Montag, 31. März 2008

Gruß aus der Gruft


Ja, verehrte potentielle Leserschaft, ich habe mich rar gemacht in den letzten Wochen. Mea culpa, wobei ... Nein, an und für sich nicht meine culpa, aber meckern will ich auch nicht. Jedenfalls ist das Lektorat doch noch gekommen, und ich war über die Ostertage gut ausgelastet mit der Sichtung möglicher Änderungen. Natürlich hat weder ein Autor noch ein Lektor die absolute Wahrheit für sich gepachtet.

Die Wahrheit liegt je nach Couleur entweder "irgendwo dort draußen" (Akte X) oder "irgendwo dazwischen" (Zimmer-Bradley, Nebel von Avalon) - und Manchem liegt schon überhaupt nichts an der Wahrheit. Aber wie dem auch sei: Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Amedeo Fanelli gewinnt noch etwas spannendere Konturen und ich bin um die Erfahrung reicher, wie ein einziger ausgewechselter Buchstabe den Sinn einer ganzen Szene verändern und verfälschen kann.

Man vergleiche:

Nur eine Hand voll Menschen weiß, dass diese Bücher hier sind. Und jeder von ihnen hat einen lateinischen Titel, der eine halbe Seite lang ist. (Original)

Nur eine Hand voll Menschen weiß, dass diese Bücher hier sind. Und jedes von ihnen hat einen lateinischen Titel, der eine halbe Seite lang ist. (lektorierte Fassung)

Haben Sie's gemerkt? Genau. Jeder von ihnen (von der Hand voll Menschen - wir sprechen von hohen Würdenträgern des Vatikan) hat einen solchen Bandwurmtitel. In der lektorierten Fassung würde das stattdessen für die Bücher ("jedes von von ihnen") gelten. Vermeintliche Kleinigkeiten haben manchmal gewaltige Auswirkungen. Natürlich gab's hier keine böse Absicht. Die wahre Tragweite ist wohl schlicht übersehen worden.

Für die Durchsicht der Letzten Offenbarung habe ich mich dann auch noch einmal aus jenem Projekt herausgenommen, das jetzt aktuell geworden ist: Grave's Land (Arbeitstitel) soll ein Mystery-Thriller für jugendliche Leser werden und wird im Herbst bei Baumhaus erscheinen. Gothic-Szenekultur und historische Kartenwerke, geht das zusammen? Ich hoffe doch. Jedenfalls geb ich mir alle Mühe, und irgendwie habe ich mich in die Story des Mädchens Leonie Hartheim verliebt, das so unvermittelt mit dem Vermächtnis seines Rockidols konfrontiert wird. Und die meisten Ideen, das muss ich auch hier wieder feststellen, kommen tatsächlich beim Schreiben, wenn die Story und ihre Figuren zu leben beginnen. Ich setze mich zur Zeit mit einer zwei Meter acht großen männlichen Nanny aus Ghana auseinander, die sich partout nicht mit ihrer Rolle als Nebenfigur zufrieden geben will. Wie auch? Lassen Sie mal einen zwei Meter acht großen Ghanaer links liegen.

In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob wir tatsächlich mit dem Namen "Grave's Land" an den Start gehen. Ich mag ihn ja schon wegen seiner Vieldeutigkeit. Dorian Grave, oben erwähntes Idol, verweist natürlich auf den großen lasterhaften Literaten Oscar Wilde. Allerlei gruftiges Grabgedankengut ist da mit drin - und Anklänge an Graceland, den "Landsitz" von weiland Elvis Presley. Die Frage ist, ob der Titel automatisch auf englisch gelesen wird. Doch da lässt sich mit Hilfe des Covers Einiges anstellen, um das zu unterstreichen. Ich habe da in diesen Tagen einige sehr hübsche Entwürfe von einer befreundeten Künstlerin bekommen. Auf dass Sie, verehrte potentielle Leserschaft, einen davon tatsächlich auf dem Angesicht der Buchveröffentlichung erblicken mögen.

Für heute bleibe ich Ihr und Euer


Stephan M. Rother