Sonntag, 30. November 2008

Nachtragend

Betont: nach-tragend, nicht nacht-ragend.

Unwahrscheinlich, dass jemand von Euch und Ihnen, verehrte potentielle Leserschaft, den Titel falsch interpretiert hat, doch es wäre ja immerhin möglich. Die kommende Nacht - 30.11./1.12. - ragt bereits in den meteorologischen Winter. Wär doch der Winter erst vorbei / und wieder grün der Wiesengrund. Noch 62 Tage bis Imbolc - auch in dieser Weise kann man das sehen. Könnt ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch, du bist so schön. Vielleicht lern ich's ja doch noch mal. Wobei, mit Dr. Faust war's gleich darauf vorbei ...

Zum Anlass für meine nachtragenden Worte: Gestern Nachmittag stand eine Lesung aus dem Dorian Grave an. Die Location war eine der Stätten der Handlung, dem Flecken Ebstorf. Einige Momentaufnahmen haben wir im Bilde festgehalten.

Gipfeltreffen der local heroes? St. Mauritius (links), Rother.







Schaufenster der Buchhandlung Nohdurft: "Gegenüber hatte Tobi eine Buchhandlung entdeckt. Das Angebot im Schaufenster war gut sortiert: vor allem gab es jede Menge Lektüre zum Kloster und zu der Weltkarte. Aber sonntags war nun einmal geschlossen."





Nun, die Schokoladenseite. Allmählich fühlt sich selbst beim "Auftritt" Zivilbekleidung wieder heimisch an. Wie war das noch? "Ich bin hindurch".






Die Location war dieselbe wie Ende Oktober - das Publikum ein gänzlich anderes. Damals zwei achte Klassen mit neugierigen Fragen ("Wie hat Tobi das denn gemacht mit den Laternen?"), nun der Heimat- und Kulturkreis. Und siehe da: Die Gemeinde derer, die noch rocken - sie ist gewaltig.

Bis bald an dieser Stelle, Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 29. November 2008

In brief

Ein seltsames Gefühl verehrte potentielle Leserschaft, ist es dann schon, wenn ich mir bewusst mache, dass mit signifikanter Wahrscheinlichkeit in genau diesem Augenblick der eine oder anderen von Euch und Ihnen durch die Seiten des 'Dorian Grave' schmökert und sich gemeinsam mit Leonie Hartheim und ihren Freunden darum ringt, den geheimnisvollen Code des verblichenen Gothrockers zu knacken.

Mit Büchern ist es eine seltsame Sache. Im Grunde sind sie auch nichts anderes als sehr, sehr lange Briefe. Nun, nicht ganz, mag der ein oder andere da einwenden. Briefe oder Mails richtet man ja nun in aller Regel an eine bestimmte Person, und Dritte haben da nicht rumzuschnüffeln. Andererseits war das keineswegs von Anfang an ausgemacht. Wie sieht das mit dem Römerbrief des Paulus aus? Mit unzähligen historischen Briefveröffentlichungen? Nein, das eigentliche Merkmal eines "Briefs" ist im Grunde seine Kürze - entsprechend sind "briefs" im angelsächsischen Sprachraum Unterhosen mit kurzen Beinen.

Heute ist das, zugegeben, alles etwas anders. Briefe sind in der Regel privat, veröffentlichte Romane eben öffentlich. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Autor nicht einen bestimmten Adressaten im Kopf hätte. Das hat er sehr wohl. Ein Roman als überdimensionaler Brief hat einen Adressaten namens Leser. Im Grunde ist das eine höchst deprimierende Geschichte für den Autor des Romanbriefs: Da gibt es etliche tausend Leser - und kaum einer schreibt mal eben zurück.

Gut, einige Antworten habe ich durchaus bekommen, Besprechungen im Radio, in den Printmedien - und im Internet. Bei Amazon gibt es schon etwas zu lesen, und von Ralf Seybold stammt eine parallel auf www.schreib-lust.de veröffentlichte Rezension, bei der mir dann doch eine Gänsehaut kam. Besonders gefreut habe ich mich auch über die Zeilen von "ilkachen" auf www.lizzynet.de - denn unsere Leser sind ja - wie schon berichtet - "alle, die rocken", und ich bin erleichtert, dass das offenbar eine ganze Menge sind. Ganz gespannt bin ich, wie das Grave-Exemplar ankommen wird, das derzeit in Corrys Jugendbuchregal steht - vielleicht hat es Corry auch gerade am Wickel. Jedenfalls sind solche Antworten für den Romanbrief-Autor ungeheuer wichtig - übrigens ganz gleich, ob sie sich nun überschlagen vor Begeisterung oder ein gerüttelt Maß an Kritik anmerken. Es sind einfach Antworten, und die sind selten.

