Montag, 28. Februar 2011

Kleinkriminalität

Och nö, nicht schon wieder der Guttenberg ...

I'm truly sorry, aber wem das beim Titel des aktuellen Beitrags durch den Kopf schießt, der hat den letzten nicht verstanden. Nein, diesmal geht's nicht um die gestohlene Lebensleistungen, obwohl ...

Im Mittelalter wusste man durchaus einen Unterschied zu machen zwischen offen-ehrlichem, herzerfrischendem Straßenraub und heimlichem Diebstahl. Wenn so ein Freiherr im vollen Schmuck von Wehr und Waffen dem Nachbarbaron eine Schweineherde abknöpfte, war das eine Sache - irgendwo einen Apfel mitgehen zu lassen, war eine andere, tendenziell schlimmere. Heimlichkeit war strafverschärfend - im noch gebräuchlichen Begriff der "Heimtücke" lebt das fort. Es hängt mir unserer modernen Wertschätzung des Privaten zusammen, dass wir das heute zum Teil anders sehen.

Und darum ... es ist schmerzlich, aber es scheint an der Zeit, eigene Verfehlungen zu beichten. Auch das übrigens ein genuin mittelalterlicher Gedanke: Mittelalterliche Hinrichtungen fanden in der Öffentlichkeit statt. Damit konnte die schuldige Seele demonstrieren, dass sie ihre Schuld gebüßt hat. Auch hierzu vgl. den Auftritt des (bedingt reuigen) Sünders T. zu G. vor dem Deutschen Bundestag.

Da meine persönliche Redezeit vor diesem hohen Hause nun aber gegen Null geht, wähle ich diesen Weg:


Links im Bild meine allerliebste Kaffeeschale, im Mai 1997 mitgeschmuggelt aus einem Etablissement namens "Pierre et Vacances" an der Côte d'Azur.
Rechts im Bild ein sehr stylischer Kaffeelöffel, den meine jetzige Frau etwa zur selben Zeit in einer Bielefelder Mensa entwendet hat (ich hab nachgerechnet; sie war bereits strafmündig).

Mit aller schmerzlichen Zerknirschtheit rufen wir hinaus in die Welt:
mea culpa! mea culpa! mea maxima culpa!

Das sei's dann aber auch gewesen. Die Öffentlichkeit ist hergestellt. Das Diebesgut behalten wir.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer

Stephan M. Rother

P.S.: Weiß zufällig jemand, wo's diese schicken Löffel heute noch gibt? Bitte um Nachricht. Dann gehen wir da mal essen.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Steige herab! Steige herab!

Um es vorauszuschicken: Weder bin ich ein besonderer Fan von Jürgen Trittin (ich hab ihm mal ein Futon geliefert, und er hat kein Trinkgeld gegeben), noch kann ich mich als großen Anhänger der Französischen Revolution bezeichnen. Doch das ändert nichts daran, dass wir in den letzten Tagen Entwicklungen erleben, die ich mit brennender Sorge 1) verfolge.

"There'll be the breaking of the ancient western code" 2) hörten wir Leonard Cohen vor bald zwanzig Jahren verkünden, und Mancher wird sich gefragt haben, was der Meister mit diesen Worten gemeint haben könnte. Cohens Texte sind selten rein assoziativ, und mit ziemlicher Sicherheit hatte er was anderes im Kopf als ich. Dennoch kamen mir diese Worte angesichts der Vorgänge, deren Zeugen wir werden, jetzt wieder in den Sinn.

Die Vorgänge sind bekannt: Dem gegenwärtigen Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Theodor zu Guttenberg, ist von der zuständigen Promotionsstelle bescheinigt worden, ein Plagiat begangen zu haben. Sein Titel - Dr. iur. - ist ihm entzogen worden. Grund zu einem Rücktritt von seinem Ministeramt kann zu Guttenberg daraus nicht erkennen.

