktioniert tatsächlich!