Obwohl ich natürlich längst an neuen Projekten arbeite, lässt mich der Grave nicht so schnell los. Hin und wieder wandle ich auf den Pfaden, denen auch Leonie und ihre Freunde folgen.

Der "Engelsweg" zum Beispiel ist bis heute eine wunderschöne Wanderstrecke - und der Verlauf hat sich seit den Tagen des dicken Wilhelm nicht wesentlich verändert.

Andere Wege sind gerader, doch ein merkwürdiges Gefühl ist es schon, wenn man dem Surren der Hochspannungsmasten lauscht und sich fragt, sind das wirklich die Hochspannungsmasten? Und ich will mich besser gar nicht daran erinnern, was das für ein Gefühl war, als ich Anfang des Monats nachts zwischen Breitenhees und Weyhausen im Auto unterwegs war. Nebel kam auf - und aus dem Nebel mit Blaulicht das Aufgebot der Staatsmacht. Es war Castor-Zeit und, ja, ich werde auch noch Bilder von dem lauschigen Örtchen einstellen, an dem Hartheim festgehalten wird - wenn sie mich nicht wegfangen.

Nur wohin das am Ende führen soll, das ist die große Frage. Vielleicht ist das, wie Dorian Grave jetzt sagen würde, mehr, als du wissen darfst.

Bis zum nächsten Mal an dieser Stelle bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother

Samstag, 1. November 2008

Ich bin hindurch!

Das passende Wort, verehrte potentielle Leserschaft, zum passenden Datum. Der 31. Oktober 1517, der Zeitpunkt des angeblichen Anschlags der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg, markiert zugegeben erst den Beginn der ungeheuren welthistorischen Entwicklung, die Martin Luthers Reformationsbemühungen auslösen sollten – doch es ist eben auch jenes Datum, das auf den Wormser Reichstag hinführte, an dessen Ende Luther eben dies ausrufen konnte: Ich bin hindurch! Und wenn ich tausend Köpfe hätte, ich würde sie mir eher abschlagen lassen, als zu widerrufen!

Und irgendwie kann ich heute gerade ganz gut nachvollziehen, wie er sich damals gefühlt haben muss. Nun sei es mir fern, das, was ich fabriziere, irgendwie mit den Schriften des Doktor Martin L. vergleichen zu wollen – weder im Positiven noch im Negativen – doch ein Hindurch, das spüre auch ich heute:

„Das Geheimnis des Dorian Grave – Mehr als du wissen darfst“ hat auf der Frankfurter Buchmesse das Licht der Welt erblickt und sollte in diesen Tagen beim Buchhändler Ihres und Eures Vertrauens eintreffen. In Frankfurt, bei den Literaturtagen im altmärkischen Osterburg und an jenem Ort, der im Roman eine solche Rolle spielt, in Ebstorf, haben wir erste Lesungen erlebt – und die Reaktionen übertreffen alle Erwartungen, die ich möglicherweise gehegt habe. Das Interesse ist ungeheuer. Im Frankfurter Literaturbahnhof war sogar ein leibhaftiges Ungeheuer mit dabei: Mein lieber Baumhaus-Kollege Klaus Baumgart war mit seinem neuen Werk „Elli – ungeheuer geheim“ zugegen. Eine wunder- und fantasievolle Geschichte um ein Nachwuchsgespenst, die sicher eine Menge Fans finden wird.

Was nun die Geschichte von Mr Grave anbetrifft: Die Reaktionen machen mir selbst natürlich gehörig Lust, die Story weiterzuerzählen – doch dazu an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt mehr.