Blicken wir nun zurück, blicken wir auf die vergangenen gut zweihundert Jahre seit der - eben - Französischen Revolution von 1789 und der vorangegangenen Epoche der Aufklärung, so können wir in dieser Zeit doch ein bestimmtes Muster erkennen: Es ist die Epoche des Bürgertums. Die Epoche, in der sich der einzelne Mensch das Recht auf seinen persönlichen "pursuit of happyness" 3) erkämpft hat. Das Streben nach Glück, Erfolg, Aufstieg des Einzelnen ist damit ausdrücklich sanktioniert worden.

Die erfolgreiche Leistung des Einzelnen, die - das ist mitgedacht - natürlich über das eigene individuelle Wohlergehen hinausgehen an das Morgen und die Allgemeinheit denken sollte, kann nun auf unterschiedliche Weise verdeutlicht werden. Ein "Klassiker" ist dabei natürlich der akademische Titel. Nicht ohne Grund sprechen wir vom "Bildungsbürgertum". Die Verleihung eines solchen Titels stellt eine Auszeichnung für individuelle Verdienste dar. Im Sinne des Bildungsbürgertums ist damit gerade ein Unterschied gemacht zu den nicht-individuellen, überkommenen Privilegien des Adels, die sich - zumindest theoretisch - aus der kollektiven Leistung der Vorfahren ergeben. Die Leistungen des Adels müssen dabei nichts Negatives sein! Der "dritte Stand" von 1789 hatte mit Sicherheit jeden Grund zur Kritik an den ersten beiden (Kirche und Adel), doch sind es gerade diese beiden ersten Stände gewesen, die in der Vergangenheit vor allem über den Tag hinaus gedacht haben: An das Morgen. An das, was wir heute als "Nachhaltigkeit" bezeichnen würden. In archaischen Zeiten konnte seitens des Volkes erwartet werden, dass sich der König für die Allgemeinheit aufopferte. 4) Es war, kurzum, eine Frage der Ehre.

Doch das war noch einmal eine andere Epoche. Unser "ancient western code" beginnt mit 1776 und 1789 und den Kräften, die damals am Werk waren. Mit der individuellen Leistung und der Verantwortung für die individuelle Leistung - und Fehlleistung. Theodor zu Guttenberg lehnt nun die Konsequenzen aus seiner Fehlleistung ab (das bloße Angebot, seinen Titel zurückzugeben kann kaum als angemessene Konsequenz betrachtet werden). Es ist erschreckend zu beobachten, dass sich aus dem sogenannten "bürgerlichen Lager" kaum eine Stimme erhebt, die seine Verantwortung anmahnt. Das bleibt - was natürlich wohlfeil ist - der Opposition vorbehalten. Gut, nun war es ausgerechnet der Mann mit dem Futon, der dazu einen Heroen des bürgerlichen Zeitalters bemühte, Thomas Mann, und mit Blick auf Guttenberg eine Passage aus den 'Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull' 5) zitierte. Ein ehrabschneidender Vorgang. Die Frage ist, ob sich der Gescholtene dagegen wehren kann. Er kann es nicht. Die Promotionsstelle hat ihm ausdrücklich bescheinigt, dass seine mit der Dissertation eingereichte ehrenwörtliche Erklärung falsch war.

Dass ein Minister unter diesen Voraussetzungen in einem bürgerlichen Zeitalter im Amt bleibt, ist unvorstellbar. Und doch scheint genau das der Fall zu sein.

This is the breaking of the ancient western code. Wir leben an einer Zeitenwende, und das, was hier heraufdämmert, ist nicht etwa die Renaissance eines vorbürgerlichen Zeitalters. Der Adel dieser vorbürgerlichen Zeit war nämlich sehr wohl fähig zu persönlichen Konsequenzen, zur persönlichen Demütigung - auch im Namen der Ehre. Ehre nämlich, wie mein Mentor einmal formulierte, Ehre hat man - oder man hat sie nicht.

Konsequenzen aus nicht hinnehmbaren Taten jedenfalls wusste man auch seinerzeit schon einzufordern. Heinrich IV. aus der Familie der Salier, deutscher König und nachmals Kaiser, der sich beim berühmten Gang nach Canossa zur eigenen Demütigung in höchstem Maße fähig zeigte, in seinem Absageschreiben an Papst Gregor VII.: "Tu ergo hoc anathemate et omnium episcoporum nostrorum iudicio et nostro dampnatus descende, vendicatam sedem apostolicam relinque. Alius in solium beati Petri ascendat, qui nulla violentiam religione palliet, sed beati Petri sanam doctrinam doceat. Ego, H. Dei gratia rex cum omnibus episcopis nostris tibi dicimus: descende, descende!" 6)

Steige herab, Verdammter! Steige herab! Steige herab!

Fußnoten

1) http://www.vatican.va/holy_father/pius_xi/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_14031937_mit-brennender-sorge_ge.html
2) http://www.leonardcohenfiles.com/future.html
3) http://www.archives.gov/exhibits/charters/declaration_transcript.html
4) http://de.wikipedia.org/wiki/Leonidas_I.
5) http://www.literaturlexikon-online.de/02_TM-Figurenlexikon/index.html
6) http://www.histosem.uni-kiel.de/legitimation/quellentext/1076absageschreiben.html

Montag, 21. Februar 2011

Hell freezes over?


Wir erinnern uns: Irgendwann an einem subtropischen Novembertag des vergangenen Herbstes hatte ich von einer Exkursion berichtet, die meine Frau und ins Durchbruchstal der Aue zu Füßen des "Höllbergs" unternommen hatten, wo wir unvermittelt auf ein - mögliches - Quellgebiet gestoßen waren. Genausogut könnte es sich um Überreste eines abgeschnittenen Mäanders des Flüsschens handeln, der auf dem Urmesstischblatt noch als wasserführend zu erkennen ist. Seinerzeit hatte ich hoch und heilig versprochen, die Örtlichkeit während der Permafrostperiode noch einmal aufzusuchen, um die Schüttung der - möglichen - Quellen zu überprüfen. Das funktioniert denkbar einfach: Ein stehendes Gewässer friert zu, wenn die Temperatur dauerhaft unter Null liegt. Quellwasser, das frisch aus dem Boden tritt, hat hingegen Sommers wie Winters annähernd dieselbe Temperatur. Die Wasserfläche müsste demnach offen sein.


Da ich ein hohes und heiliges Versprechen ernster nehme als ... sagen wir, manchereiner seine Ehrenerklärung eingangs einer juristischen Promotionsarbeit an der Uni Bayreuth, haben wir uns nun auf den Weg gemacht. Die wichtigsten Erkenntnisse seien hier im Bilde festgehalten.


Wie deutlich zu erkennen ist, sieht das Wasser zwar nicht eigentlich appetitlicher aus als vor einem Vierteljahr, aber von Zufrieren kann ganz eindeutig nicht die Rede sein. Da die Senke zudem fast den ganzen Tag im Schatten liegt, können wir auch mögliche Effekte der Sonneneinstrahlung außer Acht lassen. (Wir erinnern uns: Dass der namengebende Steilhang des Höll- oder Hellbergs in Wahrheit ein eher dunkler Ort ist, stellt nur vermeintlich einen Widerspruch dar. Der höllenhaft steile Talkessel ist vielmehr ein Ort zwischen den Welten, an dem das Wasser aus dem Reich des Unsichtbaren in das Reich des Sichtbaren tritt). Mit einem Wort: Heureka! Oder, vulgariter: Hell doesn't freeze over.
Quod erat demonstrandum: Am Höllberg zwischen Overstedt und Wieren treten tatsächlich eine Reihe relativ stark schüttender Hangdruckquellen aus.


Nachzutragen ist noch eine Nachricht, die mich aus einer hier nicht genannten Alpenrepublik erreicht: Bei den im vorletzten Posting vermeintlich gesichteten Spuren der Kreuzotter (Vipera berus) handelt es sich vielmehr um eine unter der - nun abgetauten - Schneeauflage deutlich sichtbare Fährte einer Wühlmaus-(Arvicolinae)Art. Obigen Fund hingegen können wir in Eigenregie eindeutig dem gemeinen Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) zuordnen

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Freitag, 18. Februar 2011

Verdammich!