Hindurch bin ich aber vor allem durch die letzten Wochen, in denen ein solcher Wust von Terminen anstand, dass es mir schon geraume Zeit davor grauste. Ein „besseres Ereignis-Timing“ forderte die Titanic! (wenn ich mich recht entsinne) zu Zeiten der Wiedervereinigung – dem hätte ich mich in diesem Oktober vollen Herzens anschließen können. Die Grave-Veröffentlichung, mein Bühnenabschied und ganz nebenbei mein vierzigster Jubeltag geballt und massiert. Gut, ich hatte es so gewollt. Ich wollte ganz bewusst eine Zäsur setzen, mir selbst deutlich machen, was ich mit den NÄCHSTEN vierzig Jahren anzufangen gedenke. Dass dieses Vorhaben dermaßen, nun, ereignisintensiv werden würde, dass mir Zweifel zwischendrin kommen würden, ob es diese vierzig Jahre überhaupt noch geben würde – das hatte ich nun nicht geahnt.

Unsere Abschiedsabende auf Burg Bodenteich waren wunderschön und wunderstressig zugleich. Während des Gesprächs mit Holger Boden vom Isenhagener Kreisblatt, in dem ich im April meinen Bühnenabschied ankündigte, hatte ich die Idee entwickelt, in bester Bowie-Tradition tatsächlich auf der Bühne abzuleben. Im Ergebnis haben wir das nun dahingehend variiert, das am Beginn der Darbietung zu den Klängen des Trauermarschs aus der Götterdämmerung bereits die Bahre hereingetragen wird und anschließend die unterschiedlichen Figuren, die ich im Verlaufe meiner Bühnenkarriere verkörpert habe, dem verstorbenen Magister Rother ihre Referenz erweisen. Die Musik durfte dabei natürlich nicht fehlen. Lady Ginevra und ihre neue Band Schafspelz standen freundlicherweise zur Verfügung. Auf einmal war die Sache rund. Womit wir nicht gerechnet hatten, war das immense Interesse der Öffentlichkeit. Gut, wir hatten natürlich auf ein ausverkauftes Haus gehofft – aber dass wir den eilig für den folgenden Tag angesetzten Zusatztermin ebenfalls in Windeseile ausverkaufen würden, das hatte dann doch niemand erwartet. Für mich bedeutete das ein Dutzend Kostümwechsel innerhalb von zwei Stunden, und am nächsten Tag noch einmal von vorn.

Man stirbt nur zwei Mal.

Und so fühlte ich mich am Ende auch. Unerwartet kam da noch die offizielle Ehrung durch den Flecken Bodenteich. Was genau es mit der Ehrengabe auf sich hat, die mir aus den Händen des stellvertrenden Bürgermeisters Werner Schulz verliehen wurde, konnte ich bisher nicht eruieren. Der Förderkreis Burg war vor zwei Jahren der erste Träger dieser Auszeichnung. Der Förderkreis Burg ist eine Korporation – ich bin keine. Vermutlich soll die Ehrung für mein künftiges Wohlverhalten bürgen. Nun, ich will und werde tun, worum ich mich ganz ehrlich immer bemühe – um mein Bestes. Und in den letzten Wochen war das ein tierisch anstrengendes Bestes.



Hier im Bilde die Verleihung - im Bilde festgehalten durch Marc Lücke, der in einem (logo, sehr lesenwerten) Artikel im Isenhagener Kreisblatt berichtete (ich frag gleich noch, ob ich's auch verwenden darf). Bitte anklicken - so sieht man nur den Herrn Bürgermeister. Nicht, dass der nicht an sich sehenswert wäre, aber irgendwie fehlt da noch was.

Doch nun, verehrte potentielle Leserschaft: Ich bin hindurch und gelobe feierlich, die mir verbleibende Kraft fürderhin allem voran dem geschriebenen Wort zu widmen … als bescheidener Arbeiter im literarischen Weinberg des Herrn. Es gibt noch so viele Geschichten, die erzählt werden wollen. Ich erwarte sie voller Spannung und mit einem glücklichen Lächeln, wie es ja vielleicht auch der Doktor aus Wittenberg auf den Lippen getragen hat, als er sich zu seinem Entschluss durchgerungen und allen Anfechtungen widerstanden hatte.

Ich bin hindurch und bleibe bis zum nächsten Mal an dieser Stelle Ihr und Euer


Stephan M. Rother