Wollte Theo zu Guttenbergs Stellungnahme zu den Plagiatvorwürfen verfolgen - im ZDF. Sie hatten versprochen, das Programm zu unterbrechen, lief gerade "Reich und Schön". Haben sie wohl auch gemacht, aber ich hab nur mit einem Auge hingesehen, und jetzt hab ich's verpasst. Dachte, der Typ gehört dazu :/


(Bildtitel: Erosion. Aufgenommen gestern unweit des Höllbergs bei Overstedt)

PS: Eben nachgeschaut. Meine Magisterarbeit hat 120 Seiten Text und 1.287 Fußnoten, also ca. elf pro Seite. Ist eben ein wissenschaftliches Werk, da ist das eher unterer Schnitt. Wissenschaft ist bekanntlich Detailarbeit eng an den Quellen und der wissenschaftlichen Literatur, die sich bereits mit diesen Quellen beschäftigt (die in meinem Fall zum großen Teil selbst hundert, hundertfünfzig Jahre alt waren). Das Interesse an der Geschichte der Herren von dem Knesebeck mag nun nicht so schweinemäßig groß sein. Sie sind auch kein Thema in Tageszeitungen - so dass ich kaum in Versuchung kam, da irgendwas zu klauen.
Ich frag mich nur, wo der - mit summa cum laude ausgezeichnete - wissenschaftliche Gewinn ist, wenn die Erkenntnisse aus einer Promotionsarbeit dieselben sind, die zehn Jahre vorher schon in der Tagespresse nachzulesen waren.
So ein Ergebnis kann man sich doch ... naja ...

In die Haare schmieren.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Das Licht! Das Licht! (2)

Hm, wie's aussieht, hat mich das Universum mal wieder beschissen. Zu Imbolc standen die Zeichen auf alsbaldige Demission des Winters. Naja, kommt vor, ist nicht schön, aber was hilft's? Da muss man durch. Jedenfalls wurden uns in den vergangenen achtundvierzig Stunden gut zehn Zentimeter Neuschneeauflage verehrt.


Letztlich ist's mal wieder eine Frage der Perspektive. Ich beschäftige mich ja seit einigen Jahren - mit wechselndem Erfolg - mit einem Prinzip, das ich für mich selbst als Energiewandlung bezeichne. Ich bin nämlich davon überzeugt, dass so etwas wie 'Stress' nicht im eigentlichen Sinne existiert. Wenn der Schädel summt und brummt angesichts der allfälligen Reizüberflutung und der tausend-Dinge-auf-einmal, ist im Grunde nichts anderes zu leisten, als den richtigen Schalter an der richtigen Stelle umzulegen und schon: Tschaka! Nun, manchmal klappt's, manchmal nicht.


(Foto oben noch vor dem Wintereinbruch aufgenommen. Von links nach rechts: Alte Wierener Kirche, Lucy, neue Wierener Kirche).

Unerfreuliche meteorologische Erscheinungen können jedenfalls auch sehr inspirierend sein, wenn mans einmal schafft, dem Ganzen eine positive Seite abzugewinnen. Da ich momentan - nach Fertigstellung des hauptsächlichen Rungholt-Konvoluts - einen Erzählstrang um "die Meteorologen" einziehe, die das erschröckliche Geschehen im nordfriesischen Archipel von außen beleuchten, ist der Weg natürlich nicht so schweinemäßig weit. Anfangs wollte ich einfach ein paar sachliche Seewetterberichte einschalten, aber das kam dann doch ein wenig dröge daher. Und warum sollte ich weniger einfallsreich sein als das Universum?


Wobei auch - und selbst - ich manchmal mit meiner Weisheit am Ende bin. Ich bitte um einen kleinen Blick auf das obige Foto, aufgenommen unweit des einstigen "Breiten Pohls" in der Feldmark zwischen Häcklingen, Overstedt und Schostorf - Käffer (wie Arno Schmidt gesagt hätte), die keine Sau kennt (was er möglich nicht gesagt hätte). Die Frage ist: Was ist das? Von diesen Spuren gab es eine ganze Reihe, die sich wirr wuselnd hin und her wanden. Wühlmäuse? Sind die nicht eher unter Tage tätig? Wasserablaufrinnen? Das Gelände fällt im Kleinstprofil zu dem einstigen Wasserlauf ab, der den breiten Pohl wohl mal entwässert hat (funktioniert nicht mehr, siehe folgendes Foto. Lt. Eingeborenenaussage steht das Wasser da jedes Jahr). Hm, womöglich Kreuzottern? Die sind durchaus noch unterwegs hier in der Gegend. Vielleicht hat ja jemand eine Idee.


Ansonsten ... Gestern habe ich die neuen Verkaufszahlen von Amadeo Fanellis Abenteuern bekommen. Liest sich wirklich schon sehr stattlich. Bei rezensenten.de habe ich gerade wieder eine sehr freundliche Besprechung gefunden. Ja, unser Professor macht Spaß - mir auch :)

Oh, und Ysabetha hat ein paar interessante Videos aus der alten Zeit eingestellt. Amanda Lear ... Doch, wenn man sich das so anschaut, hatte ich doch schon einen recht elaborierten Geschmack mit zehn Jahren: Er ist immer noch eine wunderschöne Frau. Und wer braucht eigentlich Lady Gaga?

Bis bald an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 5. Februar 2011

Das Licht! Das Licht!

Ich bin ja bekanntermaßen ein vorsichtiger Mensch. Inzwischen zumindest, im vorgerückten Alter. Ich liebe Hintertürchen, Rückversicherungen - nicht mal zwingend monetär. Vielleicht färbt da ja wirklich ein bisschen die elterliche "Wer weiß, ob man das nicht noch mal brauchen kann"-Haltung durch. Meine Frau und ich hatten vor ein paar Jahren mal eine interessante Unterhaltung über ihre schlesische Großmutter und das Potential, das in einer faktisch leeren Margarinedose liegt.
"Na?", fragte sie. "Was hätte Oma Ellie wohl mit dieser Dose gemacht?"
Ich: "Hm, sie hätte die Reste mit einem Zewatuch gesammelt, um eine beschichtete Pfanne damit einzufetten. Dann hätte sie das Zewatuch in der Dose gelagert - fürs nächste Mal - bis das Fett ranzig geworden ist (beyond reasonable doubt). Und schließlich hätte sie die leere Dose zu den zweihundert anderen leeren Dosen in der Speisekammer gestapelt, weil sich bestimmt noch mal eine Möglichkeit zur Verwendung finden wird."
Hundert Punkte für diese elaborierte Antwort. Wenn ich heute so recht drüber nachdenke, ist das irgendwie bedenklich. Nicht, dass ich das machen würde wie meine Adoptivschwiegeroma, aber die schlesischen Gene sind ja nun auch bei mir angelegt (meine eigene schlesische Oma - väterlicherseits - war Jahrgang 1897). Vermutlich wirft es bereits ein deutliches Licht, dass ich den potentiellen Margarinedoseneinsatz auch nur im Gedankenexperiment nachvollziehen kann.





Nein, man kann nie wissen, wozu man Gegenstand xy noch brauchen kann. Da war mein pommerscher Großvater (mütterlicherseits, Jahrgang 1908; der wiederholt beschworene Meister Emil) ganz ähnlich. Ein Meister im Improvisieren, der Zweitverwendung. Und es ist nicht zu leugnen, dass das irgendwie auch bei mir durchschlägt: Hey, diese Passage ist an sich ziemlich gut gelungen. Passt leider nicht zum Buch, an dem du gerade schreibst oder zumindest nicht in diese Passage, aber gut ist sie ... Also heben wir sie doch auf. Die Festplatte ist geduldig, und wenn dieser Abschnitt sich nicht in die Rungholt-Erzählung fügen möchte, die ich gegenwärtig mit einem illustren Kreis von Betalesern vorbereite. Wer weiß ...




Wer weiß, wenn ich mich in ein paar Jahren noch erinnern sollte, was "Nordenstjern-Erinnerung aufheben" eigentlich war, gibt's das auch noch mal gedruckt:

Unvermittelt trat Henning eine Szene auf dem Präsidium in Kopenhagen vor Augen, im Büro des alten Nordenstjern, der eigentlich noch gar nicht so alt war, nur eben … bitter. Das war es. Henning wusste nicht, warum. Doch es gab keinen Zweifel, dass Kriminalinspektor Hendrik Nordenstjern eine Legende war als Ermittler. Dass er in die Dunkelheiten der Menschen und Dinge geblickt hatte wie kaum ein anderer Beamter auf der gesamten Behörde.
Kriminalinspektor Nordenstjern hatte den jungen Beamten, die er auf ihren ersten Einsatz bei einem Kapitalverbrechen vorbereitete, den Rücken zugedreht, aus dem Fenster geschaut.
The course of true love never did run smooth. – Notzucht, häusliche Misshandlung, was Sie wollen: Wir sprechen von Verbrechen aus Leidenschaft, selbst hier in diesen Räumen. Warum tun wir das? Kann es sein, dass wir die Dinge in einer bestimmten Weise sehen wollen, weil wir sie nur so begreifen können? Leidenschaft, hat das nicht mit Romantik zu tun, mit etwas, das wir kennen? Mit Liebe, die vielleicht einmal erwidert wurde – oder auch nicht? Verschmähte Zuneigung, die einen Menschen dazu treibt, seine Wünsche mit Gewalt durchzusetzen? Aber das ist falsch, wie es nur sein kann. Liebe hat damit überhaupt nichts zu tun.“
Der Alte hatte sich umgedreht, seine Blicke über Henning und seine Kollegen schweifen lassen, damals alle noch auf dem zweiten oder dritten Grad in der Hierarchie der Kriminalassistenten.
This thing of darkness. – Hass. Nur darum geht es. Was immer es war, das die Seelen dieser Menschen in einem Maße zerrüttet hat, dass sie zu solchen Taten fähig werden. Denken Sie immer daran. Das ist die einzige Wurzel: Hass.“






Ähnlich die berühmten letzten Worte. In der Zeit der berüchtigten Apparatemedizin weiß man nie, ob man dazu kommt, sie im entscheidenden Moment noch auszusprechen. Da hilft nur eins: Im Voraus notieren, dokumentieren. Wär doch schade für die Nachwelt; schließlich wird sowas gern kolportiert. (Ich hab schon ein paar Favoriten, schwanke aber noch; alles verknüpfen geht nicht, weil's nicht passt. Vielleicht werd ich notgedrungen einiges davon aufheben müssen fürs nächste Leben.)




Wie ich aber drauf komme: Vor einigen Tagen konnten wir wieder das Fest von Imbolc/Mariä Reinigung/Groundhog Day begehen, je nach weltanschaulicher Facon am 31. Januar, 1. oder 2. Februar. An diesem Tag - welchem nun auch immer - soll sich der Fama nach bekanntlich abzeichnen, ob der Winter nun bald zu Ende ist. Strahlender Sonnenschein: Es bleibt noch eine Weile schweinekalt. Graues Sauwetter: Die Zikaden stehen schon in den Startlöchern. Grundsätzlich ist rund um Imbolc bereits zu spüren, dass die Tage länger werden. Die Sonne verzieht sich in mitteleuropäischen Breiten nicht mehr um vier, sondern erst gegen fünf, Viertel nach fünf hinter den Horizont. Und das Licht ... Ja, das Licht dieser Tage ist einzigartig - es sei denn, wir haben eben die Sauwetter-Variante. Genau die hatten hellsichtige Meteorologen nun allerdings angekündigt. Was also tun, wenn ein Das Licht! Das Licht!-Eintrag doch schon vorgemerkt ist? Logisch: Unsere Imbolc-Fotos, die das einzigartige Licht an diesem Tag dokumentieren sollen, sind ein paar Tage früher aufgenommen worden, rund um Bad Bodenteich und an einem meiner liebsten Quellläufe, dem Räberspring.
Die Witterung war einfach schöner in der letzten Januar-Dekade.





Gut, dass ich sie aufgehoben habe.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother